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Über NewGame+

Zocker kennen das Prinzip vermutlich: New Game Plus. Und auch Laien dürfte sich die Bedeutung erschließen, wenn man an einen x-beliebigen Startbildschirm eines Videospiels denkt. ‚Neues Spiel‘ bzw. ‚New Game‘ startet ein neues Spiel, ‚New Game Plus‘ folglich ein neues Spiel Plus. Ein Spiel extra, ein Spiel größer als das eigentliche Spiel.

In Wirklichkeit ist New Game Plus in vielen Fällen einfach nur die Option, das ursprüngliche Game erneut zu spielen, nur in anders. Mal kann man seine freigeschalteten Fähigkeiten und Ausrüstungen mitnehmen, mal verändert man die Spielparameter. Aber grundsätzlich erleben wir das gleiche Spiel erneut. Darauf aufbauend kam mir die Überlegung, ob es nicht ein spannender Gedanke wäre, wenn man nicht im Spiel, sondern im echten Leben eine New Game Plus-Option hätte. Quasi wie eine Reset-Reinkarnation.

Hintergrund war, dass ich mir vorgestellt hatte, nochmal meine Schulzeit zu erleben, aber mit dem Wissen, das ich heute besitze. Wobei, so ganz stimmt das nicht. Eigentlich geistert bei mir immer mal wieder dieser verkackte, 14 Jahre alte Fielmann-Werbespot durchs Gehirn, mit der für ein solch triviales Produkt viel zu philosophischen Frage: „Wenn du dein Leben nochmal leben könntest, würdest du alles nochmal genauso machen?“, worauf der alte, weise Mann entgegnet: „Nicht ganz – ich würde von Anfang an meine Brillen bei Fielmann kaufen.“ 1:0 für die Werbeagentur.

Zurück zum Gedankenspiel. Ich bilde mir ein, dass ich heute ein viel besserer Teenager wäre, als ich es damals war. Erfolgreicher? Vielleicht. Beliebter? Nicht zwangsläufig. Wissen allein ändert ja nicht die Umstände, sondern lediglich den Umgang damit. Und dann käme die Frage, was ich anders machen würde: Wo würde ich anders abbiegen? Wo andere Entscheidungen treffen? Im Grunde würde ich mein Leben nicht erneut durchleben, sondern ein anderes.

Das Problem, das sich daran anschließt, wäre der Vergleich. Denn eine der größten Lektionen, die ich in meinen 31 Jahre bisher lernen durfte, ist, dass Vergleichen mit anderen nie zu etwas führt. Klar kann man sich immer vor Augen halten, wie viel besser man es verglichen mit beispielsweise einem chinesischen Zwangsarbeiter hat. Doch dieser Blickwinkel ist so weit von meiner eigenen Wahrnehmung entrückt, dass ich mich genauso gut mit einer Lebensform auf einem anderen Planeten vergleichen könnte.

Der einzig sinnvolle Vergleich ist mMn der Vergleich mit sich selbst – mit seinem vergangenen Ich und der ständigen Frage: Bin ich heute besser, bin ich heute etwas Besseres, ein besserer Mensch als damals? Der Blick sollte also per se retrospektiv gerichtet sein, weil wir die Zukunft ja nicht kennen. In meinem zweiten Leben würde ich dagegen vermutlich ständig darüber nachdenken, was ich in meinem ersten ‚Durchgang‘ anders gemacht habe. Bestimmt würde ich häufiger die klügeren Entscheidungen treffen, aber dieses ständige Déjà-vu-Gefühl, das andauernde Hinterfragen, wie ich es beim ersten Mal gemacht habe, wäre auf Dauer sicherlich zermürbend.

Außerdem würde ich meine Kindheit vermutlich nicht so genießen können, wie ich es beim ersten Mal tat. Denn zum einen weiß ich bereits, worauf ich mich wohl freuen kann – und zum anderen, wie weit es entfernt ist. Was war es für eine Qual, als ich im minderjährigen Alter auf die 18er-Titel im Videospielregal geschielt habe und mir wünschte, endlich volljährig zu sein. Und dann weiß ich ja sogar schon, wie die Spiele so sind und wie viel besser sie in der Zukunft noch werden. Oder die grässlichen Animationen im TV … ich würde das Hobby Gaming und Medien im Allgemeinen wohl an den Nagel hängen müssen. Umgekehrt würde ich dem ersten Herzschmerz junger Liebe entgehen.

Je mehr ich darüber nachdenke, für umso abwegiger halte ich die Idee. Zugegeben, der Gedanke an eine ‚zweite‘ Chance ist verlockend, lernt man doch mit jedem dazugewonnenen Jahr, wie kostbar die eigene Zeit ist. Denn auch das habe ich gelernt: Es gibt nichts Tragischeres als die Realisation der eigenen Sterblichkeit. Mit einem Mal gewinnt jeder Moment an Bedeutung, an Wert. Ein ‚gut‘ gelebter Augenblick macht glücklich, und jede ‚Verschwendung‘ nährt die Angst vor dem Unausweichlichen. In solchen Sekunden wäre der Gedanke an ein New Game Plus, bzw. ein New Life Plus schon fast beruhigend. Ist das eine Erklärung, warum es auch heute noch Religionen gibt? Bestimmt irgendwie. Für mich bleibt es aber beim einmaligen Durchleben. Ob ich die 100% vollmache? Wir werden sehen.

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