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Crysis 2

Erscheinungsdatum: 2011
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Borislav Slavov; Tilman Sillescu; Hans Zimmer; Lorne Balfe; Dynamedion
Trackzahl: 46


Blockbuster

Der Soundtrack zu Crysis 2 ist der Oberhammer! Und ja, diese Review beginne ich untypischerweise direkt mit diesem Fazit, einfach weil das Spiel im Vergleich deutlich weniger spannend ist – zumindest heutzutage. In einer Zeit um die 2010er war das Gameplay von Cryteks Sci-Fi-Shooter sowohl im Single-, wie auch Multiplayer wegweisend und ist bestimmt auch heute noch eine Empfehlung. Allerdings wurde dieses, zu jener Zeit noch neue, Feld mittlerweile längst von Games wie Titanfall, Wolfenstein und nicht zuletzt der Call of Duty-Reihe dermaßen ausdefiniert, dass USPs wie der Nanosuit einfach nicht mehr so ins Gewicht fallen.

Deshalb doch lieber direkt zu etwas, das wirklich herausragend war: die Musik. Damit beim hollywoodtypischen ‚Murrica-Weltrettungsorgasmus auch standesgemäße Klänge zum waffenbestärkten Patriotismus auffordern, wurde ein Quartett an Komponisten beauftragt. Den größten Anteil am OST hatte wohl Borislav Slavov, den man heutzutage am ehesten für seine Arbeit am fantastischen Baldur’s Gate 3 kennen dürfte. Nächster im Bunde ist Tilman Sillescu, der als leitender Komponist bei Dynamedion Scores wie denen von Anno 1800 oder SpellForce 2 Klasse verlieh.

Als wäre das noch nicht genug, stößt neben Schwergewicht Lorne Balfe (Assassin’s Creed III, Modern Warfare 2) auch noch Filmgroßmeister Hans Zimmer höchstselbst dazu. Die beiden, die auch schon bei anderen Projekten wie der Fluch der Karibik-Reihe, dem ersten Iron Man oder Madagascar 2 zusammengearbeitet haben, steuern zwar ’nur‘ sechs Tracks bei, doch die haben es in sich!

Darunter fällt zum einen das apokalyptische „Crysis 2 – Intro“ sowie das fast deckungsgleiche „Insertion“, die uns direkt in Epik einlullen. Das dramatische Kreischen der Streicher, die wuchtigen Percussions und dieser Break ins Theatralische schreien uns großklassiges Kinofeeling quasi entgegen. Gepaart mit den Dissonanzen entstehen schnell Bilder in unserem Kopf, die eines The Dark Knight würdig wären. Das passt perfekt zum Großstadtansatz von Crysis 2 und könnte durchaus gewollt gewesen sein, stammt der Score dazu doch ebenfalls von Zimmer.

Zum Alpha gehört natürlich auch noch das Omega, weshalb Balfe und Zimmer auch für „Epilogue“-Theme verantwortlich zeichnen, das, wie schon das Intro, herrlich grausam erklingt und ein fatalistisches Unwohlsein erzeugt. Anders als zu Beginn finden die Komponisten in diesem Fall jedoch die Schönheit, das Heroische und lassen den Track in der Mitte in eine Michael Bay-artige Bestimmtheit umschwenken.

Der Vollständigkeit halber seien noch „Nano-Catalyst“ (Terminator plus Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt), „Invaders“ (Ausschnitt des Main Themes) und „Under Siege“ (Variation des Main Themes) erwähnt. Die sind aber weniger prägnant als das spielfilmartige Theme, das es als „Epilogue“ sogar in meine Top 100 der besten Videogame-Tracks geschafft hat.

Nachdem wir die Beiträge der beiden Herren nun beleuchtet und damit den OST einmal umrundet haben, kommen wir zum Fleisch, zum Hauptbestandteil des Albums. Dieser kommt übrigens in vier Versionen daher, mit jeweils unterschiedlichem Namen und Umfang: The Original Video Game Soundtrack als Digital Release mit 31 Tracks, Be Fast! mit 15, Be the Weapon! mit 16 und The Original Videogame Soundtrack mit 46. Hier habe ich mich natürlich an der umfangreichsten Version orientiert, falls also manche Tracks nicht oder mit anderer Beschriftung auftauchen sollten, bitte nicht wundern.

Weiter also mit dem Score. Wie schon im Theme vorgelebt, bauen Slavov und Sillescu auf eine temporeiche Mischung, in der die Streicher als Bedrohungstreiber fungieren. Der Fokus liegt jedoch weniger auf Psychohorror und mehr auf übermächtiger Ernüchterung. Damit ist gemeint, dass wir über weite Strecken mit einer Art Ausweglosigkeit konfrontiert werden, mit dem Gefühl, dass alles den Bach runtergeht und unsere Taten ohnehin wirkungslos verhallen werden.

Besonders deutlich wird dies in Tracks wie „New York – Aftermath“, „Nanosuit 2 – Crynet Systems“, „Rising Spear“, „Semper Fi“ und „Murituri“, die mit wechselnder Instrumentalisierung (Klavier, Bläser usw.) und Intensität die verschiedenen Stadien der Apokalypse umreißen: Schreckenstarre, Ungläubigkeit, Verzweiflung. Dem gegenüberstehen mit gewaltigen Stücken wie „No Escape“, „SOS New York“, „Chase“ und „Intersection“ orchestrale Granaten, die an Spiele wie Dark Messiah of Might and Magic, Command & Conquer 3: Tiberium Wars und Metal Gear Solid V: The Phantom Pain erinnern und auch uns ins Gedächtnis rufen, dass wir nicht machtlos sind, dass wir die Welt (selbstverständlich) doch noch retten können.

Dieser emotionale Klangteppich wird durch weitere assoziationsanregende Tracks erweitert und komplettiert: „Crynet – Shoot Him Down!“ geht ebenfalls in die C&C-Richtung, klingt stellenweise jedoch ebenso nach dem Star Trek-Reboot von Michael J. J. Abrams (Music von Michael Giacchino). „Sinister Breed“ besitzt dafür Gears of War-Anleihen, während „Intersection“ echte Avengers-Vibes mitbringt. Generell lassen sich Parallelen zu vielen namenhaften Spielen und Filmen ziehen, wenn man denn wollte. Will ich das? Nicht zwangsläufig. Ich wollte mit den Beispielen lediglich die Brillanz des OSTs unterstreichen, der in meinen Augen für hochklassige Hollywood-Action im PC-Medium steht.

Fassen wir zusammen: Der Score zu Crysis 2 war für seine Zeit im Allgemeinen und für das Shooter-Genre im Speziellen wirklich ein Meilenstein. In kaum einen anderen OST hören wir so konsequent und gleichzeitig abwechslungsreich den Untergang einer Zivilisation musikalisch begleitet. Das Album wechselt lebhaft zwischen bedrückender und anspornender Endzeitstimmung und drückt dabei die unterschiedlichsten Knöpfe. Dabei bleibt es schockierend gleichförmig, ohne zu langweilen, ballert uns die Ohren weg, ohne zu nerven. Es ist wirklich ein Vorzeige-Album, das den zu jener Zeit noch etablierteren Film-Score in die Welt der Videospiele überführte. Einfach meisterhaft.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Crysis 2 - IntroHans Zimmer; Lorne Balfe55/5
02InsertionHans Zimmer; Lorne Balfe44/5
03Battery ParkBorislav Slavov55/5
04New York - AftermathBorislav Slavov55/5
05No EscapeBorislav Slavov55/5
06Close EncounterTilman Sillescu44/5
07SOS New YorkTilman Sillescu55/5
08ChaseBorislav Slavov55/5
09Under AssaultBorislav Slavov44/5
10Crynet - Shoot Him Down!Tilman Sillescu44/5
11Sneak and ShootBorislav Slavov44/5
12Gate KeepersBorislav Slavov44/5
13RampageTilman Sillescu55/5
14Nanosuit 2 - Crynet SystemsBorislav Slavov44/5
15Rising SpearBorislav Slavov44/5
16Dead Man WalkingTilman Sillescu44/5
17ContaminationBorislav Slavov33/5
18Sinister BreedTilman Sillescu33/5
19Dystopian NightmaresTilman Sillescu33/5
20Catastrophic BeautyTilman Sillescu33/5
21Semper FiTilman Sillescu44/5
22Flooded Streets - AquariumBorislav Slavov44/5
23In ObscurumTilman Sillescu33/5
24DevastationTilman Sillescu33/5
25ShadowzoneTilman Sillescu33/5
26Alien SuiteBorislav Slavov44/5
27Unsafe HavenTilman Sillescu33/5
28Terminal EscapeBorislav Slavov33/5
29Under the ClockTilman Sillescu55/5
30MorituriTilman Sillescu44/5
31IntersectionTilman Sillescu55/5
32Times Square - EvacuationBorislav Slavov55/5
33Burning NightBorislav Slavov44/5
34Resolution (Reprise)Borislav Slavov55/5
35Eye of the StormBorislav Slavov44/5
36New YorkBorislav Slavov44/5
37Our Only HopeBorislav Slavov44/5
38Out of the AshesTilman Sillescu44/5
39Alien LogoTilman Sillescu33/5
40The End of the BeginningBorislav Slavov33/5
41Walk in the ParkTilman Sillescu44/5
42EpilogueHans Zimmer; Lorne Balfe55/5
43One Way inBorislav Slavov44/5
44Nano-CatalystHans Zimmer; Lorne Balfe44/5
45InvadersHans Zimmer; Lorne Balfe44/5
46Under SiegeHans Zimmer; Lorne Balfe33/5

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