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Call of Duty

Erscheinungsdatum: 2003
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Michael Giacchino
Trackzahl: 13


Filmisches Kriegsdrama

Es gab mal eine Phase, da habe ich die Call of Duty-Reihe wegen seiner Kampagne gespielt. Für Kriegsdramen, die die Irrungen und Wirrungen eines sinnlosen Konflikts auf eine subjektive Ebene runterbrechen und mich teilhaben lassen an etwas viel Größerem. Und weil’s cool in Szene gesetzt war und ein bis dato unbekanntes Maß an gelungener Script-Action bot. Die Erstürmung der Normandie, der kalte Kampf in Stalingrads engen Straßen oder Panzerjagd in Afrika, all das wurde damals stimmungsvoll in Szene gesetzt und mit dem notwendigen Ernst behandelt. Das mag auch heute noch in Teilen zutreffen, trotzdem habe ich seit dem 2008er Call of Duty: World at War keines der Spiele mehr angefasst. Irgendwie war für mich nach dem gefühlt zwanzigsten Ableger die Luft raus.

Wer sich mit Games auskennt, dem wird diese Kritik nicht neu sein, schließlich wird der Reihe seit Jahren vorgeworfen, sie würde auf der Stelle treten, indem sie die immer gleichen Geschichten erzählt. Und wenn sie das nicht tut, dann wird der Spieler mit Zukunftsblingbling und America-Fuck-Yeah-Pathos überschüttet. Vorbei ist die Zeit des einfachen Soldaten, der irgendwie ums Überleben kämpft. Nein, jeder muss jetzt ein Held sein und coole Oneliner raushauen. Und wo früher eine Explosion noch etwas besonderes war, fliegt bei den modernen CoDs alle 20 Meter irgendetwas in die Luft. Die neuen Spiele versuchen krampfhaft, den Spieler mit größer, knalliger, epischer bei Laune zu halten, wie ein geschiedener Vater, der den Bezug zu seinem älteren Sohn verloren hat und ihm andauernd etwas ‚cooles Neues‘ zeigt, ohne darauf zu hören, was das Kind eigentlich möchte. Aber da der jüngere Bruder auf die Masche reinfällt und einem FIFA gleich jährlich die neuste Version kauft, funktioniert das System. Papa Activision ist glücklich und so dümpelt die altehrwürdige Ballerbude seit nunmehr Jahrzehnten auf erzählerischem Mittelmaß.

Das ist schade, liegt aber vielleicht nicht nur an der optischen Inszenierung. Was ich damit meine? Hier ein kleiner Blick hinter die Kulissen: Für meine Reviews höre ich vorher immer noch einmal den kompletten Soundtrack durch, um mir ein Bild zu machen. Würde ich heute die gleiche Wertung vergeben? Wie wirkt der Score in seiner Gesamtheit auf mich? Was sticht hervor? Gleichsam schaue ich im Netz nach interessanten Fakten und ob ich überhaupt einen Score oder einen Gamerip vor mir habe – klassische Journalistenschule eben. Dies tat ich auch eben diesem Soundtrack und war überrascht von dem, was ich hörte. Denn das war großartig.

Ich hatte keine hohen Erwartungen, denn meine ursprünglichen Bewertungen der einzelnen Tracks lagen bei 3-4 Sternen. Das sind beileibe keine schlechten Ergebnisse, aber sie reichen eben auch nicht, um in meiner Musikrotation zu landen. Darum konnte ich den Score erneut erleben und war begeistert. Nun muss ich vorweg schieben, dass die Musik der Call of Duty-Games schon immer sehr gut war. Das liegt vorrangig an den zahlreichen bekannten Komponisten, die für die Actionorgien schrieben: namenhafte Musikdompteure wie Lorne Balfe (Assassin’s Creed III), Jack Wall (Mass Effect) oder Sarah Schachner (Assassin’s Creed Origins), aber auch Filmgrößen à la Joel Goldsmith (Stargate), Harry Gregson-Williams (The Chronicles of Narnia) oder Hans Zimmer (so gut wieder jeder AAA-Kinofilm). Oder, wie in diesem Fall, Michael Giacchino, den man wie die zuletzt Genannten vorranging aus dem Filmbereich kennt.

Für mich ist Giacchino einer der besten Hollywood-Komponisten. Wer eine Begründung sucht, kann sich gerne mal eine Analyse seines Star Wars: Rogue One-Soundtracks ansehen, wo jemand, der viel mehr Ahnung von Musik hat als ich, erklärt, wie gut darin Großmeister John Williams emuliert wird. Hier soll es nun weiter um meine Kritik an Giacchinos Score für Call of Duty gehen, die viel enger mit meiner Kritik an aktuellen Spielen verwoben ist als der akustischen Ästhetik des Soundtracks. Gemeint ist, dass dieses Werk nicht nach einem Videospiel klingt und schon gar nicht nach einem der aktuellen Call of Dutys. Das mag widersprüchlich erscheinen, ist es doch der Soundtrack eines Videospiels, ergibt in Hinblick auf Giacchinos Filmhintergrund aber Sinn. Was wir hier hören, klingt nach Actionkino der 80er und 90er, nach Indiana Jones oder Star Wars … nach John Williams. Und damit eben nicht nach einem Michael Bay-Explosionsorgamus, sondern nach ‚klassischer‘ Unterhaltung. Nach Kino von damals. Damit meine ich nicht, dass ein Lawrence von Arabien besser unterhält als The Dark Knight, oder ein Star Wars Episode IV besser als ein Episode VIII – wobei … schlechtes Beispiel – sondern sie ein anderes Flair ausstrahlen.

Ich liebe moderne Soundtracks, sogar bei den ganzen Marvel-Filmen ist viel Schönes dabei, aber ich bin auch ein Riesenfan der Klassik und das bedient Giacchino in diesem Soundtrack perfekt. Die Tatsache, dass die Musik mit einem Studioorchester eingespielt wurde, verleiht dem Ganzen schon eine gewisses Grandeur. Wir hören Percussions, Bläser, Hörner, Trompeten und Geigen, die mal vereint und mal einzeln mit verschiedenen Motiven arbeiten. Motive, die sich über mehrere Tracks verteilen und wiederaufgegriffen werden, wie in „Red Square“, das auf einer walisischen Hymne von 1897 namens ‚Ebenezer‘ basiert. Insgesamt erfahren wir einen in sich geschlossenen Soundtrack, der 2003 eine Novität war und heute, 19 Jahre später und ohne das Spiel je gespielt zu haben, beim Zuhören begeistert. In einem Interview der Seite Gamespot sagt Giacchino selbst:

Ich habe das Gefühl, dass die Musik für die [Medal of Honor]-Serie eher im Bereich der Abenteuer angesiedelt war als im Bereich der Realität. Mit Ausnahme einiger weniger Stücke fehlte der MoH-Musik in den Momenten, in denen es um Kampfhandlungen geht, immer die Hässlichkeit des Krieges. Ich war wirklich der Meinung, dass die Musik von Call of Duty weitaus viszeraler und brutaler sein sollte. Ich wollte, dass sie das Chaos, das einen während des Kampfes umgibt, und auch die Millionen von Gebeten, die in den dunkelsten Momenten gesprochen worden sein müssen, besser widerspiegelt. Wenn ich mit Menschen spreche, die diese Erfahrungen überlebt haben, sprechen sie alle auf die eine oder andere Weise von der Vorstellung, dass man sich im Krieg im Auge eines chaotischen Sturms befindet und darum kämpft, nur einen kleinen Teil dieses Chaos zu kontrollieren. Es geht darum, sich unwohl zu fühlen, selbst wenn man die Oberhand hat. Heldentaten spielen nur in der Nacherzählung von Kriegsgeschichten eine Rolle. Ich möchte, dass Call of Duty mehr von der tatsächlichen Erfahrung des Krieges handelt.

Michael Giacchino über seinen Call of Duty-Score, Gamespot

Meiner Meinung nach hat Giacchino aus seiner Arbeit für das 2002 erschienene Medal of Honor: Frontline die richtigen Schlüsse gezogen und eine absolut vorzeigbare Komposition erstellt. Eine Komposition, die den Test der Zeit besteht und manche aktuellen Soundtracks ganz schön alt aussehen lässt. Deshalb für jeden, der bis hier her gelesen hat: Absolute Hörempfehlung! Und wer sich noch mehr für die Hintergründe und Inhalte der einzelnen Tracks interessiert, findet auf dem dazugehörigen Artikel der Webseite callofduty.fandom noch mehr Infos.


Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Call of DutyMichael Giacchino44/5
02PathfinderMichael Giacchino44/5
03Countryside DriveMichael Giacchino44/5
04Approaching the TirpitzMichael Giacchino44/5
05Below DeckMichael Giacchino44/5
06Stuka's and Flakvierling'sMichael Giacchino44/5
07Eder DamMichael Giacchino44/5
08Taking StalingradMichael Giacchino44/5
09Breaking ThroughMichael Giacchino44/5
10Ebenezer (Red Square)Michael Giacchino55/5
11Sewers Under StalingradMichael Giacchino44/5
12Tanks a LotMichael Giacchino44/5
13Pegasus BridgeMichael Giacchino55/5

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