The Elder Scrolls V: Skyrim
Mag isch
Nein, auch der Soundtrack von Jeremy Soule sollte sich, wie für die Serie üblich, in das kollektive Gedächtnis der Gaming-Community einbrennen – und das letzte große Werk des Komponisten im Videospielbereich darstellen. In meiner Review zu Star Wars: Knights of the Old Republic hatte ich bereits über die Vorwürfe von sexuell Missbrauchs gegen Soule gesprochen, die ihn von der Bildfläche haben verschwinden lassen. Wenn ihr mehr über meine Ansicht zum Thema Künstler*in und Kunstwerk lesen wollt, schaut gerne in mein dazugehöriges Über Cancel Culture.
Mit diesem Thema aus dem Weg, lasst und direkt zum Soundtrack kommen. Dieser umfasst satte 53 Tracks und fällt damit ungewöhnlich umfangreich aus – unerwartet, aber definitiv nicht unwillkommen. Die Dauer von knapp 3,5 Stunden kann dabei etwas irreführend sein. Denn nicht nur haben wir, wie schon bei den Vorgängern, ein paar ‚belanglose‘ Ambient-Stücke zwischen den ganzen Meisterwerken. Nein, zusätzlich dazu gibt es einen 42-minütigen Track genannt Skyrim Atmospheres mit … atmosphärischen Fantasywelt-Impressionen, wer hätte es gedacht?
Qualitativ konnte Soule derweil aus dem Vollen schöpfen und im Vergleich zum bereits großartigen The Elder Scrolls IV: Oblivion, mindestens gleichziehen. Während ich die Musik zum Vorgänger ebenfalls liebe und noch etwas nostalgischer darauf zurückblicke, ist sie, wenn man gemein sein möchte, typische Fantasykost. Sehr hochwertige Fantasykost, wohl gemerkt, aber eben etwas stereotyp. Die Klangkomposition, das Feeling, alles wirkt hochstilisiert und damit künstlich, weil es eine fiktives Szenario beschreibt.
Skyrim schafft es indes, diesen Mantel des Erwartbaren von sich zu werfen, indem es uns ins Weltliche transportiert. Der Score entführt uns, einem Unravel nicht unähnlich (Imperial Throne), hoch in skandinavisch anmutende (Klang-)Regionen. In denen zeichnen Sonnenstrahlen die Umrisse der schneebedeckten Gebirge nach, während auf der Alm und unten im Tal das Leben stattfindet … eben wie im Spiel. Wir sehen dieses Bild vor unseren Augen, während uns der Score in einen, fast schon trügerischen, Entspannungszustand versetzt – und dann bricht der Kampf los, als ein Drache am Himmel auftaucht. Träumerisches Idyll und erbitterter Überlebenskampf liegen bei diesem Soundtrack so dicht beisammen, wie es nur vielleicht bei Gothic 3 der Fall war, wenn wegen eines Keilers die Hölle losbrach.
Anders als beim direkten Vorgänger sind die Kampftracks aber weniger pathetisch – oder sogar mehr. Was paradox klingt, lässt sich anhand von Stücken wie Blood and Steel und Watch the Skies ganz gut erläutern: Wuchtige Trommeln und tiefe Bläser künden von der nahenden Gefahr, die Schlacht wirkt ‚barbarisch‘, wirkt roher, als wir es bei Elder Scrolls gewohnt sind. Es ist ein fast schon urzeitlicher Streit, Mensch gegen Bestie, der Kampf ums Überleben. Dieses Schauspiel wird von einem Chor begleitet, dessen männliche Stimmen den archaischen Eindruck verstärken, während die hohen weiblichen Gegenstimmen ihn die Walküren gleich auf eine spirituelle Ebene überhöhen.
Diese Diskrepanz funktioniert hier hervorragend, weshalb sich wohl nicht zuletzt Assassin’s Creed Valhalla einer ähnlichen Richtung bedient. Dessen Score erreicht aber in seinen ruhigen Momenten bei Weitem nicht die Qualität, mit der uns Soule verwöhnt. Wo uns Oblivion mit Stücken wie Through the Valleys, Harvest Dawn und Watchman’s Ease durch unbeschwerte Täler, malerische Küsten und dicht besiedelte Städte führt, bringt uns Skyrim eine zauberhafte wie karge Landschaft näher, die gezeichnet ist von natürlicher Schönheit.
Da ich nicht zuletzt in meiner Top 50 der besten Kampftracks schon ausführlich über One They Fear gesprochen habe und auch die restlichen Schlachtbegleitungen (Tooth and Claw, Death or Sovngarde) wortwörtlich in die gleiche Kerbe schlagen, möchte ich mich an dieser Stelle den ruhigeren, nicht minder fantastischen Stücken widmen.
Allen voran The Streets of Whiterun, das es mit seiner bedächtigen Klaviermelodie schon 2020 in meine erste Liste der Top 100 Videospiel-Tracks geschafft hat. Da ich selbst, mehr oder minder begabt, Klavier spiele, gehen mir solche Stücke meistens etwas näher, als es ein aufregendes Gitarrensolo schafft. Allerdings ist das Piano kein Soloakteur, sondern erreicht gemeinsam mit den Streichern und dem Chor himmelsgleiche Sphären, die mich immer wieder zu Tränen rühren. Kaum ein Stück gibt mir so ein heimeliges Gefühl, diese unantastbare Geborgenheit, in die ich versinke, während ich an meine Tage in Skyrim zurückblicke. Dieser Track ist einfach wunderschön.
Ähnlich schön, aber auf eine andere Weise, ist Ancient Stones. Was bei The Streets of Whiterun das Motiv der Rückkehr, der Sicherheit, beschreibt, ist hier die Abenteuerlust, die schier unendliche Weite. Soule versteht es, dieser Welt ein Gefühl des Willkommens zu geben, eine Einladung zum Stauen und Entdecken. Herrlich! Gleichsam einladend ist auch Awake, das uns entgegenbrandet und den Beginn unserer Reise in Himmelsrand verkündet.
Dem entgegen stellt Secunda (benannt nach einem der beiden Monde der Welt von Tamriel) eine Form des Innehaltens für mich dar: Die Harfe, begleitet von dem Klavier, fügt eine fast schon meditativ spirituelle Ebene hinzu, wie ein leiser Tanz im Mondlicht. Solitude verfolgt einen ähnlichen Ansatz, geht durch seinen Einsatz von Streichern und Vocals jedoch sogar fast in Richtung Bedauern. Wie eine Klage erhebt sich das Orchester in der Mitte des Stücks und lässt bei mir Erinnerungen an Howard Shores Arbeit für Der Herr der Ringe wachwerden.
Trotzdem bleibt Soule dem Stil der Elder Scrolls-Serie treu: Nicht zuletzt in Form des bekannten Motivs im Theme Song Dragonborn, das er schon bei Morrowind als Nerevar Rising (bzw. Call of Magic) einführte und in Reign of the Septims aus Oblivion fortsetzte. Das Theme vom Letztgenannten taucht dann erneut in Unbroken Road auf, während Wind Guide You eine Anlehnung an Minstrel’s Lament darstellt (ebenfalls Oblivion). The Jerall Mountains wiederum greift das Theme aus Through the Valleys (Oblivion) auf, was seinerseits ein Nicken in Richtung Rise to Reality (bzw. Silt Sunrise) aus Morrowind darstellte.
So zieht sich die TES-DNS, die Soule 2002 mit Morrowind begründete, bis zum aktuell letzten Ableger der Hauptreihe. Ob sich dies mit dem sechsten Teil fortsetzen wird, der gerüchteweise irgendwann 2028 erscheinen soll, bleibt unklar. Immerhin ist das ja auch beim Handyableger Blades (Inon Zur) sowie dem MMORPG The Elder Scrolls Online (Brad Derrick, Rik Schaffer) geglückt, das nach wie vor gleichermaßen mit Erweiterungen und qualitativ hochwertiger Musik versorgt wird.
Kommen wir also zu Fazit: Der Soundtrack zu The Elder Scrolls V: Skyrim ist absolute Spitzenklasse. Das liegt nicht nur an zauberhaften Motiven und kraftvoll unbändigen Actiontracks, sondern auch an der Weitsicht, die Musik näher an der Realität anzusiedeln. Es wird einfach nicht langweilig, sich in dieses auditive Idyll zu versetzen, das Soule mit dem Album heraufbeschwört. Ich persönlich kann jedes Mal versinken, wenn eine der vorsichtigen Noten erklingt – nur um beim nächsten Track mit haaresprießender Brust aufzuspringen und mich dem Kampfe zu stellen. Ein höchst sehenswerter Anblick wegen eines höchst hörenswerten Scores!
Nostalgiewarnung
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Dragonborn | Jeremy Soule | |
02 | Awake | Jeremy Soule | |
03 | From Past to Present | Jeremy Soule | |
04 | Unbroken Road | Jeremy Soule | |
05 | Ancient Stones | Jeremy Soule | |
06 | The City Gates | Jeremy Soule | |
07 | Silent Footsteps | Jeremy Soule | |
08 | Dragonsreach | Jeremy Soule | |
09 | Tooth and Claw | Jeremy Soule | |
10 | Under an Ancient Sun | Jeremy Soule | |
11 | Death or Sovngarde | Jeremy Soule | |
12 | Masser | Jeremy Soule | |
13 | Distant Horizons | Jeremy Soule | |
14 | Dawn | Jeremy Soule | |
15 | The Jerall Mountains | Jeremy Soule | |
16 | Steel on Steel | Jeremy Soule | |
17 | Secunda | Jeremy Soule | |
18 | Imperial Throne | Jeremy Soule | |
19 | Frostfall | Jeremy Soule | |
20 | Night Without Stars | Jeremy Soule | |
21 | Into Darkness | Jeremy Soule | |
22 | Kyne's Peace | Jeremy Soule | |
23 | Unbound | Jeremy Soule | |
24 | Far Horizons | Jeremy Soule | |
25 | A Winter's Tale | Jeremy Soule | |
26 | The Bannered Mare | Jeremy Soule | |
27 | The Streets of Whiterun | Jeremy Soule | |
28 | One They Fear | Jeremy Soule | |
29 | The White River | Jeremy Soule | |
30 | Silence Unbroken | Jeremy Soule | |
31 | Standing Stones | Jeremy Soule | |
32 | Beneath the Ice | Jeremy Soule | |
33 | Tundra | Jeremy Soule | |
34 | Journey's End | Jeremy Soule | |
35 | Before the Storm | Jeremy Soule | |
36 | A Chance Meeting | Jeremy Soule | |
37 | Out of the Cold | Jeremy Soule | |
38 | Around the Fire | Jeremy Soule | |
39 | Shadows and Echoes | Jeremy Soule | |
40 | Caught Off Guard | Jeremy Soule | |
41 | Aurora | Jeremy Soule | |
42 | Blood and Steel | Jeremy Soule | |
43 | Towers and Shadows | Jeremy Soule | |
44 | Seven Thousand Steps | Jeremy Soule | |
45 | Solitude | Jeremy Soule | |
46 | Watch the Skies | Jeremy Soule | |
47 | The Gathering Storm | Jeremy Soule | |
48 | Sky Above, Voice Within | Jeremy Soule | |
49 | Death in the Darkness | Jeremy Soule | |
50 | Shattered Shields | Jeremy Soule | |
51 | Sovngarde | Jeremy Soule | |
52 | Wind Guide You | Jeremy Soule | |
53 | Skyrim Atmospheres | Jeremy Soule |
Erscheinungsdatum: 2012
Art: Gamerip
Komponist(en): Jeremy Soule
Trackzahl: 4
Dawnguard
Trotz der Unzahl an Mods und Total Conversions der treuen Fangemeinde, durch die Skyrim selbst heute noch sowohl gut aussehen als auch mit Tonnen von neuen Inhalten punkten kann, wurden zudem insgesamt drei offizielle DLCs released, von denen allerdings nur zwei mit neuen Musikstücken versehen wurde. Leider gibt es auch keine OSTs, weshalb wir bei Dawnguard und Dragonborn jeweils mit einem Gamerip Vorlieb nehmen müssen.
Inhaltlich dreht sich Dawnguard um eine Gruppe Vampirjäger, die sich an die Fersen der Blutsauger geheftet haben. Uns obliegt die Entscheidung, welcher der beiden Fraktionen wir uns anschließen wollen. Storytechnisch wie auch musikalisch geht es also in modrige Burgen und verlassene Krypten, was genau so unterhaltsam klingt, wie es schlussendlich auch ist. Mit gerade einmal vier Tracks ist der Gamerip aber deutlich schneller durchgehört als das Abenteuer durchgespielt.
Wo Soule im Hauptspiel eine ganze Welt offenstand, bietet der instanziierte Abstecher in die Welt der Sonnenallergiker wenig Platz für musikalische Meisterklasse. Tatsächlich ist nur das Stück der namensgebenden Dawnguard, What’s Left of the Snow Elves / The Forgotten Vale, erwähnenswert, wenngleich es trotz seines gefühlvollen Ansatzes ironischerweise recht blutlos bleibt. Das Vampir-Pendant Vampires of Clan Volkihar klingt nach typischem Dungeon-Muff à la Oblivion, und die restlichen beiden Tracks Ancient Depths (Ambience) und Vampiric Depths (Ambience) sind halt Ambiente. Schade.
Nostalgiewarnung
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | What's Left of the Snow Elves / The Forgotten Vale | Jeremy Soule | |
02 | Vampires of Clan Volkihar | Jeremy Soule | |
03 | Ancient Depths (Ambience) | Jeremy Soule | |
04 | Vampiric Depths (Ambience) | Jeremy Soule |
Erscheinungsdatum: 2012
Art: Gamerip
Komponist(en): Jeremy Soule
Trackzahl: 14
Dragonborn
Deutlich umfangreicher scheint da der Score zu Dragonborn. Dieser DLC verschifft uns nämlich in eine komplett neue Region … beziehungsweise eine altbekannte: Denn als Schauplatz des Geschehens dient die Insel Solstheim, die ein wenig an das von den Dunkelelfen bewohnte Morrowind erinnert. Das wird nicht nur in der Optik deutlich, sondern auch bei der Musik: 7 der 14 Tracks sind direkt aus dem OST zu The Elder Scrolls III: Morrowind entliehen, weshalb uns hier Klassiker wie The Road Most Travelled, Blessing of Vivec und Silt Sunrise begrüßen.
Aber es gibt auch Neues und das ist glücklicherweise deutlich spannender als noch bei Dawnguard. Weil es sich bei diesem Album um einen Gamerip handelt, bin ich bei den Benennungen nicht sicher, welches der richtige Titel ist, weshalb ich einfach mal beide notiert habe: Under Redoran Watch / Returning 400 Years Later, Telvanni Tower / Arriving in Solstheim und The Moesring Mountains / Dragonborn’s End sind angenehm gefühlvoll, Ashfall / Eldritch Depths nett sphärisch und Apocrypha (Realm of Knowledge) einem Daedra gemäß schaurig genug, ohne ins Gruselige abzudriften. Der Rest ist, wie gesagt, schon aus Morrowind bekannt. Insgesamt nice to have, Killer-Tracks wie im Hauptspiel sind aber leider keine dabei.
Nostalgiewarnung
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Welcome, Outlander | Jeremy Soule | |
02 | Under Redoran Watch / Returning 400 Years Later | Jeremy Soule | |
03 | Ashfall / Eldritch Depths | Jeremy Soule | |
04 | Telvanni Tower / Arriving in Solstheim | Jeremy Soule | |
05 | The Moesring Mountains / Dragonborn's End | Jeremy Soule | |
06 | Apocrypha (Realm of Knowledge) | Jeremy Soule | |
07 | Apocrypha (Ambience) | Jeremy Soule | |
08 | Over the Next Hill* | Jeremy Soule | |
09 | Peaceful Waters* | Jeremy Soule | |
10 | The Road Most Travelled* | Jeremy Soule | |
11 | Blessing of Vivec* | Jeremy Soule | |
12 | Silt Sunrise* | Jeremy Soule | |
13 | Shed Your Travails* | Jeremy Soule | |
14 | Caprice* | Jeremy Soule |
*Track im Original Soundtrack zu The Elder Scrolls III: Morrowind enthalten