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Harry Potter und der Stein der Weisen

Erscheinungsdatum: 2001
Art: Gamerip
Komponist(en): Jeremy Soule
Trackzahl: 18 / 38


„Love, Harry“

Heute nehme ich euch mit in eine Zeit, in der man noch unbedarft Spieleumsetzungen zu seinen Lieblingsfranchises gekauft hat. Als man ein Spiel mehrfach durchspielte, nicht für irgendwelche Achievements, Lootboxen oder Highscores, sondern weil man schlicht nichts anderes hatte. In denen Bugs und Gamebreaker noch als Teil der Erfahrung akzeptiert wurden, weil man einfach nicht wusste, dass da jemand am anderen Ende im Code geschlampt hatte. Und in eine Zeit, in der Games nicht eins zu eins von einem System aufs andere portiert wurden, weshalb die Verpackung Spielszenen zeigte, die so gar nicht in dem Spiel vorkamen. Ja, Hagrid, der du dich in der PC-Version nie wie im Screenshot versprochen ins Schloss hereingetraut hast, ich meine dich! Schon damals lernte der junge Käufer also auf die harte Tour, dass schlussendlich nur die inneren Werte zählen. Und dass Electronic Arts Spieler gerne verarscht. Kurz: Harry Potter und der Stein der Weisen von 2001.

Es hatte alles, was ich mir damals wünschen konnte: Ein frei begehbares Hogwarts, Zaubereiunterricht mit anschließender Prüfung, Quidditchspiele, die bekannten Charaktere (sogar Peeves) und einen dramatischen Bosskampf, der mich damals an den Rand der motorischen Fähigkeiten brachte. Es war perfekt. Bis dann der Nachfolger kam und irgendwie alles besser gemacht hat. Und dessen Nachfolger, der alles irgendwie anders gemacht hat, was aber immer noch cool war. Und dann kam Der Feuerkelch und die Serie konnte begraben werden. Schade! Zurück zum klugen Geröll, zurück zum Stein der Weisen, dem Grundstein der Marke Harry Potter.

Das Spiel dürfte heute nur noch die kleinen oder junggebliebenen Potterfans begeistern, da sie hier keine Umsetzung um die virtuellen Abbilder von Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint erwartet, sondern eines des Buches. Weshalb eben auch die Zaubersammelkarten, Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen und eben auch Schülerschreck Peeves eine größere Rolle spielen. Zumindest in der PC-Version, die ich damals gespielt habe. Wie bereits gesagt wurde für so ziemlich jedes damalige System ein eigenes Spiel programmiert, mit teils drastischen Unterschieden. Welche Version inwiefern besser ist, kann ich deshalb nicht sagen. Und da ich damals auch den wirklich grauenhaften PC-Ableger von Spider-Man 2 gerne gespielt habe, würde ich diesem Urteil ohnehin nicht viel Glauben schenken.

Was ihr mir aber gerne glauben könnt, ist, dass es sich beim Soundtrack um einen der besten, wenn nicht sogar den besten Score für eine Spieleumsetzung handelt. Der stammt von dem US-amerikanischen Komponisten Jeremy Soule, der für mich so etwas wie der Hans Zimmer unter dem Videospiel-Komponisten ist. Denn als ich zum damaligen Zeitpunkt meine Musiksammlung begann, bemerkte ich, dass ich den Amerikaner eigentlich schon ein paar Mal gehört hatte und ich viele seiner Tracks mit meinen liebsten Gaming-Erinnerungen verband: Star Wars: Knight of the Old Republic, The Elder Scrolls IV: Oblivion, Supreme Commander – alles von der gleichen Person. Ohne es zu wissen, war ich Fan. Und dieses Mal kann ich es nicht auf nostalgische Verklärung schieben, weil der Mann auch heute noch großartige Musik produziert, die ich auch ohne dazugehöriges Spiel genießen kann. Dabei lässt sich allerdings eine thematische Wiedererkennbarkeit feststellen, oder böse formuliert ein Muster, nach dem die Werke Soules funktionieren – was vollkommen okay ist, weil es super klingt. Und da ist er bei künstlerisch schöpferischen Arbeiten auch kein Einzelfall. Nun aber zum Harry Potter-Score

Wie bei Knights of the Old Republic im Jahr 2003 verbaute Komponist Jeremy Soule für den OST keine Stücke aus dem zur gleichen Zeit erschienenen Film, sondern erschuf eine eigene musikalische Interpretation der Zaubererwelt, losgelöst von John Williams ebenfalls brillantem Werk. An dieser Stelle sei noch gesagt, dass das Spiel aus einer Zeit vor Official Soundtracks stammt und es folglich keinen offiziellen, zusammenhängenden Score gibt. Ferner erschweren die unterschiedlichen Versionen das Ganze zusätzlich, weil Track X nicht in Version Y auftritt. Ein paar der Songs aus dem Gamerip kannte ich deshalb aus meiner Spielerfahrung gar nicht, andere hingegen schon, weil sie in den Nachfolgern verbaut wurden. Und damit genug der Vorrede, kommen wir zum Soundtrack.

Die Qualität von Soules Arbeit kündigt sich bereits zum Spielstart mit dem pompösen Theme Song an, der mit seinem Build-Up von Glockenspiel und Vocals zu einem Chor aus kreischend melodiösen Streichern leitet, dort ein bisschen verspielt verharrt, bevor er eruptionsartig von den Bläsern erhöht wird. Wir sind eingetaucht in die Welt von Harry Potter, diesem magisch mystischen Ort, an dem so viel möglich scheint, an dem Kinder lernen, dass sie übernatürliche Begabungen besitzen. Aber wir sind auch noch in einem Kinderbuch. Der Bombast flacht ab und leise, fast schon bedächtig, ertönt das Glockenspiel erneut, bevor es sich wieder erhebt und von Fanfaren geleitet das majestätische Hogwarts vor unserem geistigen Auge beschwört. Dann klingt das Theme aus, wie das Gegenstück auf der Leinwand bleiben dunkle Untertöne zu hören, doch die Message ist klar: Willkommen.

Diese auditive Narration wird fortgesetzt, als uns die Erzählerstimme durch die ersten Kapitel des Buches scheucht, bis wir schließlich – in der PC-Version – direkt in Hogwarts von Professor Dumbledore begrüßt werden. Während dieser nett gezeichneten Animation läuft im Hintergrund „Story Book“, ein Track, der mit seiner Mischung aus Glockenspiel, Querflöte und Streichern spielend zwischen mystisch, bedrückend, verspielt, hoffnungsfroh und traurig schwingt. Er führt hinein in die Welt des kleinen Jungen, der aus der grauen Tristesse seiner schweren Kindheit unter der Knute von Onkel und Tante befreit wird, hinein in die zauberhafte Welt der Magie. Hach, wie mich die Nostalgie durchflutet.

Als nächstes hören wir „Hogwarts Happy“, das Theme, das uns beim begrenzten Erkunden der Zauberschule begleiten wird. Eine grundfröhliche Mischung aus erhaben und heimelig – hier sind wir sicher, hier kann uns nichts passieren. Aber das Thema soll uns noch weiter begleiten: In diesem Spiel in „Hogwarts Neutral“, einer reduzierteren Version sowie kurz in „A Firefly“ als eine noch positivere Version mit Glockenspiel und Vocals. Zusätzlich wird uns das Theme auch in den Nachfolgern wieder begegnen, dort untere anderem auch in Moll, wenn wir des Nachts durch Hogwarts streifen oder etwas Schlechtes passiert ist (Die Kammer des Schrecken wurde geöffnet hust).

An diese verspielten Erkundungsthemes schließt sich nahtlos „Phoenix“ an, ein fast schon Polka-artiger Track, der das musikalische Äquivalent zum Auftritt des schelmischen Hofnarren darstellt und mich immer unweigerlich an die hässlichen Gnome denken lässt, die man zuerst betäuben und dann in irgendwelche Löcher werfen muss. In dieser Assoziationskette ist „Phoenix“ übrigens dem Track „Court Jesters“ aus Final Fantasy IX nicht ganz unähnlich, den ich auch sehr gerne höre und der ähnlich verspielt daherkommt.

In die gleiche Ecke lässt sich auch „Crabbe and Goyle“ stellen, das fast schon kindisch daherkommt und wohl wie kein anderer Track das Label ‚age-appropriate‘ erhält. Etwas bestimmter und weniger verspielt ist da „Flipendo – The Bridge“. Mit seinem dominanten Streicher, dessen simple Melodie immer wieder ergänzt wird, treibt uns dieser Track ähnlich einer Mutter beim Ruf zum Mittagessen geradezu durch die Gänge und Korridore.

Bevor wir zum Highlight des Scores kommen, folgen noch ein paar nennenswerte Themes: Zum einen das pompöse „Quidditch Anthem“, das dem Film-Cousin nicht unüblich mit Fanfaren zum Spiel bläst, auch wenn mir hier John Williams Motiv deutlich besser gefällt. Gut, vergleicht man die Produktionsmittel liegen budgettechnisch vermutlich Welten zwischen den Ergebnissen, aber das muss ja nichts heißen. Zum anderen das wundervolle „Fireseeds“, das fast schon andachtsvoll den Gang über eine Wiese oder durch einen sommerlichen Wald orchestriert und Erinnerungen an unbeschwerte Kindheitstage wach werden lässt.

Weiter geht es mit den Kampf-Tracks, die deutlich stärker Soules Standardformel entsprechen und ihre Verwandtschaft zu seinen frühen Kompositionen wie Kotor, Neverwinter Nights und The Elder Scrolls nicht verleugnen können. „Willow Boss Level 1“ schlägt mit seinen dominanten Bläsern und dem Der weiße Hai-Takt exakt in diese Kerbe. Und auch „Peeves Chase“ kann trotz seiner etwas quirkigen Art die eigenen Ursprünge nicht leugnen. „Remember All Chase“ ist indes eine aktionsgeladene Variation des Main Themes, nähert sich in dieser Form aber stark beispielsweise „Rakghoul Attack“ aus Star Wars: Knights of the Old Republic an – was nichts Schlechtes ist, aber ein wenig den Zauber verblassen lässt.

Nach so viel Vorrede und tollen Gegenbeispielen ist es fast schon bezeichnend, dass mein Lieblingstrack aus dem Score wohl „Malfoy Fight“ darstellt. Für mich als Fan der brachialen Töne kombiniert dieser Track meisterlich das Zauberhafte dieses Spiels mit der Action. Dieser unmelodiöse Einstieg mit den wiederkehrenden ab- und dann aufsteigenden Bläsern, dann das schnelle Theme vom Glockenspiel, begleitet von den schrillen Fanfaren, hat etwas, das ich – wie man merkt – nicht in Worte fassen kann. Vielleicht ist mir dieser Track so im Gedächtnis geblieben, weil mein Herz in den Kampfszenen am schnellsten schlug. Für mich ist es einfach ein Stück weit Kindheit und das Gefühl lässt sich nicht mit Sternen und Zahlen ausdrücken. Auch wenn ich mir viele der Tracks nicht einzeln anhöre, ergeben sie gesamt betrachtet für mich ein stimmungsvolles Gesamtbild mit zahllosen Highlights.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Harry Potter und der Stein der Weisen

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Harry Potter and the Sorcerer's StoneJeremy Soule44/5
02Quidditch AnthemJeremy Soule44/5
03Chess MatchJeremy Soule22/5
04Green CauldronJeremy Soule33/5
05Malfoy FightJeremy Soule55/5
06Hogwarts DarkJeremy Soule22/5
07Devils SnareJeremy Soule22/5
08Flying KeysJeremy Soule22/5
09Quirrell 2Jeremy Soule33/5
10Hogwarts NeutralJeremy Soule44/5
11Peeves ChaseJeremy Soule44/5
12Remember All ChaseJeremy Soule44/5
13Story BookJeremy Soule44/5
14Troll ChaseJeremy Soule33/5
15Willow Boss Level 1Jeremy Soule44/5
16Fluffy IntroJeremy Soule22/5
17Quirrell 3Jeremy Soule33/5
18Hogwarts HappyJeremy Soule44/5

Harry Potter und der Stein der Weisen [Gamerip]

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Harry Potter and the Sorcerer's StoneJeremy Soule44/5
02Story Book*Jeremy Soule44/5
03Hogwarts Neutral*Jeremy Soule44/5
04A FireflyJeremy Soule33/5
05Flying LessonJeremy Soule33/5
06Hagrid's SecretJeremy Soule33/5
07The TrollJeremy Soule22/5
08Green Cauldron*Jeremy Soule33/5
09Hogwarts Dark*Jeremy Soule22/5
10FireseedsJeremy Soule44/5
11Quidditch Anthem*Jeremy Soule44/5
12Singing GhostsJeremy Soule33/5
13Quidditch SuiteJeremy Soule44/5
14InvisibleJeremy Soule33/5
15Malfoy Fight*Jeremy Soule55/5
16Making PotionJeremy Soule33/5
17The Troll v2Jeremy Soule33/5
18PhoenixJeremy Soule55/5
19Owl's KingdomJeremy Soule33/5
20GringottsJeremy Soule33/5
21Remember All Chase*Jeremy Soule44/5
22Peeves Chase*Jeremy Soule44/5
23GargoyleJeremy Soule33/5
24Troll Chase*Jeremy Soule33/5
25Malfoy FightJeremy Soule55/5
26Crabbe and GoyleJeremy Soule44/5
27Fluffy Intro*Jeremy Soule22/5
28Fluffy Is SleepingJeremy Soule33/5
29Devils Snare*Jeremy Soule22/5
30Quirrell 2*Jeremy Soule33/5
31Flying Keys*Jeremy Soule22/5
32Flipendo - The BridgeJeremy Soule55/5
33Chess Match*Jeremy Soule22/5
34Quirrell 3*Jeremy Soule33/5
35The Flying Keys 2Jeremy Soule33/5
36The Chess Game Version TwoJeremy Soule33/5
37VoldemortJeremy Soule33/5
38Harry Potter and the Sorcerer's Stone [Orchestral]Jeremy Soule44/5

*Track im Original Soundtrack enthalten

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