Turning Point: Fall of Liberty
Turning Point:
Fall of Liberty
04.06.2025
Ein Fall für sich
Lasst die Aufzeichnung zeigen, dass dies die erste Review seit fast zwei Monaten ist! Am 11. April schrieb ich meine letzte Rezension zum Age of Wonders 4-Addon Giant Kings, was damit vermutlich wohl die längste Zeit ohne etwas Neues auf dieser Seite seit deren Entstehung 2019 darstellt. Wobei, es hat sich ja schon ein wenig was verändert. Denn MaybeMattis sieht jetzt etwas anders aus. Seit April habe ich (zusammen mit ChatGPT) unermüdlich an der Seite geschraubt und ihr einen neuen Anstrich verpasst. Was hat das mit dieser Review zu tun? Natürlich nichts. Deshalb kommen wir jetzt zum eigentlichen Dreh- und Angelpunkt dieses Beitrags: Turning Point: Fall of Liberty.
Das Spiel lässt sich als Außenstehender wohl am ehesten als ‚geerdetes‘ Wolfenstein bezeichnen. Die Idee ist schnell umrissen: Statt den Nazis die Stirn zu bieten und die Verteidigung von Stränden, Straßen und Landungsplätzen zu proklamieren, stirbt in dieser alternativen Geschichtsschreibung 1931 der britische To-Be-Premiere Winston Churchill. Da sich auch die Amerikaner aus Kriegsmüdigkeit nicht einmischen, haben die Nazis leichtes Spiel und erobern Europa, Nordafrika und den Nahen Osten. 1953 geht’s dann in Richtung USA und das Spiel beginnt mit dem Angriff auf New York.
Dort müssen wir uns in Form vom Bauarbeiter Dan Carson der Nationalsozialisten erwehren und die Welt retten … oder so. Zumindest in seiner Prämisse ist Turning Point dann wieder sehr nah am geistigen Vorbild, auch wenn es wohl qualitativ nicht ansatzweise in einer ähnlichen Liga spielt. Auf Metacritic erreicht das zweite Werk des 2014 geschlossenen Entwicklerstudios Spark Unlimited (Call of Duty: Finest Hour, Lost Planet 3) eine desaströse Wertung von nur 43 Punkten (5.2 Nutzerscore). Immerhin konnten sich Fans von Nazi-Schießereien ein Jahr später mit Wolfenstein ein wenig den Frust von der Seele ballern.
Wiederum ganz anders und passend zum ‚realistischeren‘ Setting klingt die Musik von Turning Point nicht wie das Metal-Gemetzel, das uns Mick Gordon in den letzten Wolfenstein-Ablegern The New Order (2014), The New Colossus (2017) und Youngblood (2019) serviert hat. Im Gegenteil! Mit Komponisten-Schwergewicht Michael Giacchino konnte man sich einen erfahrenen Musikmacher sichern, der nicht nur im Gamingbereich mit Scores für die Call of Duty– und Medal of Honor-Reihe zu dem Zeitpunkt schon von sich reden machte. Nein, der US-Amerikaner dürfte wohl am ehesten für seine TV- und Filmarbeiten bekannt sein, unter anderem The Incredibles (2004), Ratatouille (2007) und die Serie Lost. Später komponierte er im Übrigen auch für die neuen Star Trek-Filme und das fantastische Rogue One: A Star Wars Story (2016), doch dazu vielleicht an anderer Stelle mehr.
Wer mit Giacchinos früheren Weltkriegswerken vertraut ist, wird hier einiges wiedererkennen: Die Musik wirkt wie das damalige Genre-Einmaleins, wie eine Mischung aus Indiana Jones-Neugierde und Kriegsaction, ohne jedoch das Geschehen zu Glorifizieren. Ein Zusammenspiel aus Holzbläsern, Klavier und Streichern erzeugt gleichermaßen Hektik wie Besorgnis, die dem mutmaßlich knalligen Chaos auf dem Bildschirm Dramatik verleiht. Dieser Atemlosigkeit in Tracks wie Skycraping, Rescuing Donovan und London Bridge Is Falling Down stehen glücklicherweise ein paar wenige Stücke entgegen, die die Nonstop-Action etwas entzerren. Bullets and Strife beispielsweise wirkt im direkten Vergleich beinahe bedächtig und das hervorragende The Zeppelin schlägt mit seinen Band of Brothers-Streichern heroisch befreite Töne an. Unbeschwert wird der Score allerdings zu keiner Zeit. Umgekehrt kommen mit Axis on the March auch die Bösen mal zu Ton – sagt man das so?
So zumindest die erste Hälfte des 14 Tracks langen Original Soundtracks. Komplettiert werden die insgesamt 31 Stücke der mir vorliegenden Extended Edition indes durch eine Sammlung von Bonus-Tracks. Bei denen handelt es sich neben den Alternate 1 und Alternate 2-Versionen von The Zeppelin sowie den sehr schönen Character & Weapon Art [Bonus] und Environmental Art [Bonus] allerdings primär um Stinger und SFX-Sequenzen. Das soll die Gesamtwertung dieses Albums jedoch nicht runterziehen, denn wie nicht anders zu erwarten war, liefert Giacchino Musik auf sehr hohem Niveau. Die schafft es zwar nicht, aus den bekannten pathosbeseelten Tropen amerikanischer Kriegsgeschichten auszubrechen, führt sie dennoch konsequent fort. Für Interessierte gibt es im Übrigen noch diese englischsprachige Review auf greatestgamemusic.com.





