Earth 2140
Erscheinungsdatum: 1997
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Joachim Schäfer, Dirk P. Hassinger
Trackzahl: 23
Unpassender Genre-Mix
Die Earth-Reihe vom polnischen Entwicklerstudio Reality Pump Studios war die europäische Antwort auf den Strategiespielhit Command & Conquer, die 1997, also zwei Jahre nach Tiberian Dawn, für MS-DOS erschien. Die Tatsache, dass heutzutage kaum mehr jemand die Marke kennt und sie vor fast 20 Jahren mit dem dritten Teil, Earth 2160, ihr unrühmliches Ende fand, sollte deutlichmachen, wie schlagfertig diese Antwort war.
Ich gebe unumwunden zu, dass ich vermutlich auch nichts von ihr wüsste, wenn der Nachfolger Earth 2150 nicht einer GameStar als Vollversion beigelegen hätte. Während ich sehr viel Spaß mit jenem Game hatte – genug wohlgemerkt, um sogar das verkorste Earth 2160 zu kaufen – kann ich absolut nichts zum Urvater sagen und stütze mein inhaltliches Wissen auf den Wikipedia-Artikel und ein kurzes Gameplay-Video.
Die Story ist hierbei schnell umrissen: Das Jahr ist (wenig überraschend) 2140, die Erde geht den Bach herunter und die Ressourcen werden knapp. Nach einem vernichtenden Atomkrieg kämpfen nun die zwei dominierenden Fraktionen in Gestalt der United Civilized States (UCS) und der Eurasian Dynasty (ED) gegeneinander. Das klingt nach C&C und sieht zumindest oberflächlich auch so aus. Top-Down-Perspektive, Basisbau, Einheiten kommandieren – kennt man.
Akustisch schlägt Earth 2140 derweil in eine deutlich andere Kerbe als sein großes Vorbild. Statt rockigen Riffs serviert uns der Komponist etwas, das sich nicht eindeutig verorten lässt. Ich sage bewusst ‚Komponist‘, da für mich nicht ganz ersichtlich wird, wer den Score denn nun geschrieben hat. Wikipedia sagt Joachim Schäfer, den wir beispielsweise aus Emergency: Fighters for Life kennen, andere Quellen wie Amazon Music benennen Dirk P. Hassinger. Da genau diese Frage bereits in einem Thread mit den Entwicklern auf Steam gestellt wurde und unbeantwortet blieb, entscheide ich solomonisch und akkreditiere einfach beide Künstler.
Dass hier zwei Personen am Werk waren, würde auch den musikgewordenen Fiebertraum erklären, der aus den Boxen erklingt. Es wirkt beinah so, als hätte man die Musik einer gemütlichen Aufbausimulation à la SimCity genommen, mit einem Best-of der 80er und 90er vermengt, in einen Mixer geworfen, auf DOS-Niveau runtergedampft und anschließend fürs Gefühl ein wenig Might & Magic dazugemischt. Besser kann ich wirklich nicht beschreiben, was hier vor sich geht.
Dabei kann ich nicht mal eindeutig sagen, ob mir gefällt, was ich höre, oder es sich um eine aberwitzige Kakophonie von Genres handelt, der die ahnungslosen Spieler damals ausgesetzt waren. Wenn ich nicht Gegenteiliges in einem YouTube-Kommentar gelesen hätte, würde ich beinahe bezweifeln, dass diese Tracks wirklich je im Hintergrund eines Strategiespiels gelaufen sind, in dem sich Mechs und Panzer mit Lasergewehren und Raketen von der Karte pusten. Ein schlechter Scherz hätte auch die miese Aufbereitung des OST erklärt, in dem Track 08 und 09 Black Tech identisch sind – aber immerhin gibt es ein echtes Album, für ein Spiel von 1997 ist das keine Selbstverständlichkeit.
Aber gut, glauben wir für den Moment, dass es sich hierbei wirklich um die zu bewertende Musik von Earth 2140 handelt, fällt es schwer, eine qualitative Aussage zu machen. Die Tracks an sich gehen schon in Ordnung – nur sind sie in dieser Sammlung als Album absolut inkohärent. Mal bekommen wir eine Technoparty wie in Child of 2140 oder 2140 zu hören, in der zu Beginn irgendwelche Vocal-Skits ablaufen, bevor es dann in Disco-Beats umschwenkt. Dann servieren uns Deep in the Bunker, Before the Battle und Bubbles‘ Revenge smoothen Jazz Marke Beverly Hills Cop oder Detective Conan.
Kaum einen Track weiter steht mit Hurricane dann Disco an, abgelöst von Synth-House in Black Tech und Dark Hip-Hop / House in Hope, das gefühlt über die Ambient-Tracks von Command & Conquer gelegt wurde. Noch nicht abgedreht genug? Kein Problem, denn es geht direkt weiter mit Electro-Funk in Form von The Hunt sowie den Balladen Everywhere und Birds. Letztgenannte wirken ihrerseits so, als wären sie dem Might and Magic-Universum entliehen. Gleiches gilt im Übrigen auch für Big Journey und Space, die mehr Fantasy statt Sci-Fi schreien.
Tatsächlich ist wohl der einzige Track, der zumindest zum Teil in das Stereotyp von futuristischer Strategiespielmusik fällt, der Theme Song Earth 2140. Der läuft während des fast sechs Minuten Introfilms im Hintergrund (bitte unbedingt gucken, es ist großartig schlecht) und könnte auch aus einem frühen Ableger der Soul Reaver-Serie stammen. Zum Abschluss gibt’s zusätzlich ein paar der Tracks in der instrumentalen Version, die tatsächlich besser sind als die Vocal-Versionen.
So bleibt mir jetzt nur das Schlusswort zu formulieren, was nach dieser Erfahrung nicht ganz leichtfällt. Ich bin gleichermaßen Freund von Experimenten wie Altbekanntem. Schließlich würde das Eine ohne das Andere nicht herausstechen und umgekehrt. Der Versuch bei Earth 2140 ist für mich wie eines dieser experimentellen Alben von Künstlern, die bestimmt irgendwo ihre Stärke haben, ihnen aber nicht genug vertrauen und sich deshalb hinter dem Mantel des künstlerischen Freigeistes verstecken.
Die Musik ist meiner Meinung nach unpassend gewählt und einem Sci-Fi-Strategiespiel nicht würdig. Vielleicht bin ich mit meiner Erfahrung von 25 Jahren spielerischen und musikalischen Fortschritts auch etwas zu harsch in meinem Urteil, schließlich war das alles für die damaligen Kreativen Neuland. Ich persönlich würde mir diesen OST aber nicht nochmal freiwillig antun. Vielleicht gegen Geld. Oder mit genug LSD intus. So wie in den 80ern und 90ern eben.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Earth 2140 | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
02 | Child of 2140 | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
03 | The Hunt | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
04 | Birds | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
05 | Deep in the Bunker | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
06 | Hurricane | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
07 | Before the Battle | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
08 | Black Tech | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
09 | Everywhere | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
10 | Bubbles' Revenge | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
11 | Big Journey | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
12 | Hope | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
13 | 2140 | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
14 | Space | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
15 | Earth 2140 [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
16 | Child of 2140 [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
17 | Birds [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
18 | Hurricane [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
19 | Before the Battle [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
20 | Total Control [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
21 | Everywhere [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
22 | Hope [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger | |
23 | 2140 [Instrumental] | Joachim Schäfer; Dirk P. Hassinger |