Company of Heroes
Company of Heroes
03.01.2021
Drei Komponisten, zwei Soundtracks, ein Gefühl
Gut 14 Jahre ist es nun schon her, dass Publisher THQ Company of Heroes vom Entwickler Relic Entertainment auf den Markt brachte. Und bis zum heutigen Tage verfolgt mich dieses Spiel. Zum einen, weil es eines der besten, wenn nicht sogar das beste Echtzeitstrategiespiel darstellt, das mir je in die Wichsgriffel gefallen ist. Was es meiner Meinung nach in Sachen strategischem Tiefgang und Spielmechaniken hinter anderen großen Marken zurückfallen lässt – einer der Gründe, warum ich es nie im online gezockt habe – macht es mit seiner dichten Atmosphäre wieder wett.
Kaum ein anderes Strategiespiel, das ich gespielt habe, hat Gefechte so nah, so echt darstellen können. Jedes Aufeinandertreffen von Einheiten ist spannungsgeladen. Wo wir bei Command & Conquer 3: Tiberium Wars unsere Infanteriesquads unbekümmert ins Maschinengewehrfeuer schicken oder bei Supreme Commander sogar im wahrsten Sinne Truppen am laufenden Band gegen die Gegner schmeißen, zwingt uns Company of Heroes in die Mikroebene, indem es schlaues Taktieren fordert: Wo greife ich am geschicktesten an, welche Position ist strategisch wichtig und bietet meinen Squads und Panzern auch genügend Deckung? Wie setze ich die spärlichen Ressourcen ein? Welche Einheit fehlt meinen Streitkräften?
Unterstützt wird dieses Mittendrin-Gefühl auch durch das fantastische Sounddesign. Panzerschüsse klingen überzeugend wuchtig, das (zumindest im Englischen) tolle Voice-Acting bringt die Funksprüche unserer Jungs super zur Geltung – auf Distanz sogar stilsicher mit Verbindungsrauschen. Und wenn das feindliche Maschinengewehr Salve um Salve ins Feld verballert, kann man schon nachvollziehen, warum unsere Jungs gerade die Marschanweisung ignorieren und stattdessen lieber mit dem Gesicht den Schlamm erkunden. Unterstützt wird der Weltkriegs-Wumms von einem schönen Soundtrack, den – und damit schließt sich der Kreis – ich auch heute noch gerne höre.
Der OST für Company of Heroes wurde in zwei Alben veröffentlicht: Das für mich bessere weil actiongeladene Songs from the Front mit 36 Tracks sowie das häufig zu ruhige All Heroes Rise mit 25. Weil beide aber zum gleichen Spiel gehören und keine Songs zweimal auftauchen, behandle ich beide Scores in dieser Review wie einen zusammenhängenden OST – Puristen mögen es mir verzeihen. Gut, da das jetzt geklärt ist, kommen wir zu den Verursachern.
Für den Score haben sich gleich drei Schwergewichte zusammengetan: Ian Livingstone, Inon Zur und Jeremy Soule. Die Namen sollten Besuchern dieses Blogs bekannt vorkommen, sind doch zumindest zwei der Genannten in meinen Augen echte Könner. Aber auch ‚Newcomer‘ Ian Livingstone zeigt seine Qualitäten und kommt im Schnitt trägt sogar den Siegerpokal nach Hause. Denn für eine objektiv subjektive Bewertung habe ich spaßeshalber die durchschnittliche Track-Bewertungen der Künstler errechnet. Demnach kommen Zur (10 Tracks) und Soule (26 Tracks) jeweils auf eine durchschnittliche Bewertung von 2,5 Sternen, Livingstone (25 Tracks) räumt dagegen mit im Schnitt 3,92 Sternen richtig ab. Aber Zahlen alleine sagen ja ohne Begründung nichts aus. Kommen wir nun also zur eigentlichen Review.
Kurze Erinnerung: Wir befinden uns im 2. Weltkrieg und spielen einen Großteil der Kampagne auf Seiten der Alliierten, überwiegend der Amerikaner. So ist es wenig verwunderlich, dass schon ab dem ersten Track die musikalische Verwandtschaft zu Filmen und Serien wie Saving Privat Ryan oder Band of Brothers ersichtlich wird. Track 1, Sunrise on the Battlefield von Soule, weckt zunächst Erinnerungen an die Arbeiten seines Bruders Julian Soule für Star Trek: New Worlds. Mit einer Kombination aus Streichern und Bläsern wird eine Form von Erdung erzeugen, das geistige Bild einer morgendlichen Landschaft formt sich. Nach knapp einer halben Minute erheben wir uns dann in bester Elder Scrolls-Manier mit helleren Klängen über das Geschehen, blicken hinaus in die Weiten, die Geschichte kann beginnen.
Bleiben wir an dieser Stelle doch mal bei Soule. Sein wiedererkennbarer Stil und die damit verbundene Ähnlichkeit zu anderen Scores lässt sich in diesem OST häufig finden. Ein ums andere Mal fühlt es sich an, als würde man Bekanntes mit Weltkriegs-Twist zu Ohren bekommen. Ruthless Tactic mit seinen marschigen Rhythmen gleicht Supreme Commander, Clash of Swords und Skirmish in the Woods The Elder Scrolls IV: Oblivion. Das kann nerven, mir gefällts. Abseits davon gibt’s leider nur viel Ambient-Kram, der ingame funktioniert, aber nicht außerhalb davon. Wie zur Versöhnung steuert er aber auch mit dem namenlosen Track Untitled das akustische Highlight des Scores bei.
Für die Recherche dieser Review bin ich über die englischsprachige Soundtrack-Seite VGMO gestolpert, die ebenfalls Reviews verfasst. Glücklicherweise stimmt meine Einschätzung diesbezüglich mit der von Emily McMillan überein, weshalb ich ihr an dieser Stelle die fachliche Beschreibung überlasse:
Soule schließt diesen Soundtrack [Songs from the Front] mit dem phantasievoll benannten Untitled ab, das ähnlich wie der Anfang klingt – hell, komplex und emotional. Es beginnt mit einem Streichermuster, das sich schließlich zu einer Gegenmelodie entwickelt, die von einem Horn untermalt wird, das kurz darauf einsetzt und ein wunderschönes Thema einleitet, das im weiteren Verlauf des Stücks sowohl eine Entwicklung als auch Variationen durchläuft, bis es schließlich seinen stärksten Punkt mit dem Einsetzen eines Chorgesangs der Melodie erreicht.
Emily McMillan über Untitled
Wer möchte, kann auch gerne den restlichen, sehr schön geschriebenen Artikel lesen, in dem noch etwas mehr ins Detail gegangen wird, auch wenn ich mit dem Fazit nicht ganz d’accord gehe.
Nach Soule komme ich kurz zu Inon Zur, der mit mageren 10 Tracks den kleinsten Teil zum Hörvergnügen beiträgt und auch punktetechnisch wenig rausreißt. Hier hören wir größtenteils Bekanntes, manches klingt wie Fallout, anderes wie Dragon Age oder Baldur’s Gate. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber durch die kurzen Dauern, teils unter einer Minute, bleibt folglich wenig Zeit zur Motiventwicklung. Dadurch fühlen sich seine Kompositionen eher wie Füllwerk ohne wirklichen Inhalt an. Dies ist auch einer meiner größten Kritikpunkte, bei denen ich mit McMillan übereinstimme: Generell sind die Stücke viel zu kurz. Bei einer Gesamtdauer von eindreiviertel Stunden ergibt sich bei 61 Tracks eine durchschnittliche Songdauer von knapp 1,5 Minuten. Bedenkt man nun, dass ein Drittel von ihnen nur Ambient-Tracks für die Hintergrundberieselung sind, wurde viel Potenzial verschenkt.
Und dass Selbiges vorhanden ist, beweist zu guter Letzt Ian Livingstone, der neben Untitled von Soule die anderen Top-Tracks des OST hervorgebracht hat. Ganze 7 Stücke heimsen bei mir die volle Punktzahl ab, allen voran das fantastische The Month of Valiant Effort, das mit seinen Geigern zum Einstieg wenig Zeit zum Nachdenken lässt – Action ist angesagt. Es schließen sich Percussions an, der Marsch beginnt. Begleitet von den Bläsern entwickelt sich eine Melodie, die antreibt, bevor bei 0:45 das gesamte Orchester aufspielt und von Epos und heroischen Anstrengungen – daher der Name – kündet. Ein fantastisches Theme, von denen ich mir in dem 61 Tracks starken Album mehr gewünscht hätte.
Wie auch von On Guard for Liberty, das uns ebenfalls „Für Volk und Vaterland!“ entgegenzuschreien scheint. Hier ist besonders schön, dass ab 0:50 das Leitmotiv von Livingstones Kompositionen zum Vorschein kommt und zumindest diese Tracks verbindet. So hören wir es erneut beim herrschaftlich klingenden King and Country (Min 1:08), der Ouvertüre des wundervollen, nur knapp hinter Untitled zurückstehenden A Company of Heroes ab Min 0:27 sowie dem klagenden, aber nicht minder heroischen To Those Who Rest (Min 0:37).
Das scheinbar nicht mehr Kooperation zwischen den drei Künstlern stattfand, ist beklagenswert und erinnert mich an die Musik der Harry Potter-Filme, bei denen sich jeder neue Komponist immer weiter von John Williams bekannten Motiven entfernte, bis sie am Ende akustisch die Austauschbarkeit eines x-beliebigen Teenystreifen hatten. Livingstones dominantes Thema ist toll, das Wiederentdecken in den Tracks macht Spaß. Dem gegenüber klingen Soules und Zurs unzusammenhängende Tracks fast schon altbacken und eingefahren. Frische Ideen wie March of the Black Boots wiederum setzen selbst innerhalb des recht gleichförmigen Weltkriegs-Militär-Tropen Akzente und auch scheinbar langweilige Lückenfüller können wie Waiting for the Drop spannend gemacht sein.
Was bleibt ist ein Sammelsurium von actionreichen und bedächtigen Tracks im Weltkriegsgewand, vergleichsweise viel langweiliges Ambientgedudel und drei Komponisten, die nicht zueinander gefunden haben. Der Soundtrack insgesamt funktioniert zwar, hätte mit Blick auf das Potenzial aber so viel besser sein können. Wäre man zynisch, könnt man auch sagen, dass der eigentliche Soundtrack von Livingstone alleine stammt – aber so bin ich nicht. Ich mag das Gesamtwerk und höre es heute immer noch gerne, weil’s halt doch irgendwie ganz gut gemacht ist.
Nostalgiewarnung
Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.




