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The Elder Scrolls III: Morrowind

Erscheinungsdatum: 2002
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Jeremy Soule
Trackzahl: 21


Neue Wege, alte Tugend

Es ist 2002, die Welt ist in Ordnung. 2002, also sechs Jahre nach dem zweiten Teil (Daggerfall), als die Fortsetzung The Elder Scrolls III: Morrowind erscheint. Nicht nur in schickem neuen 3-D-Gewand präsentiert sich das Vorzeigerollenspiel, auch in allen anderen Belangen (bis auf die Größe der Spielwelt) setzt das Bethesda-Projekt Maßstäbe: NPCs mit eigenen Tagesabläufen, ungewohnt umfangreiche spielerische Freiheiten, abwechslungsreiche Landschaften, zahllose Nebenquests und ein offenes Ende, das uns nach dem Durchspielen der Hauptquest die Möglichkeit gibt, die Insel weiter zu erkunden.

Ja, Morrowind hätte mich vermutlich richtig in seinen Bann gezogen, hatte ich doch mit Spielen wie Arx Fatalis schon etwas Rollenspielluft schnuppern können. Leider zog es stattdessen unbemerkt an meinem zehnjährigen Selbst vorbei, weshalb ich erst eine Dekade später durch The Elder Scrolls IV: Oblivion meinen Erstkontakt mit der Reihe haben sollte. Fatal, wie sie später zeigen würde, als ich Morrowind dann nachholen wollte: Zu hässlich, zu frimmelig, einfach zu altbacken. TES-Fans, die in dem Game bis heute den Heiligen Gral sehen, werden mich vermutlich verfluchen, aber ich fand das kondensierte Oblivion einfach besser. Vermutlich jedoch ist meine Meinung ohnehin nicht massentauglich, hasse ich doch auf der anderen Seite und völlig gegen den Trend die Star WarsPrequel-Trilogie nicht.

Sei es, wie es sei, komme ich nicht umhin Morrowind für das zu ehren, was es ist: ein sehr gutes Spiel, das als Schablone für weitere, ebenso fantastische Games diente. Und es brachte uns einen preisverdächtigen Soundtrack, dessen Main Theme mir und so ziemlich jedem Fan ein wohliges Gefühl gibt. Nicht umsonst lässt sich das Motiv in allen Nachfolgern wiederfinden, wird als Teil von zahllosen Medleys verwendet und taucht in diversen Top-Listen (wie auch meiner) auf. Die Rede ist natürlich von „Nerevar Rising“:

Eine Trommel. Bumm. Zwei neue Schläge. Bumm bumm. Nochmal – bumm bumm. Bumm bumm. Drei zarte Töne ertönen nacheinander, gezupft auf einer Harfe und begleitet von Horn und Geige. C D E – wie kitschig, wie fantasy. Erneut drei Töne: E F G. Pfff. Nun ein Knick – G H F, gefolgt von einer schnellen Tonleiter nach unten. Aha? Wieder bei C angekommen klettert die Melodie auf ein Neues nach oben (C D E – E F G – G H C) und erreicht die nächsthöhere Oktave. Mhhh. Dort angekommen frohlockt das Stück, als würde es einen kleinen Erfolg feiern, bevor wir, wie bei einer Wanderung über einen hügeligen Pfad, dem Weg durchs nächste Tal folgen.

So weit, so unspektakulär. Wir erreichen eine Biegung, umrunden, was uns den Blick auf ein Panorama verwehrt hat, das sich nun vor uns erstreckt – dann passiert es: Wie zur Überwindung der letzten Kraftanstrengung auf unserem Pfad peitscht uns die Trommel kurz an. Und als würden wir aus der Stille eines dichten Waldes treten, schwillt das Orchester plötzlich an: Wie Sonnenstrahlen fließen die Streicher über die Weite, die vor uns liegt. In all ihrer Erhabenheit spielen sie erneut das Motiv vom Anfang auf, dieses Mal triumphal begleitet von den Hörnern. Geschafft. Die Strapazen waren es wert, die Arbeit ist geschafft.

Doch gerade, als wir zufrieden die Füße hochlegen wollen, trifft unser Auge auf diesen unbeschreiblichen Anblick, auf diese Schönheit, die wir fast übersehen hätten. Es ist Min 1:10, als uns Komponist Jeremy Soule endlich präsentiert, was er uns die ganze Zeit zeigen wollte: einen Spiegel. Wie eine Wand an Bombast und Pathos bricht das gesamte Orchester los und entlädt seine emotionale Macht. Dieser Moment ist uns gewidmet, dieser Augenblick gehört uns. Wir sind der Held. Wir sind es wert, besungen zu werden. Wir haben dieses Erlebnis verdient. Und die ganze Welt steht uns offen.

So zumindest möchte ich dieses Theme deuten, das mir mit seiner gewaltigen wie berührenden Art jedes Mal eine Gänsehaut verpasst. Es ist simpel, es ist sogar bestechend simpel. Die Harmonien sind kinderleicht, die Instrumente klassisch. Aber eben auch klassisch gut. Man kann von Soule halten, was man will (mehr dazu in meiner Review zu Star Wars: Knights of the Old Republic), aber hier wurde Denkmalbau betrieben.

Umso besser, dass er während des gesamten OST durchweg auf die Stärken seiner Orchestrierung setzt. Die kann zwar nicht immer ihre Ähnlichkeiten zu seinen anderen Scores wie Harry Potter („Ambush!“, „Shed Your Travails“), Guild Wars („Knight’s Charge“) oder Kotor („Over the Next Hill“) verbergen, die werden durch die sporadischen Zitate des Main Themes („Bright Spears, Dark Blood“, „Dance of Swords“) jedoch geschickt zerstreut.

Anderen Stücken wie „Silt Sunrise“ geben derweil schon einen Ausblick auf das, was uns später in Oblivion und Skyrim erwarten sollte: ruhige, bedächtige Klänge, die von der Schönheit der Natur künden. Der Soundtrack zu Morrowind lässt sich trotz der Gefahr, kitschig zu klingen, durchweg als magisch bezeichnen. Soule versteht es einfach, mit der Musik eine facettenreiche Welt zu zeichnen, die uns wie eine fleischfressende Pflanze mit ihrer Anmutung in ihren Bann zieht, um im nächsten Moment mit gewaltigem Trommelwirbel und Posaunenklang zuzuschnappen.

Aus dieser hochwertigen, mangels Nostalgie allerdings knapp am Podest scheiternden Akustikverwöhnung sticht derweil für mich noch das euphorisch wie gefühlvolle „The Road Most Travelled“ heraus. Das setzt statt der Wucht eines „Nerevar Rising“ auf sanftere Töne und verspricht eine beschwingte, unbeschwerte Wanderschaft. Wir sind ein Entdecker, überall am Wegesrand wartet Wunderliches und Wunderbares. Das Leben ist schön, alles ist gut. Und so lässt uns auch der Soundtrack zurück, wenn er mit „Nerevar Rising (Reprise)“ endet. Ein Loblied auf die Unbeschwertheit. Ja, so war das damals im Jahr 2002.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Nerevar RisingJeremy Soule55/5
02Peaceful WatersJeremy Soule44/5
03Knight's ChargeJeremy Soule44/5
04Over the Next HillJeremy Soule33/5
05Bright Spears, Dark BloodJeremy Soule44/5
06The Road Most TravelledJeremy Soule55/5
07Dance of SwordsJeremy Soule44/5
08Blessing of VivecJeremy Soule33/5
09Ambush!Jeremy Soule44/5
10Silt SunriseJeremy Soule44/5
11Hunter's PursuitJeremy Soule33/5
12Shed Your TravailsJeremy Soule33/5
13Stormclouds on the BattlefieldJeremy Soule33/5
14CapriceJeremy Soule44/5
15Drumbeat of the DunmerJeremy Soule44/5
16Darkened DepthsJeremy Soule33/5
17The Prophecy FulfilledJeremy Soule33/5
18TriumphantJeremy Soule22/5
19IntroductionJeremy Soule33/5
20Fate's QuickeningJeremy Soule22/5
21Nerevar Rising (Reprise)Jeremy Soule44/5

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