Vermeer: Die Kunst zu erben
(H)Erbe enttäuscht
Wenn man sich mit dieser Methodik nun das Spiel Vermeer: Die Kunst zu erben anschaut, ergibt sich ein ähnliches Bild. Abseits des wirklich fantastischen Wortspiels (immerhin geht es darum, möglichst viele Kunstwerke des barocken niederländischen Künstlers zu akquirieren) bietet das Spiel Gamingenthusiasten vergleichsweise wenig – sowohl gameplaytechnisch, als auch von der Story. Die lässt sich recht kurz zusammenfassen: Unser Onkel Walter von Grünschild steht nicht nur vor dem bald endenden Winter seines Lebens, sondern hat auch einen herben Verlust erlitten: Ihm wurden seine wertvollsten Gemälde gestohlen! Unsere Aufgabe ist es nun, möglichst viele davon wieder zu erstehen und uns dabei keine Fälschungen andrehen zu lassen, denn nur dann werden wir zum Erben seines immensen Wohlstands ernannt. So weit, so simpel.
Um an das nötige Kapital zu gelangen, erwerben wir weltweit Plantagen, handeln mit Aktien und Risikopapieren, wetten beim Pferderennen oder sabotieren unsere drei Familienangehörige, die mit uns um den Familiennachlass wetteifern. Vermeer ist also in seinem Herzen eine Wirtschaftssimulation, wenn auch aufgrund der limitierten Optionen eine simple. Anbauen lassen sich beispielsweise nur vier Saatgüter (Kaffee, Tee, Tabak und Kakao), tiefergehende Wertschöpfungskreisläufe fehlen. Auch das eigentliche Gameplay erschöpft sich recht schnell: Geld kassieren, expandieren, Kunstwerke kaufen, repeat. Alternative Ziele gibt es keine.
Allerdings hat mir das damals vollkommen gereicht, um viele fröhliche Stunden mit dem Spiel zu verbringen. Denn um den Vergleich vom Beginn zu bemühen, war Vermeer meine Nudeln mit Ketchup. Schließlich hatte ich mangels Kenntnis, geschweige denn Besitz von anderen Wirtschaftssimulationen, nichts Vergleichbares. Und die Grafik in Form von gezeichneten Bildern hatte mich immer ein wenig an die Löwenzahn-Spiele erinnert, die mich damals sehr begeisterten. Das bedeutet nicht, dass ich auch gut war. Gut sein und Spaß haben können zwei ganz verschiedene Sachen sein, wie mir meine Freunde in jeder Zocksession aufs Neue beweisen.
Leider musste ich mir die meisten Infos zum Spiel im Netz zusammensuchen, wirklich etwas hängengeblieben ist damals nicht. Gut, als 7-Jähriger durch den Kapitalmarkt durchzusteigen, wäre auch etwas ambitioniert gewesen und gelingt mir bis heute nicht. Aber wo mir bei Transport Tycoon wenigstens beibrachte, was Subventionen bedeuten – womit ich meine SoWi-Lehrerin Frau Holwe nachträglich beeindrucken konnte – wusste ich nicht mal, dass Namensgeber Vermeer eine echte Person war. Hätte man mir damals Das Mädchen mit dem Perlenohrring gezeigt, hätte ich vermutlich steif behauptet, dass es aus diesem Spiel stammen würde. Wieder eine Chance für kunsthistorische Bildung ungenutzt vorbeigezogen.
Da Musik glücklicherweise ebenfalls zu den Künsten gezählt wird, kann ich zumindest heute noch etwas zum Soundtrack nachtragen. Der wurde von Jürgen Venjakob komponiert, der Mobygames zufolge in nachfolgenden Spieleprojekten fleißig die Departments wechselte und mal als Grafiker, Marketer und Webdesigner tätig war. Überraschend kommt das nicht, denn der Score umfasst 14 Tracks mit einer durchschnittlichen Dauer von 1,5 Minuten, die wenig besonders sind. Hierbei hilft es, dass die höhepunktarmen Stücke recht schnell durchgehört sind und sich zumindest thematisch ausreichend unterscheiden. Sie sind allesamt den jeweiligen Städten gewidmet, die wir in Vermeer besuchen können.
Folglich ist Ankara arabisch angehaucht, New York klingt mit seinen jazzigen Bläsern nach Großstadtswing und in Lissabon wird mit der MIDI-Gitarre zum Tango aufgefordert. Das wirkt passend, wird gleichsam indes durch andere stilistische Entscheidungen torpediert. Warum treten in Stücken wie Paris unvermittelt Taktwechsel auf, sodass es sich anfühlt, als würde man ständig akustisch aus der Bahn geworfen? Warum hört sich Berlin mit seiner Drehorgel eher nach einem Zirkus an? Und wie kitschig asiatisch können wir Bombay machen? Venjakob sagt: „Ja.“
Nein, wirklich aufregend ist die Musik zu Vermeer: Die Kunst zu erben nicht … aber hat das jemanden überrascht? Die meisten Stücke würde man heute in schöner auf diversen Musikdatenbanken finden, und der quietschige MIDI-Charme ist wohl nur etwas für Retronostalgiker. In mir hat das Feeling des Scores wohlige Erinnerungen an weitere zeitgenössische Spiele wie Die total verrückte Rallye geweckt, was vielleicht die am Ende doch recht moderaten Wertungen der einzelnen Tracks erklärt. Diese immerhin an Durchschnitt gemahnende Einschätzung sollte jedoch nicht trügen: für Nicht-Mattisse ist der OST wirklich nicht sehr spannend.
Nostalgiewarnung
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | St. Louis | Jürgen Venjakob | |
02 | Berlin | Jürgen Venjakob | |
03 | Ankara | Jürgen Venjakob | |
04 | London | Jürgen Venjakob | |
05 | Amsterdam | Jürgen Venjakob | |
06 | Rom | Jürgen Venjakob | |
07 | Paris | Jürgen Venjakob | |
08 | New York | Jürgen Venjakob | |
09 | Lissabon | Jürgen Venjakob | |
10 | Bombay | Jürgen Venjakob | |
11 | Chicago | Jürgen Venjakob | |
12 | Mexico City | Jürgen Venjakob | |
13 | Mombasa | Jürgen Venjakob | |
14 | Rio de Janeiro | Jürgen Venjakob |