Fahrenheit
Erscheinungsdatum: 2005
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Angelo Badalamenti
Trackzahl: 37
Tragik + Thriller = Funk?
Dies ist die Music-Review. Hier gehts zur Game-Review.
Ich stelle mal die gewagte These auf, dass lineare Spiele mit einer hohen Scriptdichte eine packendere Geschichte erzählen können als Open-World-Games – sofern es denn gut gemacht ist. „Aber Mattis, was ist mit The Witcher 3: Wild Hunt?“ Da geht es doch vorrangig um die Spielwelt. Klar, wir laufen Ciri hinterher und erleben ein wunderbares Abenteuer mit Geralt, aber wir rutschen nie gespannt an den Rand des Stuhls möchte ich meinen. „Was ist mit Journey?“ Habe ich nicht gespielt, aber da schreiben wir unsere Geschichte ja selber. Wer also nichts zu erzählen hat oder nicht auf diese Form des Storytellings steht, guckt in die Röhre. „Schön und gut, aber warum erzählst du uns das am Anfang der Soundtrack-Review von Fahrenheit bzw. Indigo Prophecy, wie das Spiel im Original heißt?“ Vielen Dank Stimme aus dem Off, lass es mich erklären.
Die Musik von Fahrenheit ist ein richtiger Atmosphären-Bringer. Komponist Angelo Badalamenti, der sonst im filmischen beheimatet ist und unter anderem die Titelmusik des Serie Twin Peaks geschrieben hat, macht bei der Musik zum Spiel seinen italienischen Wurzeln alle Ehre und zeichnet durch den gekonnten Einsatz von Streichinstrumenten eine herrlich düstere Kulisse für das schneeverhangene New York im Spiel. In den Tracks schwing viel Traurigkeit und Melancholie mit, häufig erschlägt uns die schiere Masse der Saiteninstrumente, schwillt an zu einer ohrendröhnenden Wand der Traurigkeit, um dann zu verstummen und Leere zu hinterlassen – Beispiele hierfür sind das Main Theme Indigo Prophecy oder New York.
Auch wenn sie sich ähneln, gefallen mir die Themes der Protagonisten (Lucas’ Theme und Carla’s Theme) besonders gut. Während Carlas Thema mit dem gewohnten Aufbau beginnt und in der Mitte in eine düstere, fast schon bedrohliche Richtung schlägt, endet das Stück auf einer positiven, hoffnungsvollen Note. Lucas Thema auf der anderen Seite klingt bedrückend, leidvoll, und passt wunderbar zum Charakter aus dem Spiel. Die anderen Tracks von Badalamenti sind ebenfalls stimmig, Titel wie Do Something Now, das häufig in den temporeichen Entscheidungsmomenten genutzt wird, sorgen für thrillerhafte Action und erzeugen die nötige Dramatik. Ruhige, aber nicht minder urige Tracks wie Investigation und Talking to Marcus passen zum Spiel, sind ohne visuelle Begleitung aber eher langweilig.
Was hat das jetzt mit der linearen Story zu tun? Im Gegensatz zu den eingangs genannten Beispielen kann ein lineares Spiel durch inszenatorische Scriptevents und punktuelles Kontrollieren der Handlung filmreife Unterhaltung abliefern… und dabei hilft besonders gute Musik, die das Gezeigte unterstreicht. Das ist so weit bekannt, aber das muss der Entwickler erst mal hinkriegen. Und dann muss der Komponist nicht minder abliefern, damit aus etwas Gutem etwas Großartiges wird. Badalamenti gelingt diese Königsklasse, die Balance zwischen Klischee und Thrillerhaftem. Er schafft es, das Gezeigte stimmungsvoll ins rechte Licht zu rücken, unterstreicht die emotionalen Momente und füllt die Geschichte mit Suspense. Nicht nur das: Die leidvollklingenden Stücke können auch alleinstehend begeistern und zum Träumen oder Verzweifeln einladen.
Was noch zu erwähnen gilt, sind die Songs, die innerhalb des Spiels im Radio oder im Fernsehen laufen. Die sind ebenfalls Teil des Soundtracks und, zumindest zur Hälfte, eine Bereicherung meines akustischen Genussspektrums. Denn durch die Musik von Fahrenheit habe ich die Band Theory of a Deadman kennengelernt, deren Songs wie Say Goodbye und No Surprise ich für besonders hörenswert erachte. Umgekehrt ist auch die Musik des Charakters Tyler im Soundtrack, der als personifizierter 80er-Jahre-Funk solche Perlen wie Street Tough von Ben E. King oder Try It Again von Bobby Byrd hört. Absolut nicht meins, aber wer’s mag, findet dort bestimmt seinen Gefallen dran. Also insgesamt ein hörenswertes Paket, was vielleicht nicht gerade gute Stimmung macht, aber auf jeden Fall packt und berührt.
Nostalgiewarnung
Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Indigo Prophecy | Angelo Badalamenti | |
02 | Fahrenheit | Angelo Badalamenti | |
03 | New York City | Angelo Badalamenti | |
04 | Under Control | Angelo Badalamenti | |
05 | Do Something Now | Angelo Badalamenti | |
06 | Better Now | Angelo Badalamenti | |
07 | Carla's Theme | Angelo Badalamenti | |
08 | Investigation | Angelo Badalamenti | |
09 | The Witness | Angelo Badalamenti | |
10 | It's Time to Leave / Lucas' Nightmare | Angelo Badalamenti | |
11 | Lucas' Theme | Angelo Badalamenti | |
12 | And Now... | Angelo Badalamenti | |
13 | Marcus Calls | Angelo Badalamenti | |
14 | In the Park | Angelo Badalamenti | |
15 | Talking to Marcus | Angelo Badalamenti | |
16 | Chapters End | Angelo Badalamenti | |
17 | Lucas at Work | Angelo Badalamenti | |
18 | Visions of Aggression | Angelo Badalamenti | |
19 | Escape or Fight | Angelo Badalamenti | |
20 | Something Useful | Angelo Badalamenti | |
21 | No Time to Lose | Angelo Badalamenti | |
22 | Point of View | Angelo Badalamenti | |
23 | Face to Face | Angelo Badalamenti | |
24 | Fighting the Oracle | Angelo Badalamenti | |
25 | Ending | Angelo Badalamenti | |
26 | Santa Monica | Theory of a Deadman | |
27 | Say Goodbye | Theory of a Deadman | |
28 | No Way Out | Theory of a Deadman | |
29 | No Surprise | Theory of a Deadman | |
30 | Love T.K.O. | Teddy Pendergrass | |
31 | Street Tough | Ben E. King | |
32 | Hang It Up | Patrice Rushen | |
33 | Try It Again | Bobby Byrd | |
34 | Let It Crawl | Society's Bag | |
35 | Just an Illusion | Leee John | |
36 | No Good Man | Nina Simone | |
37 | Sandpaper Kisses | Martina Topley-Bird |