Anno 1701
Erscheinungsdatum: 2006
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Tilman Sillescu, Pierre Langer
Trackzahl: 32
Neue Ufer und orchestrale Tiefen
Hier geht’s zur Music-Review von
Der Fluch des Drachen (2007).
Nach Anno 1503 machte die Serie mit dem Nachfolger einen Sprung von zwei Jahrhunderten in Richtung Moderne und landete 2006 mit Anno 1701 den ersten Serienableger, den ich tatsächlich nur wenige Stunden spielte. Grund 1: Die Grafik. Nach dem recht ernsten Look von 1503 war mir 1701 zu bunt, zu comichaft. Alles war etwas quietschiger, knuddeliger – für einen pubertierenden 14-Jährigen ein absolutes No-Go. Grund 2, wenn auch banaler, war dagegen der ausschlaggebendere Punkt: die Technik. Das Spiel wollte sich (wie die meisten Spiele) einfach nicht mit meinem Windows Vista anfreunden und wenn es dann mal lief, ruckelte es zu sehr. Geknickt gab ich mich geschlagen und verpasste ein Game, das wohl erst durch die Kampagne der Erweiterung Der Fluch des Drachen gut wurde. Insofern kein Verlust, könnte man meinen, wäre da nicht in guter, alter Anno-Tradition der hervorragende Soundtrack.
Für diese Review (und die zukünftigen auch) habe ich mir vorgenommen, tiefer in die Materie einzusteigen, mehr zu recherchieren und umfangreicher über die Hintergründe und Entstehungsprozesse des Soundtracks zu berichten. Das geht natürlich nicht immer, aber in diesem Fall konnte ich ein paar interessante Fakten zusammentragen … los geht‘s! Wer meine Review zur Musik von Anno 1503 gelesen hat, weiß vielleicht noch, dass damals Alexander Röder die Kompositionen zusammengesampelt hat. Dieser sollte später bei Dynamedion arbeiten, einem deutschen Unternehmen, das im Jahr 2000 von Tilman Sillescu und Pierre Langer gegründet wurde und sich auf Videospielkompositionen spezialisiert hat. Das es erst jetzt in einer meiner Reviews auftaucht ist überraschend, schließlich stammen viele, meiner Meinung nach sehr gute Soundtracks aus dieser Kreativschmiede.
Einer davon wurde für Anno 1701 geschrieben. Für ihn zeichnen Langer und Sillescu verantwortlich. Diese konnten Publisher Sunflower davon überzeugen, den Soundtrack vom Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt einspielen zu lassen einen gewaltigen qualitativen Sprung bedeutete. Erst letztens schrieb ich davon, wie begeistert ich von der Orchestrierung von Gothic 3 war, bei der ebenfalls nicht gesampelt – wie damals üblich – sondern mithilfe eines richtigen Orchesters aufgezeichnet wurde. Klar haben MIDIs und Samples ihren Charme, aber möchte man sich ein Herr der Ringe oder Star Wars ohne echte Instrumente vorstellen? Wohl kaum. Das Ganze wurde darüber hinaus für ein besonders volles Klangerlebnis in 5.1 abgemischt – für Videospiele ein Novum.
Für ihre Arbeit am 1701-Soundtrack konnten die Komponisten auf ihre Erfahrungen mit anderen Spielen wie Die Gilde 2, ParaWorld oder SpellForce 2 zurückgreifen und immer wieder gibt es Tracks, die ihre Verwandtschaft nicht leugnen können. Generell besetzt Dynamedion seit damals die Nische von Mittelalter-Fantasy-Hintergrund-Bombast und liefern immer eine durchweg hohe Qualität ab, die viele Tracks auf meine Top-Liste spült … so auch hier. Während in Anno 1503 noch viele Adaptionen und Variationen bekannter Seefahrerlieder wie Scarborough Fair oder Werke klassischer Komponisten zu hören waren, handelt es sich bei den Tracks von 1701 um neue Kompositionen. Diesen ist allen der Charakter des Aufbruchs inhärent, des Positivistischen und Hoffnungsfrohen – eine Anlehnung an die Romantik des 19. Jahrhunderts.
Es beginnt direkt mit dem ersten Track A New World, der im Gegensatz zu anderen Soundtracks ein Leitmotiv etabliert, dessen Dreiklang-Verlauf wir in vielen weiteren Stücken wiederfinden werden. Nach einem kurzen Verharren spielt das Orchester auf. Mit Streichern, Percussions und Flöten wird zum Aufbruch gerufen, bevor die Bläser das Thema erklingen lassen. Vielleicht ist es meine überreizte Fantasie, aber es drückt genau die Knöpfe, dass sich in meinem Kopf das Bild eines Schiffes formt, welches in ferne Gestade aufbricht. Während wir es langsam aus dem Hafen auslaufen sehen, nimmt sich das Orchester wieder zurück, ich beobachte einen Jungen am Kai, der sich mit einem anderen Streuner darüber unterhält, wohin die Reise der Crew wohl geht. Bedächtig begleitet das Orchester dieses Gespräch, bevor es wieder schallend anschwillt. Die Kamera in meinem Kopf zoomt heraus und fährt über das Deck des Schiffes, an dessen Bug der Kapitän in den Horizont blickt – endlich geht es los.
Diesen Grundtenor behält der Soundtrack über weite Strecken bei und auch die passenden Bilder in meiner Fantasie bleiben gleich. Beautiful Day wirkt mit seinen bedächtigen Bläsern und Streichern teilweise wie ein Western, gleichsam denke ich aber auch Oliver Twist und Disneys Pocahontas. Generell ähnelt Annos Score mit seinem Mittelalteridyll diversen Stücken aus den Filmen des erwähnten Maus-Konzerns. So hören wir bei Enter the City erneut das Hauptthema, das durch wechselnde Instrumentarisierung variiert wird und mich an die Szene aus Die Schöne und das Biest erinnert, bei der Bell auf dem Markplatz umhertanzt.
Im 7. Track Fight for Freedom wird dann zum ersten Mal das sorglose Inselbebauen und das bisherige Grandeur gestört, die Bläser rufen zum Kampf und zur Hektik. Diese Tracks (Cataclysm, Melee, Cold Steel, Onwards Annonians, Kill and Bite sowie Battleground) ähneln sich dabei sowohl untereinander stark, als auch Langers und Sillescus Arbeit am fantastischen SpellForce 2-Score, weshalb ich trotz ihrer schockierend kurzen Länge eine Schwäche für sie hege. Gleichsam treten hier auch Elemente wie Vocals auf, die bei der romantischen Siedellei fehlen.
Dies bildet zusammen mit den thematischen Songs, wie die Musik der Eingeborenenstämme sowie Desasteruntermalung eine willkommene Abwechslung im uniformen Gesamtwerk, dessen Tracks sich durch das Leitmotiv ähnlich anhören und sich nur in Nuancen unterscheiden. Mich persönlich stört dies wenig, schließlich erwarte ich von einem Anno-Soundtrack genau das: eine angenehme Hintergrundberieselung, die mein Spielerlebnis beim entspannten Lieferkettenoptimieren begleitet. Anders sieht es hingegen Simon Elchlepp von der Seite vgmonline.net, der in seiner empfehlenswerten und deutlich analytischeren Review Folgendes bemängelt:
Die mitunter hinreißende Schönheit dieser Kompositionen steht nie in Frage, und besonders für Liebhaber lyrischer Holzbläsersoli ist dieser Soundtrack ein Fest für die Sinne. Aber die relative emotionale Gleichförmigkeit der Kompositionen ist der größte, wenn auch nicht fatale, Nachteil des Soundtracks. Die meisten Stücke des Soundtracks fallen in die beschriebene Form des pastoralen, fröhlichen Orchestermaterials, und besonders in längeren Abschnitten, wie im mittleren Teil des Soundtrack-Albums, kann der unermüdliche Optimismus und das sonnige Auftreten der Musik ein wenig ermüdend und vorhersehbar werden.
Simon Elchlepp, Soundtrack-Kritiker
Diese Kritik kann ich nachvollziehen, wenn man den Soundtrack als ganzes Album erlebt und nicht wie ich einzelne Tracks hört. Würde ich jedem Score die Ähnlichkeit zu anderen Werken der gleichen Komponisten oder innerhalb eines Albums ankreiden, so könnte ich kein Assassin’s Creed mehr genießen, müsste DOOM für seine E-Gitarren-Uniformität hassen und fangen wir erst gar nicht mit der Heroes-Reihe an. Nein, ich kann in 30 Restaurants die gleiche Pizza bestellen und sie wird jedes Mal anders schmecken. Die musikalischen Häppchen bei Anno 1701 munden mir und für mich ist es immer wieder eher spaßig, wenn man Elemente irgendwo wiederfindet und die Assoziationskette in Gang gerät. Wie in Stay Negative, in dem mich die Streicher an das Goa’uld-Theme aus Stargate erinnern. Oder eben das Bild des Aufbruchs, das zu Anno eben genau so gut passt wie zu Pocahontas.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | A New World | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
02 | Beautiful Day | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
03 | Apples in the Trees | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
04 | Enter the City | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
05 | Rich Merchants | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
06 | Catch the Rabbit | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
07 | Fight for Freedom | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
08 | Cataclysm | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
09 | Melee | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
10 | Aztecs | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
11 | Pirates | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
12 | To the Shores | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
13 | Rivers and Meadows | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
14 | Sing and Rejoice | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
15 | Lake Freedom | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
16 | A New Day | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
17 | Glory to Our King | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
18 | Fields of Peace | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
19 | Beggars and Kings | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
20 | Cold Steel | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
21 | Onwards Annonians | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
22 | Kill and Bite | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
23 | Battleground | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
24 | Black Death | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
25 | Stay Negative | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
26 | Irokese | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
27 | Asia | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
28 | Indians | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
29 | Move Forward | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
30 | Land of Happiness | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
31 | Cheerful Clouds | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
32 | Windmills in Green Fields | Tilman Sillescu; Pierre Langer |
Erscheinungsdatum: 2007
Art: Gamerip
Komponist(en): Tilman Sillescu, Pierre Langer
Trackzahl: 49
Der Fluch des Drachen
Der Name verrät es schon, im Addon Der Fluch des Drachen geht’s ins Fernöstliche, mit einer tollen Kampagne, die ich aber nicht gespielt habe. Auch musikalisch wird die Asia-Thematik augegriffen und Dynamedion-typisch hochwertig in Szene gesetzt … wenn auch nicht sonderlich aufregend. Dies wird besonders im Titelsong Eye of the Dragon deutlich. Hier kündenden in der Einleitung Bläser vom Aufbruch, bevor Streicher eine getragene Melodie aufspielen. Das klingt toll und lässt auf Großes hoffen, eine kulturelle Einordnung findet darin aber nicht statt. Der Track könnte stattdessen so auch im Hauptspiel auftauchen, Erwartungen an Fernost werden nicht erfüllt.
Tatsächlich gibt es nur wenige Lieder, die das Asia-Thema aufgreifen und beispielsweise durch Panflöten (The Simple Life, Eastern Kingdom) oder mythische Atmosphären (Ancient City) inszenieren. Das muss kein Minuspunkt sein, schließlich ist das Bedienen von Stereotypen und bekannten Tropen kein Garant für Qualität. Es fällt nur auf, dass bei einem Spiel, das sich so deutlich und serienuntypisch in ein Setting bewegt, dieses akustisch kaum in den Vordergrund gestellt wird. Jenseits solcher Kritik hören wir über große Teile typische Anno-Kost (Call to Ports, For His Glory I + II, Greedy Times und Crimson Skies), die Spaß macht, so oder so ähnlich aber auch in anderen, von Dynamedion orchestrierten Spielen wie Die Gilde 2, Runes of Magic oder SpellForce 2 auftauchen könnte. Fans wie mir gefällt das.
Nr. | Titel | Interpret | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Eye of the Dragon | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
02 | The Simple Life | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
03 | Del Torros Revenge | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
04 | Ancient City | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
05 | Ancient City II | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
06 | Call to Ports | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
07 | Campaign Won | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
08 | Crimson Skies | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
09 | Eastern Kingdom | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
10 | Eastern Kingdom II | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
11 | End of Days | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
12 | For His Glory | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
13 | For His Glory II | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
14 | Fury of the Gods | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
15 | Greedy Times | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
16 | Next to the Throne | Tilman Sillescu; Pierre Langer | |
17 | Shaking Earth | Tilman Sillescu; Pierre Langer |