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We Happy Few

Erscheinungsdatum: 2018
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Nicolas Marquis
Trackzahl: 48


Verschenktes Potential

We Happy Few vom jungen kanadischen Entwicklerstudio Compulsion Games hatte das Potential, ein richtig gutes Action-Adventure zu werden. Die Zutaten waren alle da: Eine Brave New World-artige Dystopie, deren Bewohner allesamt auf psychedelischen Happy-Pills, genannt Joy, sind und so unwissentlich der Tristesse der Realität entgehen. Eine retro-futuristische Aufmachung im Artstyle eines Austin Powers. Den zynisch-britischen Humors von Monty Python, Horrorelementen Marke BioShock und Protagonist Arthur, der versucht, diesem Wahnsinn zu entkommen.

Anders ausgedrückt: Das Spiel hatte mich schon nach den ersten Trailern. Den durchwachsenen Kritiken zum Trotz kaufte ich mir We Happy Few, in der Hoffnung, dass ich mich auf die Seite der Lobliedschreiber stellen könnte. Doch nach der Euphorie über den coolen Einstieg, in dem Arthur sein Joy ausnahmsweise nicht nimmt und Zeuge wird, wie seine Kollegen im Pillenrausch statt einer Süßigkeit befüllten Piñata in Wahrheit eine tote Ratte genüsslich verspeisen, war schon nach ein paar Stunden die Luft und Lust raus.

Ich mochte den Stil, die Synchro, den Storyüberbau und die Ästhetik des Ganzen – nur leider nicht das dazugehörige Spiel. Die Pillenmechanik, die anfänglich ein cooles Gimmick war, nervte durch den Survivalaspekt bereits nach kurzer Zeit. Das Looten und Craften wirkten aufgesetzt und wie ich zu Rogue-Likes stehe, brauche ich nicht nochmal auszubreiten. Generell hätte ich mir eher die halblineare Erzählweise eines Dishonored 2 oder Thiefs gewünscht, statt der Open-World. Denn zusätzlich gab es zahlreiche Bugs, durch die man sowohl die dumme KI, als auch die Spielwelt aushebeln konnte und in Bereiche gelangte, die man eigentlich noch gar nicht besuchen sollte.

So befriedigte ich meinen Entdeckertrieb schlussendlich größtenteils damit, herauszufinden, wie ich die Schwächen von We Happy Few ausnutzen und -reizen konnte, anstatt es so zu spielen, wie es gespielt werden wollte. Denn wenn mich ein Spiel in eine Welt wirft mit der Prämisse, dass sie mein Spielcharakter zum ersten Mal ohne die rosarote Brille sieht, will ich mir natürlich alles anschauen. Und wenn es dann unnatürliche Barrieren gibt, beispielsweise die Limitierung beim Crafting, die nur dazu dienen, mich auf den Pfad der Story zu drängen, nervt mich das.

Folglich landete We Happy Few auf dem tatsächlich recht kleinen Stapel der Spiele, die ich mir a gekauft und b nicht durchgespielt habe. Nennt es Gamerstolz, bewusste Zeitverschwendung oder Trotz: Für gewöhnlich versuche, ich mein angefangenes Essen auch aufzuessen. Um diese Metapher weiterzuführen, kam ich bei We Happy Few nicht am Würgereflex vorbei. Ob es mir beim Soundtrack ähnlich ging?

Der OST stammt von Nicolas Marquis, der im Videospiel-Soundtrack-Genre bisher kaum in Erscheinung getreten ist. Das muss zwar nichts heißen, aber mit We Happy Few wird ihm das ebenso wenig gelingen. Dass das nicht zwingend seine Schuld ist, liegt an dem Setting und dem Tonfall des Spiels. Die überzeichneten Charaktere, die in dieser kontrastreichen Welt aus überdrehter Schlag-mich-in-die-Fresse-Mann-bin-ich-gut-drauf-Stimmung und der dunklen und bitterernsten Kriegsrealität ihr Dasein fristen, bieten kaum Fläche, um den Soundtrack auf sie zu münzen.

Stattdessen macht Marquis das Erwartbare und beschränkt sich auf Hintergrundmusik und Szenenbegleitung, lässt dabei aber die Motivarbeit außen vor. Der Score verfrachtet uns beim Hören zurück in die 60er Jahre, die Ära der Swinging Sixties und den musikgewordenen Mushroom-Trip, nur echt mit der Ingame-Band The Make Believes, die okayen 70s Surf-Rock bieten („Dead of Winter“, „Out of the Blue“, „Georgie Joy“). Wer einen Fable für E-Pianos („House of Curious Behaviours“) oder Einkaufszentrumsmusik („Joy and a Happy Face“) hat, wird hiermit auf jeden Fall glücklich eindösen können.

Neben diesen positiven Tunes, wie wir sie beispielsweise aus Noone Lives Forever oder den Sam & Max-Spielen kennen, kommt bei den 48 Tracks natürlich auch der ‚Realitätspart‘ unter. Dieser tritt storybedingt eher am Ende des OST auf und fällt leider unter die Kategorie Nichtssagend. Marquis versucht hier die Atmosphäre eines Thrillers aufkommen zu lassen, wie beispielsweise in „Suspect on the Loose“ und „The Ratholm Fog“.

Versucht, wohlgemerkt, denn es fehlen die Spitzen, die Emotionen, die wie ein Jumpscare den Suspense auflösen. „Hamlyn a Seaside Town“, „Military Camp“ und „Train Station“ sind nett, kommen aber nicht darüber hinaus. Es mag die Intention des Komponisten gewesen sein, diese Welt möglichst bedrückend zu gestalten – falls ja, ist es ihm gelungen. Generell wirken die Stücke, die wir in der Realität zu Ohren bekommen, als würde man sie durch ein Kissen erleben.

Folglich gibt es auch wenig Action-Tracks, und selbst Stücke wie „Angry Mushrooms“ oder „Last Legs“ wirken eher handzahm. Hier hätte ich mir etwas mehr Mut und Drama gewünscht, denn der Kontrast zwischen Pillentrip und Überlebenskampf steckt eigentlich voller Potential. Und wie man eine Dystopie mit ihren Licht- und Schattenseiten stilsicher in Szene setzen kann, hat Garry Schyman elf Jahre zuvor mit seiner Arbeit für BioShock bereits gezeigt.

Durch den strikten Fokus auf die Monothematik, Gut und Schlecht, Himmel und Hölle, verkommt der Score zu einem Einheitsbrei. Und das ist schade, denn das Szenario hätte so viel Platz geboten, um einzelne Highlights aus dem See der Uniformität herausbrechen zu lassen und so die Gesamtkomposition auf ein neues Level zu hieven. So bleibt die Musik hinter meinen Erwartungen, was wiederum sehr gut zu We Happy Few passt. Leider.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Dead of WinterThe Make Believes33/5
02Out of the BlueThe Make Believes33/5
03LalalaThe Make Believes33/5
04Smiling CrimeThe Make Believes33/5
05ZombielandThe Make Believes33/5
06When Youre GoneThe Make Believes33/5
07Georgie JoyThe Make Believes44/5
08Wellington Wells Broadcast CorporationNicolas Marquis22/5
09Dead ChuffedNicolas Marquis33/5
10House of Curious BehavioursNicolas Marquis44/5
11Lovely Day for ItMurray Lightburn22/5
12Suspect on the LooseNicolas Marquis22/5
13Parade DistrictNicolas Marquis22/5
14The Garden DistrictNicolas Marquis22/5
15Hamlyn a Seaside TownNicolas Marquis33/5
16Brassed OffNicolas Marquis33/5
17Dead Chuffed - Dazed and ConfusedNicolas Marquis11/5
18Everything Will Be as Right as RainNicolas Marquis33/5
19Joy and a Happy FaceNicolas Marquis33/5
20On Cloud NineNicolas Marquis22/5
21Enlightenment Is Found in MushroomsNicolas Marquis33/5
22Angry MushroomsNicolas Marquis33/5
23Wellington Wells AnthemNicolas Marquis44/5
24Military CampNicolas Marquis33/5
25Jubilator MusicNicolas Marquis22/5
26The Bobby SongNicolas Marquis22/5
27The Church of Simon SaysNicolas Marquis33/5
28Notes of DistractionNicolas Marquis22/5
29Lift to the Executive CommitteeNicolas Marquis33/5
30Suspicious at the Jumble SaleNicolas Marquis22/5
31The Plague ShelterNicolas Marquis11/5
32Are They SleepingNicolas Marquis22/5
33Overdose and CrashNicolas Marquis11/5
34Last LegsNicolas Marquis33/5
35Victorias AbdelazerHenry Purcell44/5
36Welcome to Wellington WellsNicolas Marquis22/5
37Sunny DayNicolas Marquis33/5
38Garden District RepriseNicolas Marquis22/5
39Joy and a Happy Face RepriseNicolas Marquis33/5
40Whos Up for Simon SaysNicolas Marquis33/5
41A Seaside Town RepriseNicolas Marquis22/5
42Train StationNicolas Marquis33/5
43The Ratholm FogNicolas Marquis22/5
44Sunny Day - Down and OutNicolas Marquis22/5
45Department of ScienceNicolas Marquis11/5
46Ollies DefenseNicolas Marquis11/5
47Fighting for JoyNicolas Marquis22/5
48Arthurs EscapeNicolas Marquis44/5

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