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Earth 2150

Erscheinungsdatum: 2000
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Maciej Pawłowski
Trackzahl: 40


Stilvolle Apokalypse

Nachdem ich den Vorgänger Earth 2140 in meiner Review aufgrund seines bizarr schlechten Soundtracks mit 1,5 Sternen abgestraft habe, könnte man meinen, dass sich dieser Trend beim direkten Nachfolger, Earth 2150, wiederholen würde. Dem ist nicht so. Zum einen, da ich Earth 2150 damals sehr gerne gespielt habe. Schließlich war es ein 3-D-Strategiespiel mit einer, für damalige Verhältnisse, guten Grafik inklusive Tag-Nacht-Wechsel (der sogar strategisch eingesetzt werden konnte), einem riesigen Forschungsbaum, kombinierbaren Einheiten und einem coolen Endzeit-Setting. Nostalgie ist also ein großer Faktor in dieser Rezension.

Zum anderen allerdings auch, weil nun Komponist Maciej Pawłowski das kreative Ruder in Händen hält. Der macht etwas ganz Verrücktes und liefert im GGegensatz zum ersten Serienteil einen ‚echten‘ Score ab. Wer mit dieser Aussage nichts anfangen kann, dem empfehle ich meine Music-Review zu Earth 2140 – es lohnt sich. Die Musik von Earth 2150 ist erfrischend kohärent, futuristisch und fängt den Spirit des Überlebenskampfes auf der Erde hervorragend ein. Außerdem sind die Fraktionen in ihren Instrumentalisierungen angenehm distinkt voneinander unterscheidbar.

Anders als noch beim Vorgänger, kämpfen 2150 nicht mehr nur zwei Parteien in Form der Panzer-liebenden Eurasian Dynasty (ED) und die United Civilized States (UCS) mit ihren Mechwalkern gegeneinander. Auch die Frauenwelt mischt sich nun mit verchromten Hoverfahrzeugen in den Überlebenskampf ein. Wie sich rausstellt, leben nämlich keine Space-Nazis auf dem Mond, sondern die matriarchalische Luna Corporation, in der Y-Chromosome nichts zu melden haben. Bevor wir uns aber der Frage ergeben, was angsteinflößender wäre – Mond-Nazis oder Space-Karens – gehen wir lieber zurück zur Musik.

Wie angekündigt verpasst Pawłowski allen drei Parteien angenehm unterschiedliche Motive und Klangwelten, die sich gemeinsam zu einer sehr hörenswerten Gesamtkomposition vermengen. Der Score ist hierbei recht simpel aufgebaut: Zuerst kommt das mittelmäßige Main Theme „Earth 2150“. Darauf folgen die Fraktions-Themen, wobei es sich hierbei nur um die wenig spannenden Auswahlsounds aus dem Hauptmenü handelt. Schließlich geht’s dann mit den eigentlichen Stücken richtig los, aufgeteilt auf die Fraktionen ED, LC und UCS. Die haben jeweils drei Tages- und Nacht-Themes, vier „War“-Tracks sowie einen Song für „Ambience“ und „Stats“ spendiert bekommen. Damit erreichen wir einen stattlichen Umfang von gut 40 Tracks.

An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es sich um den Score zum Hauptspiel handelt. Ob die Addons The Moon Project und Lost Souls mit eigenen Stücken versorgt wurden, konnte ich in meiner Recherche leider nicht in Erfahrung bringen. Von dem OST, der im Bundle mit der Earth 2150 Trilogy auf Steam verkauft wird, sollte man sich, ausgehend von den Rezensionen, wohl fernhalten. Denn neben Relabeling von alten Tracks aus dem OST, schnappt wohl wieder die Techno-Falle zu, in die schon Earth 2140 getappt ist. Will sagen: Wer seine Ohren liebt, der schiebt (das nicht in den Einkaufswagen).

Mit der Warnung ausgesprochen steht uns also endlich nichts mehr im Wege, diesen wirklich wunderbaren Soundtrack zu exhumieren. Generell gelingt es Pawłowski meisterlich, das Genre der Echtzeitstrategie packend mit dem (post-)apokalyptischen Sci-Fi-Setting der Marke Earth zu verheiraten. Die Musik baut eine raue, unfreundliche Atmosphäre auf, die vom bitteren Kampf der Rivalen, der Zerrissenheit und der Zerstörung der Natur kündet. Gleichsam besitzt jede der Fraktion eine Spur Heroik und Pathos, wie sie totalitären Großmächten wohl zusteht. Am besten hört man dies jeweils in den „Stats“-Tracks, die nach Spielende laufen.

Die Eurasian Dynastie, die sich (wenig überraschend) aus der Vereinigung ehemaliger Ostblockstaaten wie Russland, dem mittleren Osten und Asien zusammensetzt, klingt traditioneller, alteingesessener, oder auch rus(s)tikaler. Hier dominieren wuchtige Trommeln und Streicher, wodurch Tracks wie „Eurasian Dynasty Day 1“ und „Eurasian Dynasty Day 2“ militärisch klingen und etwas an Silent Storm erinnern. Gleichzeitig wird in „Eurasian Dynasty Day 3“ mit seinen hellen Glockenschlägen und dem Einsatz der E-Gitarre asiatisch angehauchte imperiale Gewalt proklamiert, die wir beispielsweise aus Command & Conquer: Generäle kennen.

Die „Night“-Tracks sind dagegen deutlich reduzierter und lassen etwas Suspense aufkommen, der in „Eurasian Dynasty Night 3“ durch den Einsatz von Synthies leicht konterkariert wird. Gegensätzlich dazu bricht in den „War“-Tracks erwartungsgemäß die Hölle los: Hier steht wieder klassische orchestrales Drama im Vordergrund, das an Komponisten wie Tschaikowski oder Wagner erinnert. In „Eurasian Dynasty War 1“ erklingen die Geigen wie ein wütender Hornissenschwarm, der begleitet von den Bläsern operesque Stimmung erzeugt. „Eurasian Dynasty War 2“ treibt uns mit seinem strengen Trommelrhythmus wie Sklaven auf einer Galeere vorwärts. Und in „Eurasian Dynasty War 3“ und „Eurasian Dynasty War 4“ tobt schlussendlich das volle Chaos, das in einer wilden Kakophonie die Unübersichtlichkeit des Gefechts illustriert.

Bleiben wir chronologisch und machen weiter mit der Luna Corporation. Die bringt ihren Raumfahreransatz spielerisch wie akustisch runter auf den grünen Planeten. Folglich enthalten die Stücke bei der LC Sci-Fi-Töne, also Synthies Marke Mass Effect wie in „Luna Corporation Theme“. Allerdings kommen auch andere Kniffe zum Einsatz, durch die vor unserem geistigen Auge Bilder einer kargen und verlassenen Mondoberfläche entstehen: „Luna Corporation Ambience“ hört sich durch das Zusammenspiel aus Glocken und knatternden Synthies fast schon friedhöflich an. „Luna Corporation Day 1“ und „Luna Corporation Day 2“ nutzen dagegen Beats, die Assoziationen mit einem Sonar oder Druckwellen auslösen, gleichsam durch den Einsatz von Streichern aber eine erhabene Schönheit besitzen und Erinnerungen an Spiele wie die späteren Anno-Teile oder Star Trek: New Worlds wach werden lassen.

Bei den „Night“-Tracks passiert erwartungsgemäß weniger, wobei mich „Luna Corporation Night 1“ zumindest entfernt an Command & Conquer: Tiberian Sun erinnert. Dieser Ruhe stehen schlussendlich die Kampftracks gegenüber, die allesamt treibend und dramatisch sind, allerdings mit Ausnahme von „Luna Corporation War 4“ etwas den Space-Charakter vermissen lassen. Stattdessen gehen sie, ebenso wie die Stücke der Eurasian Dynastie, eher in Richtung Klassik. Gut klingts allemal, einzig dass beispielsweise bei „Luna Corporation War 2“ erneut auf die wogenden Streicher gesetzt wurde, wirkt etwas ideenlos.

Kommen wir zu den United Civilized States, die, anders als der Name es vermuten lässt, nicht minder barbarisch und kriegstreiberisch als ihre östlichen und extraterrestrischen Konkurrenten sind. Tatsächlich ist die UCS musikalisch – zumindest, was die Tages-Themes betrifft – eher im Thriller-Segment einzusortieren. So erklingt in „United Civilized States Day 1“ die bekannte Tonfolge ‚Dies Irae‘, die auch in vielen Film-Scores Anwendung findet und ursprünglich im mittelalterlichen Choral für Begräbnisse verwendet wurde. Hier ertönt sie durch ein, an den Film The Shining erinnerndes, französischen Horn. Daran schließt sich ein mechanischer Rhythmus an, als wäre eine unaufhaltsame Maschine in Gang gesetzt worden – dunkel und bedrohlich.

Dieses Gefühl der Gefahr setzt sich in „United Civilized States Day 2“ fort, in dem wuchtige Beats wie die Schockwellen eines Fracking-Turms herüberrollen. Begleitet wird das Ganze von knarrenden E-Gitarren-Riffs, bevor die Dissonanzen der Streicher dazustoßen – wunderbar gemacht! „United Civilized States Day 3“ fällt mit seinem Intro aus Bongos, das in eine Rocknummer überleitet, schon wieder etwas ab. Die Mischung aus Suspense und Melancholie setzt sich in den Nacht-Tracks fort, die so oder so ähnlich locker aus Independence War 2: Edge of Chaos stammen könnten. Rund wird das Bild schließlich und wenig überraschend durch die „War“-Tracks, in denen Rock und Techno dominieren, was ein bisschen wie aus alten Action-Spielen à la No One Lives Forever oder TimeSplitters wirkt. Und dann ist der Score leider auch schon vorbei, was aufgrund der durchschnittlichen Tracklänge von 1,5 Minuten kaum verwundert.

Insgesamt bekommt man hier mehr geboten, als es zunächst den Anschein erwecken mag: Die einigermaßen trennscharfe Unterscheidung der Fraktionen sorgt für angenehme Variation, die klare Abgrenzung der Track-Kategorien macht derweil das Aufspüren von Favoriten leichter. Ebenso werten die Inkorporation und Intonation bekannter, klassischer Motive und Orchestrierungen den Score für ein solides, aber nicht überragendes Spiel, weiter auf. Von mir bekommt der OST zu Earth 2150  daher eine klare Empfehlung und stellt in meiner Wahrnehmung eines dieser seltenen Highlights dar, die wohl nur einer winzigen Gruppe von Spielerinnen und Spielern überhaupt bekannt ist.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Earth 2150Maciej Pawłowski33/5
02ED ThemeMaciej Pawłowski22/5
03LC ThemeMaciej Pawłowski33/5
04UCS ThemeMaciej Pawłowski22/5
05Eurasian Dynasty AmbienceMaciej Pawłowski11/5
06Eurasian Dynasty Day 1Maciej Pawłowski44/5
07Eurasian Dynasty Day 2Maciej Pawłowski55/5
08Eurasian Dynasty Day 3Maciej Pawłowski44/5
09Eurasian Dynasty Night 1Maciej Pawłowski33/5
10Eurasian Dynasty Night 2Maciej Pawłowski22/5
11Eurasian Dynasty Night 3Maciej Pawłowski33/5
12Eurasian Dynasty StatsMaciej Pawłowski22/5
13Eurasian Dynasty War 1Maciej Pawłowski55/5
14Eurasian Dynasty War 2Maciej Pawłowski55/5
15Eurasian Dynasty War 3Maciej Pawłowski55/5
16Eurasian Dynasty War 4Maciej Pawłowski44/5
17Luna Corporation AmbienceMaciej Pawłowski22/5
18Luna Corporation Day 1Maciej Pawłowski44/5
19Luna Corporation Day 2Maciej Pawłowski55/5
20Luna Corporation Day 3Maciej Pawłowski33/5
21Luna Corporation Night 1Maciej Pawłowski33/5
22Luna Corporation Night 2Maciej Pawłowski11/5
23Luna Corporation Night 3Maciej Pawłowski22/5
24Luna Corporation StatsMaciej Pawłowski22/5
25Luna Corporation War 1Maciej Pawłowski55/5
26Luna Corporation War 2Maciej Pawłowski55/5
27Luna Corporation War 3Maciej Pawłowski55/5
28Luna Corporation War 4Maciej Pawłowski44/5
29United Civilized States Day 1Maciej Pawłowski44/5
30United Civilized States Day 2Maciej Pawłowski44/5
31United Civilized States Day 3Maciej Pawłowski33/5
32United Civilized States Night 1Maciej Pawłowski33/5
33United Civilized States Night 2Maciej Pawłowski11/5
34United Civilized States Night 3Maciej Pawłowski22/5
35United Civilized States StatsMaciej Pawłowski22/5
36United Civilized States War 1Maciej Pawłowski55/5
37United Civilized States War 2Maciej Pawłowski55/5
38United Civilized States War 3Maciej Pawłowski55/5
39United Civilized States War 4Maciej Pawłowski44/5
40United Civilized States War 5Maciej Pawłowski44/5

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