Half-Life
Half-Life
05.01.2023
Mittelmaß bringt Mittel-Spaß
Half-Life gilt gemeinhin als Meilenstein der Videospielgeschichte. Als das Spiel, das spannendes Shooter-Gameplay mit einer interessanten Story verband – aber nicht irgendwie, sondern in 3-D! Für viele Zocker muss es eine einmalige Erfahrung gewesen sein, mit dem nanobesuiteten Gordon Freeman durch die Korridore von Black Mesa zu irren und dabei mit konventionellen wie unkonventionellen Waffen Marke Brecheisen auf allerlei Zombie- und Aliengewürm einzuknüppeln.
Für mich war das Spiel mit einer 18er-Freigabe natürlich fernab jeglicher Spielbarkeit – nicht dass ich überhaupt die Peripherie gehabt hätte, um dieses zur damaligen Zeit grafische Meisterwerk spielen zu können. Trotzdem habe ich es irgendwann mal nachgeholt und hatte sehr viel Spaß damit. Und da das Spiel kürzlich durch Fanmods in die deutlich hübschere Source-Engine portiert wurde, kann man den Opa in einer gelifteten Version erleben. Ich werde das auf jeden Fall noch nachholen und rate jedem Genrefan, dasselbe zu tun.
Während Half-Life in Sachen Technik und Gameplay also wegweisend war, fällt ein Aspekt etwas ab: die Musik. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir hier eine Katastrophe hören, sondern eher das Symptom des Shooter-Erbes. Für die Spiele ist diese Form der Musik sicherlich sehr gut geeignet, davon losgelöst fehlt ihr einfach die Eigenständigkeit. Sicherlich gibt es sie, die ikonischen Tracks vergangener Ballerbuden. Falls ja, habe ich sie zumindest nicht im Ohr oder die notwendige Verklärung, um sie entsprechend zu würdigen.
Kelly Bailey, Komponist und Sounddesigner, liefert hier Durchschnitt ab. Durchschnitt, der aufgrund der Magnitude des eigentlichen Spiels eher negativ ins Ohr fällt. Generell fungiert der Score – wie bei Shootern üblich – hauptsächlich als Hintergrundakteur. Soll heißen: Nichtssagendes sphärisches Gewaber (Vague Voices, Space Ocean, Cavern Ambiance, Dimensionless Deepness) und unspektakuläre Action-Pieces (Klaxon Beat, Diabolical Adrenaline Guitar, Alien Shock) geben sich über weite Strecken die Klinke in die Hand.
Das erinnert teilweise an die Arbeit von Frank Klepacki bei der Command & Conquer-Reihe und bringt Vor- wie Nachtteile mit sich. Nachteil ist wie so oft die Identitätslosigkeit, unter der gerade Spiele zur Jahrtausendwende leiden. Ist das Half-Life oder Quake? Unreal? Oder doch irgendein mittelmäßiger Spielentwurf auf AA-Niveau? Einziger Indikator ist hier die eigentliche Soundqualität, denn die ist ordentlich und zeugt von Können.
Der Vorteil dieser Beliebigkeit bei der Komposition ist indes, dass einzelne Lieder viel häufiger die Chance haben, aus dem Einheitsbrei herauszustechen. Da hilft es, dass die Tracktitel bei dem Gamerip sehr deskriptiv sind und wenig Interpretationsspielraum lassen: Adrenaline Horror fängt an wie eine Hommage an die Actioneinlagen der Matrix-Filme, bevor es gegen Ende eher in Richtung der Gruselstimmung aus den Alien-Reihe geht. Diabolical Adrenaline Guitar bleibt dagegen eher auf der Spur von C&C oder DOOM und bietet nette Actionuntermalung. Und bei Drums and Riffs? Na klar, Schlagzeug + Egitarre.
Das Muster ist also deutlich zu erkennen. Folglich kann sich jeder Interessierte sehr leicht rauspicken, worauf er oder sie Lust hat. Lieber etwas Ruhiges wie Nepal Monestary? Oder Urwaldvibes in Jungle Drums? Vielleicht etwas Techno in Credits – Closing Theme? Je nach Präferenz trifft man so auf eine recht diverse Auswahl an Hintergrundmusik, die von langweilig bis gut rangiert. Meine Highlights sind dabei zum einen der knallige Nuclear Mission Jam, der im YouTube-Video zum am häufigsten abgespielten Abschnitt gehört und damit zum einen illustriert, dass ich eine basic bitch bin und zum anderen mein Geschmack massenmarkttauglich ist.
Der andere Track, der so gut wie jeden PC-Spieler hochschrecken lassen sollte, ist Hazardous Environments (Valve Theme – long). Der Name verrät es bereits: hinter diesem unscheinbaren Track verbirgt sich das ikonische Valve Theme, das immer dann erklingt, wenn das Firmenlogo mit dem Glatzkopf erscheint, dessen eines Auge durch ein rotes Ventil ersetzt wurde. Alleine schon dieser Gitarrenriff ist es wert, dass man mal in den Score reinhört, auch wenn man kein Meisterwerk erwarten sollte.
Nostalgiewarnung
Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.





