Neverwinter Nights
Neverwinter Nights
07.07.2024
Überraschend überraschungsarm
Trotzdem kitzelt es mich ein wenig in den Fingern, mal wieder in die Neverwinter-Reihe hineinzuschauen; bin ich doch vor gut drei Jahren rollenspieltechnisch von Das Schwarze Auge kommend über Cthulhu zu Star Wars und schließlich bei Dungeons & Dragons gelandet. Und nicht zuletzt oben benanntes Baldur’s Gate 3 hat mein Wissen dahingegend nochmal vertieft. Im Gegensatz zu damals verstehe ich jetzt das Prinzip von Zauberslots, kurzen und langen Rasten sowie Ritualen. Denn als ich zu jener Zeit Neverwinter Nights 2 zockte, war das Gerede von Rettungswürfen und das Fehlen eines Manabalkens ultimativ verwirrend für mich – man lernt eben doch nie aus.
Eine weitere Feststellung, die mich beim Verfassen der Review zu jener Zeit etwas überraschte, war, dass der Score von Dave Fraser und Neil Goldberg komponiert wurde. Jahre zuvor hatte ich mich beim Kuratieren des OSTs wohl verlesen und war fest davon überzeugt, dass die Musik von Jeremy Soule stammte. Tatsächlich war der aber nur für den Vorgänger Neverwinter Nights sowie das zweite der beiden Addons, Die Horden des Unterreichs (engl. Hordes of the Underdark), verantwortlich.
Bevor wir dort einsteigen zunächst noch kurz zu den Rahmenparametern: Das Album gibt es mittlerweile als Teil der 2018er Enhanced Edition käuflich zu erwerben und beinhaltet insgesamt 86 Tracks, darunter auch die aus den beiden Addons Der Schatten von Undernzit (engl. Shadows of Undrentide) und das oben erwähnte Die Horden des Unterreichs. Um meinem Ordnungswahn nachzukommen, habe ich die Alben aufgeteilt, weshalb das Hauptspiel nur auf eine Zahl von 66 Stücken kommt, inklusive der drei Bonus-Themes Kingmaker, Shadow Guard und Witch’s Wake. Nun aber zum Komponisten.
Von den meisten wird Soule wohl für seine überragenden Kreationen in der Elder Scrolls-Reihe gefeiert, andere werden sich an den Vorwürfen von sexuellen Übergriffen gegen ihn reiben. Meinen Standpunkt dazu könnt ihr im Über Cancel Culture nachlesen. Als jemand, der mit Soules früheren Arbeiten für die ersten Harry Potter-Spiele und Star Wars: Knights of the Old Republic vertraut ist, findet sich für mich vieles wieder, was ich in dieser Form schon in seinen anderen Werken gehört habe.
Beispielsweise verfolgt Prison Fight eine ähnliche Instrumentalisierung wie Battle at Davik’s Estate aus Kotor, das seinerseits ein wenig wie Draco aus Harry Potter und die Kammer des Schreckens klingt. Oder Snake Cult Estate, das in Richtung einer Mischung aus Stealth Search und The Jedi Academy driftet. Aarin Gend oder Source Stone Battle brechen dann dankenswerterweise etwas aus dem Trott aus und erinnern eher an das spätere Morrowind.
Ungeachtet dessen bewegt sich der Score durch eine Klaviatur an unterschiedlichen Emotionen, mal bedächtig wie in Charwood, dann wieder friedlich (Temple of Tyr, Castle Never), heroisch (Siege of Fort Ilkard) und actiongeladen (Solomon’s Ambush). Ein Leitmotiv fehlt indes. Auch gibt es wenig Experimente. Dennoch ist dem Score wegen seiner Gleichförmigkeit eine unbestreitbare Stringenz inhärent, was ihn zwar einerseits angenehm geschlossen erscheinen lässt, uns aufgrund des Mangels an akustischen Highlights allerdings ebenfalls mit einem Achselzucken zurücklässt.
Da helfen auch so kleine Nuggets wie das verspielte Cutlass Inn nicht, dessen Gitarre etwas Abwechslung ins Immergleich des Donnergrollens bringt. Oder das herumhüpfende Wink and Tickle Bordello. Tatsächlich wird von mir nur einmal die Bestnote gezückt, und das bei Klauth’s Demise. Das kommt als klassischer Kampftrack recht generisch daher, aber der In-die-Fresse-Pathos funktioniert.
Zum Fazit: Auch wenn Soules Schaffen schon Ende der 90er begann und der Score zu Neverwinter Nights den 32. Eintrag seiner beeindrucken Videografie darstellt, wirkt die Musik hier noch etwas zu formelhaft. Jede*r Künstler*in hat natürlich seinen oder ihren Stil, doch die Elemente wie ferne Trommeln, die mit düsteren Bläsern und Streichern Suspense aufbauen, habe ich so vorher schon in besser gehört – ob nun wegen bewegenderer Melodien oder aufgrund nostalgischer Verklärung kann ich nicht sagen. Für mich sticht bei Neverwinter Nights kaum etwas aus der Masse.





