SpellForce: The Order of Dawn
SpellForce:
The Order of Dawn
15.01.2022
Gelungener Erstversuch
Auch wenn es sich bei dem Begriff ‚Spellforce‘ um einen Neologismus handelt, den das deutsche Studio Phenomic Game Development für seine gleichnamige Videospielreihe erschaffen hat, ließe er sich auf zwei Arten übersetzen: Zauberstärke und Buchstabierkraft. Und während die letztere Version eigentlich ein geiler Begriff wäre, um das Können von Teilnehmern eines Rechtschreibwettbewerbs zu beziffern, ging es den Entwicklern wohl vorrangig um die magische Deutung.
Denn bei SpellForce geht es in die Welt Eo, die bevölkert wird von dem Fantasy-Einmaleins aus Menschen, Elfen, Orks und Zwergen sowie dem klassischen Konflikt von Gut gegen Böse. Anders als bei meinen anderen Reviews bin ich hier in der komfortablen Situation, dass ich gar nicht so viel zum eigentlichen Game sagen muss, da ich das schon getan habe! Als eines meiner ersten Bewertungserzeugnisse überhaupt lege ich deshalb gerne jedem, der mehr über das Game erfahren möchte, meine Rezension zum Hauptspiel nahe. Da das nun aus dem Weg ist, kommen wir also zum dem, was Vergangenheits-Mattis schon anno 2016 als ‚fantastisch‘ bezeichnete; kommen wir zur Musik.
Den kompositorischen Auftrag zu SpellForce: The Order of Dawn erhielten Pierre Langer und Tilman Sillescu, die 2001 die Firma Dynamedion gründeten – ein Name, den wir auch in kommenden Reviews immer wieder und hoffentlich auch noch lange lesen werden. Denn was die beiden Komponisten hier abliefern, ist Spitzenklasse. Und das trotz der Tatsache, dass es ihr erstes Werk mit ihrem Unternehmen war. Diese lobenden Töne mögen meiner Nostalgie für das Spiel geschuldet sein, aber der Score für die Erweiterung The Breath of Winter erhielt 2004 den Deutschen Entwicklerpreis für den besten Soundtrack, also kann ich nicht ganz so daneben liegen.
Anywho, Subjektivität und so, zurück zum Besprechungsgestand. Der Soundtrack zu The Order of Dawn zählt 34 Tracks von unterschiedlicher Länge. Während die meisten zwischen einer und drei Minuten liegen, gibt es acht Ausbrecher mit einer Dauer von ironischerweise ca. acht Minuten. Warum ist das relevant? Nun, wer andere Reviews von mir gelesen hat, wird wissen, dass meine durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne und die damit einhergehende Bewertungsgrundlage der Musik für gewöhnlich nach drei bis fünf Minuten endet – das entspricht der Länge eines durchschnittlichen Popsongs oder den damaligen Wuttiraden meiner Mutter, wenn ich, ohne Hausaufgaben zu machen, an den PC gegangen war.
Anders als andere Scores mit vergleichbar langen Tracks oder die Standpauken meiner Mutter, schafft es die Musik von SpellForce hingegen, nicht zu langweilen. Wir hören hier nicht ein Thema, das sich über lange Strecken wiederholt und dabei, wenn man Glück hat, variiert, sondern eine facettenreiche, akustische Reise. Nehmen wir The Shiel als Beispiel, das bedächtig mit seinen Trommeln und Strings eine leise Melodie beginnt, die sich über die erste Minute weiter aufbauscht, durch Bläser erweitert und durch Vocals als etwas Erhabenes abgerundet wird. Kurz darauf bricht die Melodie ab, zieht sich zurück, wir hören leise ein Zupfinstrument. Plötzlich Dissonanzen, ein Klavier, das hektisch einzelne Töne spielt, als würde ein Ball langsam zu Boden dribbeln, dazu bedrohliche Vocals. Nun kommen düstere Flöten, harte Drums und dann … Streicher, die uns herausholen aus der Dunkelheit und zurückführen ans Licht, zu sanften Klängen, die sich ein letztes Mal steigern, bevor sie zu Ende ist. Eine emotionale Reise, die bei anderen Scores gerne drei Tracks in Anspruch genommen und keinesfalls dieses zusammenhängende Erlebnis ergeben hätte.
Das ist nur ein Beispiel für die Klasse, mit der Langer und Sillescu hier auftrumpfen und sie lässt sich problemlos auf die restlichen Tracks übertragen: Seien es die brachialen Kampftracks wie Attack of the Fist (Battle Blade), Era of the Orcs oder Enemy at the Camp. Die ruhigen und gefühlvollen Themen, die wir meistens in Dörfern oder Städten hören wie Greyfell (Sharrowdale), Welcome to Liannon und Greydusk Vale. Oder aber kitschige Fantasy-Kost à la Elen’s Blessing (Elves and Angels), das mit seinen Chorälen wie eine songgewordene Baumschmuserballade klingt, damit jedoch perfekt zu den grazilen Elfen passt und mich leise mitwippen lässt.
Gleichzeitig spielt der Soundtrack auch einmal bewusst mit den Erwartungen, arbeitet mit unterschiedlicher Instrumentalisierung wie Klavier und Glockenspiel, verwendet unterschiedliche Tempi, ist mal Fantasy, mal Mittelalter und dann plötzlich eiskaltes Island-Idyll. Und er scheut sich nicht davor, auch mal mit Dissonanzen zu arbeiten und folgt damit dem Vorbild des eigentlichen Spiels, das zwar auf den ersten Blick wie der typische Abstecher zu Tolkien wirkt, allerdings genug Eigenes mitbringt, um nicht bloß eines von vielen zu sein. Zumindest gilt das für mich, und so werde ich auch noch lange meine Freude mit den Tracks von SpellForce: The Order of Dawn haben sowie seinen Nachfolgern The Breath of Winter und Shadow of the Phoenix.
Nostalgiewarnung
Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.





