The Elder Scrolls IV: Oblivion
Unvergessenheit
Ich will ausnahmsweise gar nicht pathetisch werden, denn mit meiner Liebe zum vierten The Elder Scrolls-Teil bin ich nicht alleine. Für viele war es das Rollenspiel der 00er-Jahre und für mich persönlich eine Offenbarung. Bis heute kann ich mich daran erinnern, wie ich das Game, dessen originale CD höchst legal in meinem Laufwerk landete und deren Erscheinen in keinster Weise etwas mit dem Internetzugang eines Bekannten zu tun hatte. Besagter Kumpel, der vor Kurzem Vater geworden ist, hatte meinem Bruder und mir das Spiel während einer unserer häufigen LAN-Partys mitgebracht. Worum es ging? Keine Ahnung. The Elder Scrolls? Nie gehört.
Voller Erwartung auf Multiplayer-Action installierte ich also Oblivion und öffnete das Programm. Ein kurzer Startup-Screen erschien, Logos tauchten auf und dann … An dieser Stelle würde ich gerne sagen, dass mich das fantastische Main Theme erschlug, dass ich ehrfürchtig vor dem PC erstarrte und dieser glorreichen Melodei lauschte. Doch in Wahrheit hatte ich den Ton aus und suchte eifrig nach dem Knopf für den Multiplayer. Da ich den nicht fand, startete ich schließlich ein neues Spiel und war nach wenigen Sekunden schon vom Ruckeln genervt. Denn mein Rechner war den technischen Ansprüchen nicht im Ansatz gewachsen, weshalb sich meine Euphorie in Grenzen hielt. Also schnell wieder ausgemacht und Counter-Strike geöffnet.
Natürlich gab es noch das erwartete Happy End. Natürlich gab ich TES IV noch eine Chance. Dies sollte allerdings kein Alleinstellungsmerkmal von Oblivion sein, schließlich bedeutete in jenen Tagen die Installation eines Spiels auf dem heimischen PC, dass es auch durchgespielt wurde. Wir hatten ja nichts. Eine Komplettlösung, zwei Addons, diverse Mods und hunderte Stunden später kannte ich Tamriel wie meine Westentasche. Ich hatte die perfekte Reihenfolge für alle Quests, wusste wo ich wie welches Item bekam, hatte jeden Skill bis zum Anschlag gelevelt und schlussendlich sogar passiv 113% Chamäleon, wodurch ich zur unsichtbaren Allmacht wurde. Und während all der glücklichen Stunden lief diese Musik.
Komponiert von Jeremy Soule ist sie wohl vielen Gamern im Gedächtnis geblieben und ihr Platz im Olymp der Videospiel-Scores wird wohl nur durch die des Nachfolgers Skyrim angefochten – ebenfalls von Soule. Es hätte also schlechter laufen können für den US-amerikanischen Komponisten. Da dieser jedoch 2019 des sexuellen Missbrauchs angeschuldigt wurde, ist er in Ungnade gefallenen und hat sich, so weit für mich ersichtlich, aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Über meine Haltung dazu lest gerne meine Review zu Star Wars: Knights of the Old Republic.
26 Tracks, davon über die Hälfte herausragend, spricht für Nostalgieverblendung – und ich stehe dazu. Der OST zu The Elder Scrolls IV: Oblivion war über lange Zeit mein Happy Place. Sei es das zuvor benannte Main Theme Reign of the Septims, das in Soules unnachahmlicher Weise Epik verspricht. Wie schon zuvor bei Morrowind stellt es eine Reise dar. Dieses Mal jedoch geht es nicht über eine von Asche bedeckte Insel, sondern ein Fantasy-Reich, mit Magie, zauberhaften Kreaturen und bezaubernden Orten.
Die Trompeten künden vom Kaiserreich und von der Regentschaft der namensgebenden Familie Septim. Deren Herrschaftlichkeit wird standesgemäß proklamiert, bevor sanften Töne erklingen. Vorsichtig, bedächtig. Durchatmen. Dann taucht die Bedrohung auf, die uns Spieler in Form der Dämonen aus der Daedra-Dimension Oblivion heimsucht. Es wird hektisch. Doch auf den Regen folgt Sonnenschein, Ruhe und Frieden kehren zurück. „Alles wird gut“, scheint uns das Orchester sagen zu wollen, bevor der Track in fast schon kitschiger Art langsam abebbt. Ein Stilelement, das Soule in jedem seiner Main Themes der Elder Scrolls-Reihe einsetzt.
Generell lässt sich der Score in drei Kategorien aufteilen: Kampf, Atmo und Ambience. Während Ersteres noch selbsterklärend ist, bedarf die Unterscheidung der letzteren Beiden wohl etwas Erklärung. Mit Ambient-Tracks meine ich hier Stücke wie Winds from the Depths oder Ancient Sorrow, die wenig musikalische Dichte aufweisen. Stattdessen – und besonders weil sie meistens in Höhlen und Krypten zum Einsatz kommen – halten sich diese Titel im Hintergrund, haben maximal eine entfernte Melodie und dienen wie beispielsweise Tension, Unmarked Stone oder Deep Waters dem Spannungsaufbau. Weniger spektakulär und eher als Lückenbüßer gedacht, hauchen sie den Untergrundpassagen ordentlich Stimmung ein. Auf sich allein gestellt bleibt davon allerdings recht wenig übrig.
Da funktionieren die Atmo-Tracks deutlich besser. Sie sind diejenigen, die für die Oblivion-artige Fantasystimmung sorgen. Wir hören sie, wenn wir durch die Städte wandern oder sie uns auf unseren Streifzügen durch die Wälder begleiten. Beispiele: Through the Valleys und Glory of Cyrodiil, die an das zeitgleich erschienene deutsche Rollenspiel-Pendant Gothic 3 erinnern und mit ihren Flöten das Gezwitscher von Vögeln imitieren. Daneben finden sich Harvest Dawn und Alls Well mit ihren meditativen Fantasyklängen sowie King and Country, das durch das helle Glockenspiel Erinnerungen an Harry Potter und der Stein der Weisen hochkochen lässt.
Meine persönlichen Highlights in dieser Kategorie sind derweil Watchman’s Ease, Glory of Cyrodiil und Auriel’s Ascension. Alle drei Stücke weisen eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit auf, haben aber jeweils ein anderes dominierendes Instrument. In Watchman’s Ease fliegen die Streicher über die Szenerie hinweg, in Glory of Cyrodiil haben Harfe und Bläser dagegen einen größeren Anteil. Und Auriel’s Ascension konzentriert sich klassisch aufs Klavier. Wie in fast allen Stücken harmonieren die verschiedenen Instrumente meisterlich miteinander, jedem wird Platz gegeben, seine eigene (Duft-)Note zu setzen. Super kitschig, super schön.
Den Abschluss bilden die eingangs erwähnten Kampftracks. Allesamt mit unterschiedlichem Fokus: Mal heroischer (March of the Marauders, Fall of the Hammer, Daedra in Flight), mal fatalistischer (Death Knell, Defending the Gate) und mal chaotischer (Bloody Blades, Churl’s Revenge). Ihnen allen ist die Ähnlichkeit zu Soules anderen Arbeiten anzumerken, und auch wenn sie eine Verbesserung zu Morrowind darstellen, finde ich diese spezifische Art von Liedern in Spielen wie Company of Heroes oder Supreme Commander besser gelungen – oder eben Skyrim.
Gemotze ja, aber auf hohem Niveau. Der Nostalgie sei Dank ist mir das alles aber sowieso egal, denn ich liebe diesen Score. Das Spiel mag veraltet sein, die Mechaniken unausgereift, die Bugs zahllos. Die Musik wiederholt sich häufig und das Fehlen von coolen Stücken jenseits des Fantasy-Einheitsbreis könnte schmerzen – aber mich stört es nicht. Ich hatte damals keinen Vergleichswert, keine Erwartungen. Bei jedem der genannten Tracks fällt mir ein Moment in Oblivion ein, eine Mission oder ein Charakter. Jeremy Soules Werk holt mich jedes Mal zurück ins ferne Jahr 2006, in einen muffigen Keller vor einen dröhnenden PC und zu den Gedanken, dass dies das beste Spiel aller Zeiten sei.
Nostalgiewarnung
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Reign of the Septims | Jeremy Soule | |
02 | Through the Valleys | Jeremy Soule | |
03 | Death Knell | Jeremy Soule | |
04 | Harvest Dawn | Jeremy Soule | |
05 | Wind from the Depths | Jeremy Soule | |
06 | King and Country | Jeremy Soule | |
07 | Fall of the Hammer | Jeremy Soule | |
08 | Wings of Kynareth | Jeremy Soule | |
09 | Alls Well | Jeremy Soule | |
10 | Tension | Jeremy Soule | |
11 | March of the Marauders | Jeremy Soule | |
12 | Watchman's Ease | Jeremy Soule | |
13 | Glory of Cyrodiil | Jeremy Soule | |
14 | Defending the Gate | Jeremy Soule | |
15 | Bloody Blades | Jeremy Soule | |
16 | Minstrel's Lament | Jeremy Soule | |
17 | Ancient Sorrow | Jeremy Soule | |
18 | Auriel's Ascension | Jeremy Soule | |
19 | Daedra in Flight | Jeremy Soule | |
20 | Unmarked Stone | Jeremy Soule | |
21 | Bloodlust | Jeremy Soule | |
22 | Sunrise of Flutes | Jeremy Soule | |
23 | Churl's Revenge | Jeremy Soule | |
24 | Deep Waters | Jeremy Soule | |
25 | Dusk at the Market | Jeremy Soule | |
26 | Peace of Akatosh | Jeremy Soule |