Spellforce: The Order of Dawn
Erscheinungsdatum: 2003
Entwickler: Phenomic Game Development
Genre: Rollenspiel, Echtzeitstrategie
Spieldauer: >100 Stunden
Klassische Fantasy-Kost in unkonventionellem Gewand
Dies ist die Game-Review. Hier geht’s zur Music-Review von
SpellForce: The Order of Dawn.
Disclaimer: Dies ist der Text, den ich für den Beitrag über Spellforce im Videospielformat „WohnGameinschaft“ verfasst habe. Den habe ich nochmals etwas umgeschrieben, weshalb der Wortlaut nicht deckungsgleich mit dem Video ist. Einen Link findet ihr unterhalb des Beitrags. Ich wünsche viel Spaß!
15 Jahren ist es her, dass Spellforce: The Order of Dawn erschien. Das Spiel vom deutschen Entwickler Phenomic Game Development war ein echtes Rollenspielbrett. Verhältnismäßig gute Grafik, eine fantastische Fantasiewelt und ein innovativer Mix aus Echtzeitstrategie und Rollenspiel. All das ließ Spellforce aus dem Spielemeer herausstechen. Dabei beginnt das Spiel recht klassisch: Zunächst erstellen wir uns einen Charakter, können Geschlecht, Aussehen und Name bestimmen. Zum Abschluss wählen wir noch eine Klasse und Spezialisierung aus – aber dazu später mehr. Schnell das Intro geguckt und nichts verstanden, dann sind wir in der Welt Eo.
Direkt Durchstarten ist aber nicht. Denn das Spiel ist schon älter und kommt aus der Zeit, in der man noch 40-seitige Handbücher schmökern musste, um überhaupt was zu raffen. Spellforce nimmt euch besonders an die Hand, und schickt euch durch ein fast halbstündiges Tutorial. Da werden natürlich auch Dinge wie linker und rechter Mausklick erklärt – spannend! So, ich weiß, wie ich die Kamera drehe … kanns jetzt weitergehen? Ein paar Sachen sind aber tatsächlich relativ wichtig. Zum Beispiel, dass die Felsen als Schnellreisepunkte funktionieren, und man sich so viel Laufarbeit ersparen kann. Oder, dass man Zauber händisch in sein Zauberbuch aufnehmen muss. Generell gibt es viele Kleinigkeiten, die Spellforce besonders machen – und manchmal besonders kompliziert.
Wo wir gerade bei Komplexität sind, kommen wir doch zur Story. Die ist Rollenspielhaft ausladend und verwirrend. Ich probier’s mal im Schnelldurchlauf: Götter regieren die Welt Eo, fiese Magier wollen die Macht an sich reißen. Es gibt Krieg, die Welt wird auseinandergerissen – die einzelnen Gebiete sind nur noch durch Portale verbunden. Weil die Magier fiese Fieslinge sind, haben sie Runen erschaffen. In die wurden die Seelen von Kriegern eingesperrt, die ihrem Meister willenlos gehorchen müssen. Und so lange die Rune existiert, kann der Runenkrieger nach seinem Ableben am Altar wiederbelebt werden. Warum ist das wichtig? Weil ihr selber einer seid! Was wie ein spannendes Plotdevice klingt, wird aber in der ersten Sekunde entschärft. Denn direkt zu Spielbeginn kriegt ihr eure Rune von einem Fremden in die Hand gedrückt und seid nun euer eigener Herr – Gratulation! „Super, jetzt kann ich machen, was ich will!“ Pustekuchen Freundchen! Die Karten sind super linear, gelegentliches Backtracking mal ausgenommen. Im Grunde werdet ihr von Insel zu Insel geschoben, weil da Person X ist oder das Volk Y Böses tut.
Wirklich stören tut das aber nicht, da die einzelnen Karten recht groß und abwechslungsreich ausfallen. Vielen Nebenquests laden zum Erkunden ein, auch wenn die Belohnungen selten wirklich nützlich sind. Gewonnene Erfahrung wird in verschiedene Fähigkeiten investiert. Und hier ist man dann wirklich frei. Denn die am Anfang gewählte Klasse kann man jederzeit erweitern. So wird aus einem Bogenschützen ein Beschwörer mit Armbrust. Oder man baut sich einen heilenden Berserker mit zweihändiger Axt. Oder doch lieber einen Schurken mit Eismagie? Theoretisch kann man sogar einen Punkt in jede Spezialisation packen – und wer Rollenspiele kennt, der weiß: Das wäre eine selten dumme Idee. *Vielleicht hat der Autor dieses Beitrags aus ähnlichen Gründen auch Neverwinter Nights 2 nach 140 Stunden abbrechen müssen – aber das nur am Rande.* Auf diese Weise motiviert das Skillsystem und lädt zum Experimentieren ein.
Leider sind die Klassen unter sich nicht wirklich ausbalanciert. Während ein vollgebuffter Krieger mehrere Gegner gleichzeitig verdreschen kann, wird ein Fernkämpfer, sobald ein Feind an ihm dran ist, zu Schaschlik. Anderes Beispiel mit etwas mehr Erklärung: Weiße Magier können Untoten mit ihren heiligen Auren fast im Vorbeigehen zerlegen. Schwarze Magier haben dafür Lebensentzug – der wirkt nur leider nicht bei den Knochenmännern. Ja aber dafür wirkt der heilige Schaden doch auch nur bei Untoten und Dämonen! Schon richtig, aber zusätzlich kann der weiße Magier ja immer noch heilen. So werden manche Karten für bestimmte Klassen schwer und sogar unfair, während andere gar keine Probleme haben.
Zum Glück ist man in einem Rollenspiel ja selten alleine – auch, wenn man es gerne wäre (looking at you Fallout). Neben Waffen und Rüstungen findet ihr auch immer wieder Runen. Wir erinnern uns? Die Teile, die die Seelen von Menschen versklaven? Genau die. Mit denen könnt ihr eure eigene Gruppe aus Runenkriegern befehligen. Dass das moralisch etwas fraglich ist, sollte offensichtlich sein. Leider thematisiert Spellforce diesen interessanten Ansatz nie. Und auch eine Bindung zu euren Gefährten kommt nie auf. Findet ihr eine Rune, könnt ihr sie in eure Party aufnehmen. Ist die Party voll, muss ein Mitglied ausgetauscht werden. Hier zählen nur die nackten Zahlen. Denn der Einzige, der Erfahrung sammelt, seid ihr. Die Begleiter bleiben auf ihrem Level. Und irgendwann muss dann der popelige Level 6 Magier Platz machen für den Level 10 Krieger.
Die Konsequenz: So frei ihr bei eurer Charaktererstellung seid, so eingeschränkt seid ihr bei der Gruppe. Wer einen Priester auf der eigenen Stufe haben will, muss die passende Rune suchen oder bei einem Händler für teures Geld zu kaufen. Vier Level später dann wieder das Gleiche. Umgekehrt freut man sich umso mehr, wenn man eine besonders mächtige Rune findet.
Kommen wir zum Basisbau. Denn Spellforce ist eben kein klassisches Rollenspiel, sondern auch ein waschechtes Strategiespiel. Im Verlauf der Story kontrolliert man jedes der sechs Völker, die alle aus dem Fantasy-Ein-mal-Eins stammen. Menschen, Elfen, Zwergen, Orks, Trolle und Dunkelelfen. Die haben allesamt verschiedene Taktiken und benötigen unterschiedliche Ressourcen. Die naturverbundenen Elfen bauen bevorzugt mit Holz, die Dunkelelfen dagegen lieber mit Stein. Und während die Menschen für magische Einheiten das Aria-Wasser sammeln, klopfen die Zwerge für ihre Krieger in Minen nach Mondsilber. Wie im Fantasykosmos üblich, sind sich die Fraktionen untereinander nicht immer ganz Grün. Das Spiel ist da konsequent: Wer nicht aufpasst, wird Zeuge, wie das eigene Trollheer die Menschenarmee aufreibt. Insgesamt bleibt der Strategiepart relativ seicht. Wer eine gute Mischung aus Einheiten aufs Feld führt, kommt selten in Bedrängnis.
Was aber nervt, ist die KI – sowohl beim Gegner, als auch bei den eigenen Truppen. Die wirkt häufig fast nicht existent. Während die eigenen Einheiten gerne mal ungefragt ins gegnerische Lager rennen, ist das die einzige Taktik, die der Gegner beim Angriff auf euere Basis fährt. Wer einen Wall aus Türmen errichtet, hat fürs Erste ausgesorgt – Spannung sieht anders aus. Besonders, weil der Gegner keine Ressourcen benötigt, sondern in regelmäßigen Abständen Einheiten spawnt. Weil die eigenen Rohstoffe aber endlich sind, kann man sich nicht viele Fehler erlauben. Das Ergebnis ist ein Basisbau, der häufig frustriert und bei dem wir uns manchmal gewünscht hätten, er würde fehlen. Oder wäre zumindest etwas aufregender.
Wer viel kritisiert, muss aber auch viel loben. Und trotz dieser ganzen Kritikpunkte macht Spellforce ja auch Spaß. Das liegt an den Nebenquests und kleinen Storys, die das Spiel geschickt in sein Gameplay einbaut. An der Sammelsucht, durch die man alle Truhen und Interaktionspunkte auf den Karten finden möchte. Es ist das Komplettpaket, das Spellforce auszeichnet: Die gute deutsche Synchro, der fantastische Soundtrack und das „nur-noch-diese-Map“-Gefühl machen das Spiel zu einem Geheimtipp, der eigentlich keiner sein sollte.