Victoria II
Sieg-Reich
Selbst wenn mir alles zu hoch ist, was über „Stecke Geld hier rein, damit du später mehr Kohle rausbekommst“, juckt es mir bei ähnlichen Simulationen wie Europa Universalis, Hearts of Iron oder Crusader Kings immer mal in den Fingern. Schließlich hatte ich auch mit Stellaris, das ebenfalls Paradox entspringt, viel Spaß, gleichwohl es schlussendlich nie zum galaktischen Großgrundokkupant gereicht hat.
Sollte der Soundtrack indes ein Indikator für die Qualität des Spiels sein, kann man wohl eine gewissenhafte Empfehlung aussprechen. Schon nach kurzem Reinhören in den OST vom schwedischen Komponisten Andreas Waldetoft, der ebenfalls die stimmungsvolle Space-Symphonie für Stellaris verantwortet hat, wird klar: Wir sind auf Gold gestoßen – sofern man auf klassische Kammermusik steht.
Das beginnt schon mit dem ersten Track, For God and Queen, an die UEFA-Hymne erinnernd direkt mit einem gleichmäßigen Rhythmus voranschreitet, bevor die Chöre erklingen. Es wird lauter, euphorischer, ohne dabei aus dem Takt zu geraten. Das hier ist keine unbändige Freude, sondern würdevolle, erhabene Glückseeligkeit. Die einzelne Geige, die eine Musik über dem Grandieur unter ihr erfiedelt, wirkt himmlisch, göttlich. Ich liebe es!
Generell muss man wohl einen Fable für Musik der viktorianischen Ära haben, um diesem, fast schon dekadenten Pomp, etwas abzugewinnen. Wenn wir in Johan’s Waltz klassischen Walzer hören oder uns Independence March Segmente des Marschlieds der britischen Grenadiere präsentiert, versetzt uns das direkt in eine Zeit, in der sich Ballkleid und Bleikugel das Zepter in die Hand drücken.
Anders als die Total War-Reihe wandert Victoria II eher in den Fußstapfen von Anno 1800 oder den Cinematic-Videos der Civilization-Ableger. Soll heißen: Harmonie und Euphorie statt treibender Schlachtmusik. Das muss indes nicht heißen, dass der OST langweilt – im Gegenteil! Buckingham Palace zeigt diese Ambiguität deutlich, indem es zunächst bedächtig, fast schon bescheiden, erneut mit einer einzelnen Geige eine Melodie spielt. Diese Einsamkeit wird bald von ein paar Artgenossen begleitet, bleibt jedoch zurückhaltend, bis das Orchester einsetzt. Nun sind wir inmitten einer Stadt, nein, einem Ballsaal. Geschäftiges Treiben, überall passiert etwas. Und dann … ist es vorbei. Erneut sind wir mit den Streichern alleine und blicken zurück auf das Erlebte. Schön und beschaulich.
Diesen Qualitätsstandard hält der Soundtrack dankenswerterweise durchgängig aufrecht, keines der Stücke enttäuscht. Nun mag es ironisch wirken, wenn ich behaupte, dass der Ottonormalverbraucher mit diesem Album mehr wird anfangen können, als mit den meisten anderen Scores auf dieser Seite. Wobei ‚anfangen können‘ vermutlich die falsche Wortwahl ist. Vielleicht eher ‚wiedererkennen‘. Denn auch wenn wohl die Wenigsten in ihrer Freizeit klassische, geschweige Kammermusik hören, ist Victoria II durch dieses Genre auch sehr nah an den meisten TV- und Serien-Soundtracks. Viele der Stücke erinnern mich dabei naturgemäß nicht nur an zeitgenössische Filme und Serien wie The Crown und Master and Commander: The Far Side of the World, sondern auch an abwegigere Kandidaten wie beispielsweise Die Ringe der Macht oder Star Trek: Discovery. Am Ende entscheidet natürlich jeder, was er mit seiner Lebenszeit anfängt. Hier würde ich jedoch sagen, das Reinhören ein kleines Muss ist.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | For God and Queen | Andreas Waldetoft | |
02 | The Coronation | Andreas Waldetoft | |
03 | Buckingham Palace | Andreas Waldetoft | |
04 | Europe Anno 1850 | Andreas Waldetoft | |
05 | Johan's Waltz | Andreas Waldetoft | |
06 | A Day at the Court | Andreas Waldetoft | |
07 | New World Anthem | Andreas Waldetoft | |
08 | Independence March | Andreas Waldetoft | |
09 | Handel This | Andreas Waldetoft | |
10 | Inventions | Andreas Waldetoft | |
11 | Poverty | Andreas Waldetoft | |
12 | Queens Scherzo | Andreas Waldetoft | |
13 | Royal March | Andreas Waldetoft | |
14 | Death of Prince Albert | Andreas Waldetoft | |
15 | Countryside | Andreas Waldetoft | |
16 | Russia 1917 | Andreas Waldetoft | |
17 | Winter | Andreas Waldetoft | |
18 | Lament for the Queen | Andreas Waldetoft |