We Happy Few
Verschenktes Potential
Anders ausgedrückt: Das Spiel hatte mich schon nach den ersten Trailern. Den durchwachsenen Kritiken zum Trotz kaufte ich mir We Happy Few, in der Hoffnung, dass ich mich auf die Seite der Lobliedschreiber stellen könnte. Doch nach der Euphorie über den coolen Einstieg, in dem Arthur sein Joy ausnahmsweise nicht nimmt und Zeuge wird, wie seine Kollegen im Pillenrausch statt einer Süßigkeit befüllten Piñata in Wahrheit eine tote Ratte genüsslich verspeisen, war schon nach ein paar Stunden die Luft und Lust raus.
Ich mochte den Stil, die Synchro, den Storyüberbau und die Ästhetik des Ganzen – nur leider nicht das dazugehörige Spiel. Die Pillenmechanik, die anfänglich ein cooles Gimmick war, nervte durch den Survivalaspekt bereits nach kurzer Zeit. Das Looten und Craften wirkten aufgesetzt und wie ich zu Rogue-Likes stehe, brauche ich nicht nochmal auszubreiten. Generell hätte ich mir eher die halblineare Erzählweise eines Dishonored 2 oder Thiefs gewünscht, statt der Open-World. Denn zusätzlich gab es zahlreiche Bugs, durch die man sowohl die dumme KI, als auch die Spielwelt aushebeln konnte und in Bereiche gelangte, die man eigentlich noch gar nicht besuchen sollte.
So befriedigte ich meinen Entdeckertrieb schlussendlich größtenteils damit, herauszufinden, wie ich die Schwächen von We Happy Few ausnutzen und -reizen konnte, anstatt es so zu spielen, wie es gespielt werden wollte. Denn wenn mich ein Spiel in eine Welt wirft mit der Prämisse, dass sie mein Spielcharakter zum ersten Mal ohne die rosarote Brille sieht, will ich mir natürlich alles anschauen. Und wenn es dann unnatürliche Barrieren gibt, beispielsweise die Limitierung beim Crafting, die nur dazu dienen, mich auf den Pfad der Story zu drängen, nervt mich das.
Folglich landete We Happy Few auf dem tatsächlich recht kleinen Stapel der Spiele, die ich mir a) gekauft und b) nicht durchgespielt habe. Nennt es Gamerstolz, bewusste Zeitverschwendung oder Trotz: Für gewöhnlich versuche, ich mein angefangenes Essen auch aufzuessen. Um diese Metapher weiterzuführen, kam ich bei We Happy Few nicht am Würgereflex vorbei. Ob es mir beim Soundtrack ähnlich ging?
Der OST stammt von Nicolas Marquis, der im Videospiel-Soundtrack-Genre bisher kaum in Erscheinung getreten ist. Das muss zwar nichts heißen, aber mit We Happy Few wird ihm das ebenso wenig gelingen. Dass das nicht zwingend seine Schuld ist, liegt an dem Setting und dem Tonfall des Spiels. Die überzeichneten Charaktere, die in dieser kontrastreichen Welt aus überdrehter Schlag-mich-in-die-Fresse-Mann-bin-ich-gut-drauf-Stimmung und der dunklen und bitterernsten Kriegsrealität ihr Dasein fristen, bieten kaum Fläche, um den Soundtrack auf sie zu münzen.
Stattdessen macht Marquis das Erwartbare und beschränkt sich auf Hintergrundmusik und Szenenbegleitung, lässt dabei aber die Motivarbeit außen vor. Der Score verfrachtet uns beim Hören zurück in die 60er Jahre, die Ära der Swinging Sixties und den musikgewordenen Mushroom-Trip, nur echt mit der Ingame-Band The Make Believes, die okayen 70s Surf-Rock bieten (Dead of Winter, Out of the Blue, Georgie Joy). Wer einen Fable für E-Pianos (House of Curious Behaviours) oder Einkaufszentrumsmusik (Joy and a Happy Face) hat, wird hiermit auf jeden Fall glücklich eindösen können.
Neben diesen positiven Tunes, wie wir sie beispielsweise aus Noone Lives Forever oder den Sam & Max-Spielen kennen, kommt bei den 48 Tracks natürlich auch der ‚Realitätspart‘ unter. Dieser tritt storybedingt eher am Ende des OST auf und fällt leider unter die Kategorie Nichtssagend. Marquis versucht hier die Atmosphäre eines Thrillers aufkommen zu lassen, wie beispielsweise in Suspect on the Loose und The Ratholm Fog.
Versucht, wohlgemerkt, denn es fehlen die Spitzen, die Emotionen, die wie ein Jumpscare den Suspense auflösen. Hamlyn a Seaside Town, Military Camp und Train Station sind nett, kommen aber nicht darüber hinaus. Es mag die Intention des Komponisten gewesen sein, diese Welt möglichst bedrückend zu gestalten – falls ja, ist es ihm gelungen. Generell wirken die Stücke, die wir in der Realität zu Ohren bekommen, als würde man sie durch ein Kissen erleben.
Folglich gibt es auch wenig Action-Tracks, und selbst Stücke wie Angry Mushrooms oder Last Legs wirken eher handzahm. Hier hätte ich mir etwas mehr Mut und Drama gewünscht, denn der Kontrast zwischen Pillentrip und Überlebenskampf steckt eigentlich voller Potential. Und wie man eine Dystopie mit ihren Licht- und Schattenseiten stilsicher in Szene setzen kann, hat Garry Schyman elf Jahre zuvor mit seiner Arbeit für BioShock bereits gezeigt.
Durch den strikten Fokus auf die Monothematik, Gut und Schlecht, Himmel und Hölle, verkommt der Score zu einem Einheitsbrei. Und das ist schade, denn das Szenario hätte so viel Platz geboten, um einzelne Highlights aus dem See der Uniformität herausbrechen zu lassen und so die Gesamtkomposition auf ein neues Level zu hieven. So bleibt die Musik hinter meinen Erwartungen, was wiederum sehr gut zu We Happy Few passt. Leider.
Nostalgiewarnung
Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Dead of Winter | The Make Believes | |
02 | Out of the Blue | The Make Believes | |
03 | Lalala | The Make Believes | |
04 | Smiling Crime | The Make Believes | |
05 | Zombieland | The Make Believes | |
06 | When Youre Gone | The Make Believes | |
07 | Georgie Joy | The Make Believes | |
08 | Wellington Wells Broadcast Corporation | Nicolas Marquis | |
09 | Dead Chuffed | Nicolas Marquis | |
10 | House of Curious Behaviours | Nicolas Marquis | |
11 | Lovely Day for It | Murray Lightburn | |
12 | Suspect on the Loose | Nicolas Marquis | |
13 | Parade District | Nicolas Marquis | |
14 | The Garden District | Nicolas Marquis | |
15 | Hamlyn a Seaside Town | Nicolas Marquis | |
16 | Brassed Off | Nicolas Marquis | |
17 | Dead Chuffed - Dazed and Confused | Nicolas Marquis | |
18 | Everything Will Be as Right as Rain | Nicolas Marquis | |
19 | Joy and a Happy Face | Nicolas Marquis | |
20 | On Cloud Nine | Nicolas Marquis | |
21 | Enlightenment Is Found in Mushrooms | Nicolas Marquis | |
22 | Angry Mushrooms | Nicolas Marquis | |
23 | Wellington Wells Anthem | Nicolas Marquis | |
24 | Military Camp | Nicolas Marquis | |
25 | Jubilator Music | Nicolas Marquis | |
26 | The Bobby Song | Nicolas Marquis | |
27 | The Church of Simon Says | Nicolas Marquis | |
28 | Notes of Distraction | Nicolas Marquis | |
29 | Lift to the Executive Committee | Nicolas Marquis | |
30 | Suspicious at the Jumble Sale | Nicolas Marquis | |
31 | The Plague Shelter | Nicolas Marquis | |
32 | Are They Sleeping | Nicolas Marquis | |
33 | Overdose and Crash | Nicolas Marquis | |
34 | Last Legs | Nicolas Marquis | |
35 | Victorias Abdelazer | Henry Purcell | |
36 | Welcome to Wellington Wells | Nicolas Marquis | |
37 | Sunny Day | Nicolas Marquis | |
38 | Garden District Reprise | Nicolas Marquis | |
39 | Joy and a Happy Face Reprise | Nicolas Marquis | |
40 | Whos Up for Simon Says | Nicolas Marquis | |
41 | A Seaside Town Reprise | Nicolas Marquis | |
42 | Train Station | Nicolas Marquis | |
43 | The Ratholm Fog | Nicolas Marquis | |
44 | Sunny Day - Down and Out | Nicolas Marquis | |
45 | Department of Science | Nicolas Marquis | |
46 | Ollies Defense | Nicolas Marquis | |
47 | Fighting for Joy | Nicolas Marquis | |
48 | Arthurs Escape | Nicolas Marquis |