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Heroes of Might and Magic IV

Erscheinungsdatum: 2002
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Paul Romero; Rob King, Steve Baca
Trackzahl: 25


Der vielleicht beste Score der Serie

Drei Jahre nach Heroes of Might and Magic III sollte der vierte Teil mit einer neuen Formel wieder Leben in die Reihe bringen. Da man das mittlerweile acht Jahre alte Spielprinzip nicht grundsätzlich umkrämpeln wollte, blieb vieles beim alten. Anstelle von Revolution gab es kleine bis größere Änderungen, um die Fraktionen besser zu kontrastieren. So waren Zaubersprüche nun bestimmten Gesinnungen zugeordnet, es konnte also nicht jeder Held alles zaubern.

Außerdem wurden die Einheitenupgrades gestrichen und wieder fleißig am Kreaturen-Karussell gedreht, wodurch beispielsweise die Untoten und Dämonen zur Necropolis-Fraktion fusionierten. Die kontroversteste Änderung war jedoch die Rolle der namensgebenden Helden, die nun nicht mehr vom Schlachtfeldrand aus ihre Fähigkeiten und Zauber wirkten, sondern aktiv auf dem Schlachtfeld in Aktion traten und ebenfalls niedergeknüppelt werden konnten.

Was nach dezenten Anpassungen aussieht, war für viele Fans bereits Sakrileg. Schließlich gilt Teil 3 bis heute doch als der Heilige Gral der Reihe, während Teil 4 wohl am kontroversesten diskutiert wurde. Trotzdem mussten sich alteingesessene Heroes-Spieler im weiteren Verlauf der Serie an diese Experimentierfreude gewöhnen, setzte sie sich doch noch bis zum vorerst letzten Teil, Might and Magic: Heroes VII, fort. Und das, obwohl Heroes of Might and Magic IV der letzte Teil sein sollte, der bei New World Computing entstand.

Ich zähle mich gleichermaßen zum Lager derer, die nie so wirklich warm mit Heroes IV wurden. Den eigenen Helden mit Lebenspunkten und Manabalken in den Gefechten zu sehen, der neue 3-D-Look und die Iso-Kameraperspektive sowie die Völkeraufteilung in Asyl (Warlocks aus Heroes II), Necropolis (Untote und Dämonen), Akademie (Zauberer), Zuflucht (Walbewohner), Burg (Barbaren) und Hafen (Pannenübersetzung für ‚Haven‘, gemeint sind die Menschen) – irgendwas fühlte sich falsch an. Vielleicht habe ich aber auch einfach nicht genug Zeit damit verbracht, um eine ähnliche Bindung wie zu Teil 2 oder Teil 5 aufzubauen.

Sei es, wie es sei – ich bin ja ja nicht hier, um mich zu sehr am Spiel aufzuhängen. Viel lieber schwenke ich jetzt galant zum eigentlichen Thema dieser Review: dem Soundtrack. Der wurde dankenswerterweise von offizieller Seite releast, umfasst 25 Tracks und stammt erneut von den altgedienten Serienveteranen Paul Anthony Romero und Rob King, die gemeinsam mit Steve Baca einen der besten Scores der Serie hinlegen.

Wie bei meinem Hobby üblich, musste ich mir die Informationen zu dem OST wieder zusammensuchen und bin dabei über den Namen Paul James gestolpert. Der wird beispielsweise bei Wikipedia als vierter Komponist geführt, auf dem Cover des Soundtracks stehen dagegen nur die drei oben genannten Künstler. Mehr konnte ich zu diesem Mann nicht finden, er sei jedoch der Vollständigkeit halber erwähnt.

Für den sehr realistischen Fall, dass ihr jemals in die Verlegenheit kommen solltet, gefragt zu werden, welcher Heroes of Might and Magic-Score am wenigsten nach einem Computerspiel klingt, so könnt ihr getrost ‚Heroes of Might and Magic IV‘ antworten. Der Grund dafür ist simpel, denn als Hauptinspiration dienen im Gegensatz zu HoMM 2 (Oper) und HoMM 3 (Fantasy) nun keltische Klänge, denen man bisweilen auch in der Popkultur begegnet.

Die Komposition verleugnet hierbei die eigenen Wurzeln nicht und bleibt ihrem Kredo als Adaption von klassischer, orchestraler Klangkulisse treu. Hauptakteure sind erneut Streicher und Bläser, die sich gerne einmal in einer Symphonie ergießen, wobei sie gelegentlich von Zupfinstrumenten wie der Harfe oder Gitarre, von Vocals oder gleich von beiden gemeinsam begleitet werden. ‚Aber ist es dann nicht das Gleiche Spiel wie bei Heroes III?‘, möchte man da fragen. Nein!

Beispiele hierfür gibt es gleich zu Beginn des OST mit den Städte-Themes, die serientypisch den Großteil der musikalischen Höhepunkte liefern. Es mag am Fokus des Spiels auf der Diversifizierung der verschiedenen Fraktionen liegen, dass diese sich nun noch deutlicher voneinander unterscheiden, aber es fühlt sich an, als hätten Romero und King die angezogene Handbremse gelöst und ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Damit möchte ich nicht behaupten, dass sich die spielbaren Gruppierungen in den Vorgängern musikalisch nicht deutlich genug voneinander unterschieden hätten – man stelle nur mal die Themes der Barbaren und der Zauberer aus Heroes II gegenüber. Jedoch wirkt die Musik bei Heroes IV freier, entfesselter, weniger regelgebunden. Alles in allem auch etwas zugänglicher – und das sage ich als jemand, dem das eigentliche Spiel nicht so zugesagt hat.

Gehen wir sie also einmal der Reihe nach durch: „The Preserve“ beschäftigt sich mit der Zuflucht-Fraktion und ist wohl am nächsten dran am Stil der Vorgänger, namentlich „Town (Sorceress)“ aus HoMM 2. Hier wie dort singt eine Mezzo-Sopranistin (Karin Mushegain) eine Arie auf Latein. Begleitet wird sie dabei unterschwellig von einer Gitarre und sanften Streichern, bevor ein Frauenchor kurz übernimmt. Dann erklingt sie wieder, dieses Mal begleitet von einem Bass-Bariton (Dean Elzinga). Im Duett schrauben sich ihre Stimmen in die Höhe und besingen die himmlische Sicherheit der Stadt – die Zuflucht. Das mag auf Leute, die mit Oper und dergleichen fremdeln, kitschig wirken, passiert in Videospielen aber selten genug, als dass man sich nicht darauf einlassen könnte.

Dieser Form der Lobeshymne sollen wir allerdings auch nur noch in „The Haven“, dem Menschen-Theme, noch einmal begegnen, wenngleich Freunde klassischer Musik hier erschreckt aufhorchen dürften. Denn nach einem gemächlichen Einstieg erklingt ein Saxofon, das über die Komposition fliegt. Richtig gehört, smooth Jazz incoming! Oder zumindest Erinnerungen an Filme der 80er wie Free Willy oder Ein Fisch namens Wanda. Was zunächst irritieren mag, klingt in Wahrheit richtig gut und zeugt von der oben beschriebenen Entfesslung des Scores. Fun Fact: Der Saxofonist ist Dr. Brock Summers, der Ehemann von Komponist Anthony Romero.

„Asylum“ als Theme für die zusammengewürfelte Chaos-Fraktion ist das genaue Gegenteil: Immer wieder jault ein Frauenchor geradezu auf. Wie eine Macht, die sich nähert, liegt etwas Unheimliches in der Luft. Der anfänglichen Neugierde weicht das Unbehagen, während die Streicher sich dem Schrecken gleich in Kaskaden ergießen, dass uns die Angst kalt den Rücken herunterfährt. Das Stück wird lauter, als die Sängerin ihre Stimme erhebt, höher, immer höher … und dann erstarrt. Da, der Schrecken! Da ist er! Ein langer Schrei, während der Chor erneut einsteigt, sich die Klagerufe mit der Dysfonie der Bläser vermengen, was bei mir Erinnerungen an Verdis „Dies Irae“ erweckt. Nach dieser Explosion verstummt die Musik rasch. Ein Augenblick der Ruhe, bevor eine Harfe erklingt. Nun auch die Sängerin, doch sie scheint beruhigter. Und Griegs „Morgenstimmung“ gleich ist die Angst überwunden, der Tag bricht herein. Erleichterung. Befreiung.

Dieses musikalische Chaos passt wunderbar zur Ansammlung mythologischer Fabelwesen wie Orks, Medusen, Minotauren und Nachtmahren, die sich in der wortwörtlichen Chaos-Fraktion versammelt haben. Zu „Asylum“ möchte ich an dieser Stelle auch kurz noch einen Kommentar zum YouTube-Video zitieren, der ein anderes Bild gezeichnet hat. Der Autor schreibt dort, dass sich die Städte-Tracks für ihn anhören wie die Emotionen eines Fremden, der die Stadt zum ersten Mal besucht. Er betritt diesen neuen Ort, diese wundersame, mystische, antike Stadt. Er blickt sich neugierig um, durchstreift die Straßen und Gassen, bevor er kurz nach der Minutenmarke feststellt, wo er in Wahrheit ist – und dann beginnt die schreckliche Erkenntnis.

Weiter mit den anderen Städte-Themes, von denen mir das erhabene, walzerartige „The Academy of Honor“ mit seinen (Quer-)Flöten- und Gitarrenspiel besonders zusagt, dessen Schönheit fast schon zu Tränen rührt. „Castle Stronghold“ ist dagegen standfester, klassischer. Die Symphonie aus Streichern und Bläsern, die sich abwechselnd komplementieren und herausfordern, funktioniert einfach genial und zeigt die grobschlächtige Zerrissenheit der barbarischen Burgbewohner. Und „Necropolis“ wirkt mit seinen aufsteigenden Streichern etwas untypisch positiv besetzt, weniger wie etwas, das über den Boden krabbelt, sondern hoch gen Himmel steigt. Allerdings haben wir mit „Asylum“ ja bereits unseren ‚Grusel‘-Track.

Abseits der das Fundament des OST bildenden Städtekompositionen bietet Heroes of Might and Magic IV derweil ein paar großartige Einzelstücke, die Erwähnung verdienen. Bei „The Prayer“ und „Desolation“ kommt der eingangs erwähnte, keltische Einfluss am deutlichsten zum Vorschein und weckt Erinnerungen an die Ausflüge auf die Skellige-Inseln aus The Witcher 3 oder die Stronghold-Reihe. „A Wise Tail“ und „Wandering“ sind mit ihrem Zusammenspiel aus Gitarre und Harfe dagegen verträumt und gehen eher in die Richtung von Assassin’s Creed II.

„Hope“ ist eine gefühlvolle Weise, die zuerst auf der Geige gespielt wird, nur begleitet durch eine Harfe, bevor eine Flöte einsteigt. Später übernimmt dann ein Akkordeon, auch eine Sängerin ist irgendwann Teil von der Partie. Ein herrliches Zusammenspiel, das Sehnsüchte weckt. „Floating Across Water“ macht indessen mit seiner Kombination aus Akkordeon und Gitarre seinem Namen alle Ehre und lässt uns leichtfüßig und elfengleich über das Wasser tanzen, und auch „Searching for a Dream“ erweckt die gewünschte Bildwelt.

Absolut großartig und mein Highlight des Scores bleibt indes „The Mountain Song“, zu dem eigentlich nicht mehr zu sagen ist, als dass es auch als herrlich irischer Partysong doubeln könnte. Vielleicht habe ich auch einfach eine Schwäche für diese Musikrichtung, höre ich doch beispielsweise auch sehr gerne „The Dance“ von Bear McCrearys Score zu Battlestar Galactica: Season 3 oder das unbetitelte Geigenstück „Die Siedler III 3“ aus dem gleichnamigen Spiel. Durch die Symbiose aus Fideln und Gitarren möchte ich einfach instinktiv das Tanzbein schwingen – und spätestens, wenn das Akkordeon mitmacht, ist jede Zurückhaltung vergessen.

Einziger ‚Schwachpunkt‘ des Scores, wenn man es so betiteln möchte, sind indes die „Battle“-Tracks. Die bleiben durch die Bank hinter meinen Erwartungen, was möglicherweise der Grund ist, warum das Spiel als solches bei mir weniger gut abgeschnitten hat. Denn sie erinnern eher an Echtzeitstrategiespiele Marke Earth 2150 oder Emergency und haben mehr mit den klassischen Sci-Fi-Tropen als Heroes of Might and Magic zu tun. Fänden sie sich in der letztgenannten Sorte Spiel, wären die Stücke vermutlich deutlich höher in meiner Wertung, hier sind sie etwas fehl am Platze. Am ehesten würden die eintönigen Rhythmen und Synthies noch zum technisch limitierten Heroes II passen, nicht jedoch zu dessen sechs Jahre jüngerem Enkel. Immerhin werden wir zum Schluss dann serientypisch mit einem barocken Flötenspiel in „Credit Theme“ wieder versöhnt. Geht doch!

Und damit komme ich Schluss dieser Review, an deren Ende man stirnrunzelnd die Frage in den Raum stellen kann, wie das noch getoppt werden kann? Wenn ich den grundsätzlichen Tenor in der Soundtrack-Community (YouTube-Kommentare) richtig deute, werden viele sagen: ‚Gar nicht‘! Doch wer mich kennt, weiß, dass der nächste Eintrag der Serie für mich ganz oben an der Spitze steht. Aber um Heroes of Might and Magic V soll es jetzt noch nicht gehen. Stattdessen möchte ich diese Review mit keiner warmen, keiner heißen, sondern einer kochendheißen Empfehlung aussprechen: Wer mit Videospielen nichts anfangen kann, jedoch ein Mindestmaß an Interesse für klassische und/oder keltische Musik übrighat, sollte hier unbedingt reinhören! Und wer mir nicht vertraut, darf sich gerne diese englischsprachige Review der Seite Game-Ost.com durchlesen, die mit deutlich klareren Worten und mehr Verstand zum Ausdruck bringt, was ich Unstudierter nicht vermag.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01The PreservePaul Romero; Rob King; Steve Baca55/5
02The Last BattlePaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
03AsylumPaul Romero; Rob King; Steve Baca55/5
04The Academy of HonorPaul Romero; Rob King; Steve Baca55/5
05NecropolisPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
06Castle StrongholdPaul Romero; Rob King; Steve Baca55/5
07The HavenPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
08ValhallaPaul Romero; Rob King; Steve Baca33/5
09The PrayerPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
10A Wise TailPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
11WanderingPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
12HopePaul Romero; Rob King; Steve Baca55/5
13Floating Across WaterPaul Romero; Rob King; Steve Baca55/5
14Searching for a DreamPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
15DesolationPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
16The Mountain SongPaul Romero; Rob King; Steve Baca55/5
17SubterraneanPaul Romero; Rob King; Steve Baca33/5
18Battle IPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
19Battle IIPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
20Battle IIIPaul Romero; Rob King; Steve Baca33/5
21Battle IVPaul Romero; Rob King; Steve Baca33/5
22Battle VPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
23Battle VIPaul Romero; Rob King; Steve Baca33/5
24Credit ThemePaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5
25The Gathering StormPaul Romero; Rob King; Steve Baca44/5

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