Date Everything!
Date Everything!
15.08.2025
Ich tinder das Ding da
Date Everything! war nicht nur der zum Scheitern verdammte Ansatz meiner Studentenzeit, sondern ist auch der spielgewordene Traum aller Dating-Sim-Fans. Viele glaubten, das Genre sei bereits durchgespielt, gibt es doch mit Games wie Hatoful Boyfriend, in denen wir Highschool-Tauben zum Turteln bringen, bis hin zu I Love You, Colonel Sanders!, das uns mit dem weißhaarigen KFC-Maskottchen anbandeln lässt, so ziemlich alles, was die liebesbeschwingte Kreativität hergibt. Doch weit gefehlt!
Für ihr Debütspiel beantworteten die Entwickler*innen von Sassy Chap Games nämlich die Frage, was man denn potenziell noch daten könne, mit „Alles“. Das erklärt den Namen und das Konzept von Date Everything!, das vor gut zwei Monaten erschien und uns eben genau das tun lässt: alles daten. Durch eine magische Brille, die unsere*n Protagonist*in zu Beginn erreicht, werden alle Gegenstände im Haus plötzlich zum Leben erweckt.
In wahrer Die Schöne und das Biest-Manier können wir uns also endlich in den Kerzenständer, das Teeservice oder die Standuhr verlieben, ohne dass es komisch wirkt … oder doch, wenn man genau darüber nachdenkt. Schließlich gibt es das Krankheitsbild der Objektophilie wirklich. Vielleicht hilft das Spiel ein paar Betroffenen ja bei der Diagnose. Dass man genau das nicht tun sollte, dürfte derweil jedem Dating-Simler bekannt sein, schließlich geht es am Ende ja nur darum, einen digitalen Charakter näher kennenzulernen, um ihn dann um den Finger zu wickeln.
Und davon gibt es mit über 100 potenziellen Partner*innen mehr als genug. Die haben entsprechend der Natur des Gegenstands allesamt unterschiedliche Persönlichkeiten und – was für mich besonders wichtig ist – passende Namen: Abel der Tisch (wegen table, verstehste?) ist standfest und unterstützend … wie ein Tisch halt. Barry Styles ist als Schminkköfferchen dagegen eine Mischung aus cool und extravagant. Hier noch ein paar Namen, bei denen ihr raten könnt, um welches Möbelstück es sich handelt: Betty, Wyndolyn, Telly, Shelley, Sinclaire und I, Ronaldini.
Das Entdecken unserer potenziellen Dates ist wohl das, was den größten Reiz von Date Everything! ausmachen dürfte. Da ich es nicht gespielt habe und auch kein Fan des Genres bin, kann ich an dieser Stelle relativ wenig zum eigentlichen Gameplay sagen. Was ich in Videos gesehen habe, sieht indes sehr hochwertig aus. Der Artstyle und das Design der personifizierten Gegenstände sind charmant und abwechslungsreich, die Dialoge scheinen gut geschrieben zu sein und die englische Synchro wurde mit hochkarätigen Stimmen besetzt, von denen wir viele bereits aus anderen Games kennen dürften.
Wie für eine Visual Novel üblich, liegt die Hauptarbeit des dazugehörigen Scores darin, die ellenlangen Dialoge angenehm zu untermalen und hin und wieder mal ein wenig Abwechslung zu bieten. So viel sei gesagt: Das tut der Soundtrack zu Date Everything!, der mit 152 Tracks ohnehin sehr üppig daherkommen muss, um jedem unserer Dates ein eigenes Theme zu spendieren. Trotz einer durchschnittlichen Länge von 2 Min pro Stück läppert sich das schnell.
Komponiert wurde die Musik laut mobygames von einer Vielzahl an Leuten. So listet die Seite Garrett Williamson, Adam Barrett Berry, Ray Chase, Max Mittelman, John Michael Tatum, Stephen Hemstritch-Johnston (alias FearofDark), Chipper Hammond und Joshua Taipale als Komponisten auf, allerdings handelt es sich bei Chase, Mittelman und Tatum um Synchronsprecher. Ob sie sich musikalisch ausgetobt haben oder nur als Ideengeber für die Motive ihrer Charaktere gedient haben, kann ich nicht beurteilen. Diese Informationen sind also vorsichtig zu behandeln.
Von den ‚richtigen‘ Komponisten kenne ich derweil keinen und auch das Netz spuckt nur wenige Infos in Bezug auf Videospiele aus: Garrett Williamson arbeitete an Omega Strikers und PUBG Mobile, Adam Barrett Berry ist ein zweimaliger Emmy-Gewinner für seine Arbeit in Film und Serie, Stephen Hemstritch-Johnston schreibt Chiptune/electronische Musik, Chipper Hammond hat mit Turbo Overkill und Questmaster zwei kleinere Indie-Games auf der Uhr und Joshua Taipale ist Gitarrist und schrieb für Glass Heart und Glass Heart: Retold.
Mit anderen Worten hat sich hier eine Riege angehender Spiele-Komponisten und ein etablierter Film-Profi versammelt, was in der Summe zu einem mittelmäßigen Ergebnis führt – zumindest für mich. Denn egal ob nun gängige Größe oder Einsteiger, geht es um Hintergrundgedudel für eine Visual Novel … und da ist eben nicht viel mit zu machen. Dabei geben sich die Musikmacher redlich Mühe, die Themes der Charaktere so unterschiedlich/passend wie möglich zu gestalten:
On Schedule (Timothy’s Theme), das Thema des spießigen und überpünktlichen Katzenweckers Timothy, wird durch ein durchgängiges Ticken begleitet, während die Musik zum relaxten big guy Koa (Between the Cushions (Koa’s Theme)) mit Ukulele zum Entspannen einlädt. Die Begleitung für Tür Dorian (herrliches Wortspiel) Who Goes There? (Dorian’s Theme) klingt indes misstrauisch und wird durch Klopfen und Türknarzen perfekt ergänzt.
Neben diesen ‚offensichtlichen‘ Begleiterscheinungen gibt es noch Stücke, die aus der Reihe tanzen und von Lo-Fi-Beats (Night Theme) über Hip-Hop (CRap Battle – Beat 1) bis zu Hard Rock (Wasted Soul of Dire Destiny (Shadowlord’s Theme)) reichen. Mit God of Fork (Dishy Boss Battle) hat sich sogar ein wenig Action eingeschlichen, Miserere Mei, Fedus (Friar Errol’s Theme) kommt direkt vom Gottesdienst, Crapper’s Delight (Jean Loo’s Theme) von der 90s-Street und von welcher Pop-Ikone Bubblebath Pop (Bathsheba’s Theme) sich hat inspirieren lassen, dürfte nach den ersten Noten klar werden.
Insgesamt bietet der Score grundsätzlich das, was wir von einer Visual Novel wie Murder by Numbers und dergleichen erwarten dürfen, nur eben erweitert um eine große Riege an charakterbezogenen Themes. Das macht den Score gleichermaßen zusammenhangslos wie zusammengehörig und eher etwas für Fans des Genres oder des Spiels. Ich erkenne zwar die Kreativität, die in das Projekt geflossen ist, bin aber leider weder noch.
Wer übrigens ein wenig was in bewegter Form zu dem Thema sehen möchte, kann gerne mal in die Wohngameinschaft-Folge 3 schauen, die ich zusammen mit Kommilitonen vor etlichen Jahren produziert habe.





