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Tom Clancy’s Splinter Cell: Chaos Theory

Erscheinungsdatum: 2005
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Amon Tobin
Trackzahl: 11


Unerwartet

Aller guten Dinge sind ja bekanntlich Drei. Und so überrascht es auch nicht, dass der dritte Teil der Splinter Cell-Reihe, Chaos Theory, der bis dato bestbewertete Ableger ist. Das liegt nicht unbedingt an der Geschichte, schließlich muss im mittlerweile gelernten Storykonstrukt Geheimagent Sam Fisher in bester James Bond-Manier (und quasi im Alleingang) die Welt vor einer geheimen Terrororganisation retten. Aber Entwickler Ubisoft Montreal schaffte es, das Spielprinzip weiter zu verfeinern und dem kahlköpfigen Keheimagenten mit Moves wie dem Wandhochlaufen ein paar neue Tricks beizubringen.

Ich für meinen Teil erinnere mich an diesen Teil der Reihe am besten und weiß noch genau, wie ich sabbernd vor den Preview- und Testvideos der Spielezeitschriften saß und mir die ganze Zeit dachte: ‚Ja, das ist es. So schön können Spiele sein. Besser wird‘s nicht.‘ Denn das spannende Schleichgameplay wurde erst durch die fantastischen Licht- und Schatteneffekte so richtig rund. Bis heute sind mir Missionen wie die am sturmumpeitschten Leuchturm im Gedächtnis geblieben, in dem jede Welle, die gegen die Felsen schlug, und jeder Blitz am Horizont mir beim Zocken eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Doch nicht nur spieltechnisch konnte Chaos Theory überzeugen. Als erster (und meines Wissens einziger Score der Serie) bekam das Spiel einen richtigen Original Soundtrack spendiert. Dem Splinter Cell-Wiki zufolge war man bei Ubisoft von der Arbeit des brasilianischen Musikers Amon Tobin so begeistert, dass man den Score ein paar Monate vor dem Release des Spiels auf den Markt brachte – und das zu recht!

Wie ich beim ersten Splinter Cell und Pandora Tomorrow bereits anmerkte, waren deren Scores schon ganz okay, unterlagen durch die Einteilung in Schleich- und Schießstücke jedoch dem Fluch des Gamerips, beispielsweise in Form von Maximallängen der einzelnen Lieder. Auch wenn Tobins Werke im eigentlichen Spiel in einzelne Sequenzen aufgeteilt werden, blieben sie im fertigen OST am Stück. Das Ergebnis ist der erste Score, den man so richtig als Splinter Cell-Album betiteln kann. Aber wie klingt das denn jetzt?

Um die zehn Lieder technisch zu beschreiben, zitiere ich kurz aus dem Splinter Cell-Wiki:

Dieses Album zeigt den Übergang Tobins vom Sammeln bestehender Vinyl-Samples zur Aufnahme eigener Samples. Für die Aufnahmen zu Splinter Cell: Chaos Theory – Splinter Cell 3 Soundtrack engagierte Tobin eine Live-Band, deren Mitglieder vom mexikanischen Komponisten Nacho Mendez bis zum japanischen Flötisten Eiji Miyake reichten. Der Komponist Jesper Kyd wurde auch für die Filmsequenzen des Spiels angeheuert.

Samples, mexikanische Komponisten und japanische Flöten – klingt wie eine wilde Mischung. Und das ist es auch! Aber im besten Sinne. Das wird direkt beim ersten Stück und meinem persönlichen Highlight dieses Scores deutlich: „The Lighthouse“. Dieser Track hat es nicht nur in meine allererste Top-Liste der 100 besten Videospiel-Tracks geschafft, sondern zeigt auch hervorragend die kreative Verschmelzung Tobins von unterschiedlichen Stilrichtungen mit der Geheimagenten-DNS.

Von außen betrachtet ist das „The Lighthouse“ recht simpel aufgebaut. Wie bei einer Theatervorstellung treten musikalische Akteure in den Vordergrund, dominieren das Gehörte für einen kurzen Moment und machen dann Platz für etwas Neues. Am Ende der fünf Minuten möchte man gar nicht glauben, dass es noch das verhaltene Stück vom Anfang ist, wäre da nicht diese Melodie auf der Gitarre, die uns mit Ausnahme von ein paar Breaks durchgängig begleitet … doch ich greife vorweg.

Zunächst startet es mit einer Geige, die dramatisch eine Note wiederholt. Dahinter kreischen einzelne Sounds – ist das ein Horrorspiel? Die Nackenhaare stellen sich auf, bis plötzlich diese E-Gitarre (oder Bass?) einsetzt. Durudum dum dum didadudum … eine simple Notenfolge, ein einfaches Sample, das durchläuft und antreibt. Die Melodie geht weiter, wird mal distorted, dann etwas verändert, aber die Gitarre bleibt, schreitet unbeirrt voran, während um sie herum musikalisches Chaos tobt. Ist das ein Sonar? Hören wir hier etwas aus den vorherigen Splinter Cells? Keine Ahnung, aber es passt!

Das Drumherum wird lauter, schriller. Die Disharmonien setzen ein und auf einmal bricht ein Schlagzeug drauf los – wir kämpfen ums Überleben. Das alles wirkt so anarchisch, ergibt jedoch im Kontext des Spiels und aufgeteilt in die verschiedenen Phasen des Gameplays (Schleichen vs. Schießen) natürlich Sinn. Trotzdem funktioniert es genauso gut zusammenhängend – oder vielleicht noch besser. Der Track gibt uns keine ruhige Minute, lässt uns nur wenige Sekunden Luft holen und verebbt dann unvermutet.

Man merkt einfach, dass nicht mehr die Pandora Tomorrow-Crew am Werke war, sondern ein im Elektro beheimateter DJ auf das Genre des Agententhrillers losgelassen wurde. Für gewöhnlich wäre das so gar nicht meins. Andere mögen beispielsweise die funky freshe Musik eines Jet Set Radios feiern oder die psychidelische Repetition eines Songs von Moby. Und es gibt natürlich auch Stücke, die mich weniger umhauen („The Clean Up“). Da das Album allerdings mit gerade einmal zehn Tracks daherkommt – elf wenn man den Bonus-Track „Stolen“ hinzurechnet – fällt ein Brecher wie „The Lighthouse“ nun einmal auch mehr ins Gewicht.

Kommen wir zum Fazit: Obwohl Chaos Theory spieltechnisch eine Verfeinerung der Vorgänger darstellt, ist es musikalisch wohl eher als experimentell zu bezeichnen. Ein Experiment, das es durchaus wert ist, mal gehört zu werden – besonders, weil man es bei einer Reihe wie Splinter Cell nun mal nicht erwarten würde.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01The LighthouseAmon Tobin55/5
02RuthlessAmon Tobin44/5
03Theme from BatteryAmon Tobin33/5
04Kokubo Sosho StealthAmon Tobin44/5
05El CargoAmon Tobin55/5
06DisplacedAmon Tobin44/5
07Ruthless (Reprise)Amon Tobin44/5
08Kokubo Sosho BattleAmon Tobin44/5
09HokkaidoAmon Tobin44/5
10The Clean UpAmon Tobin22/5
11Stolen [Bonus]Amon Tobin22/5

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