Game Review,  MaybeGames

Overwatch 2

Erscheinungsdatum: 2022
Entwickler: Blizzard Entertainment
Genre: Egoshooter
Spieldauer: 625 Stunden (Overwatch 1 + 2)


Fortschritt durch Wandel?

Dies ist die Game-Review. Hier gehts zur Music-Review.

Nachdem mein Bruder zuletzt in die Bresche gesprungen ist, um die vakante Stelle der Games-Review zu befüllen, ist es Zeit, dass ich auch mal wieder etwas Spielebezogenes schreibe. Das war zumindest mein Gedanke, als ich mich vors Word-Dokument gesetzt habe. Nur über was? Neue Spiele habe ich lange nicht mehr angerührt, der Shortcut zu Hellblade: Senua’s Sacrifice liegt seit Wochen auf dem Desktop und hat ungefähr so viel Aussicht darauf, angemacht zu werden, wie ich im Club.

Aber ich bin doch gerade auf Jobsuche, habe also jede Menge Zeit, wie man vielleicht an der Flut von Music-Reviews sieht. Woran liegt’s? Und wie verbringe ich meine Zeit gerade überhaupt? Und da ist mir aufgefallen, dass ich tatsächlich doch gerade ein neues Spiel zocke: Overwatch 2. Dessen erste Season geht diese Woche zu Ende, was mir die perfekte Grundlage für eine Rezension des Status Quo bietet. Nur weshalb habe ich nicht gleich daran gedacht, über Blizzards Heldenepos zu schreiben?

Dafür muss man sich die Historie des Heroshooters anschauen, begründet in Overwatch von 2016. Ein großartiges Vollpreisspiel aus einer Zeit, als es noch Spuren der Hoffnung für altbekannte Blizzard-Qualität gab. Begleitet von einem fantastischen Soundtrack auf MCU-Level (hier geht’s zur Music-Review) bot das Spiel zur Veröffentlichung 21 Helden mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Spielweisen, aufgeteilt in die Kategorien Tank, Damage und Support.

Der Ablauf indes war vergleichsweise simpel und die Modi überschaubar. King of the Hill und Payload kannte man aus anderen Genrevertretern wie Team Fortress 2 bereits, weitere Spielmöglichkeiten wie Deathmatch oder 3vs3 konnte man im rotierenden Arcade-Modus ausprobieren. Das wirkt auf den ersten Blick restriktiv, durch den großen und abwechslungsreichen Mappool wurden die Partien allerdings so schnell nicht langweilig. Schließlich wurde selbiger über die Zeit erweitert sowie das Heldenroster auf über 32 aufgestockt, was immer neue Kombinationsmöglichkeiten in den 6vs6-Matches ermöglichte.

Motivation brachten auch die kosmetischen Anpassungen der Helden, die man ausschließlich durch Lootboxen erhalten konnte. Einen Skin, den man gerne haben wollte, direkt kaufen ging nicht. Stattdessen musste man Lootboxen erspielen oder sie mit Echtgeld erwerben. Das klingt erst einmal nach Geldmacherei, aber zum einen handelte es sich um rein kosmetische Inhalte, die das Spiel nicht beeinflussten. Zum anderen bekam man in regelmäßiger Häufigkeit besagte Boxen, wodurch man stets irgendetwas freigespielte. Ich persönlich habe nie dafür gezahlt und da das Spiel versuchte, Duplikate in den Boxen zu vermeiden, waren früher oder später zahlreiche epische und legendäre Skins für mich dabei. Und mit dem Geld aus den Duplikaten konnte ich mir auch etwas kaufen, wenn ich es denn unbedingt haben wollte.

Unter den 32 Helden findet sich etwas für jeden Spielertypen.

Der Kern von Overwatch war jedoch das Teamplay. Solisten konnten selten auf sich alleine gestellt gewinnen (Überflieger natürlich ausgenommen), das Schere-Stein-Papier-Prinzip griff. Während der Tank das Feuer auf sich zieht und sein Team beschützt, indem er den Feind beschäftigt, halten ihn die Heiler im Hintergrund am Leben. Zeitgleich flankieren die Damagedealer die Gegner oder unterstützen ihr Team auf andere Weise. Ein toller Spaß, der durch den geschickten Einsatz der Fähigkeiten noch gesteigert wurde. Skill, Taktik, Kommunikation und Kooperation – hier passte alles.

Das war zumindest meine Erfahrung mit dem Spiel, weshalb ich es über lange Zeit sehr gerne davorsaß, bis ein neuer Battlefield-Teil kam und die Spielerschaft, mich inkludiert, abwanderte. Wollte man dann vor ein paar Jahren wieder in Overwatch hineinschnuppern, starrte man auf Wartezeiten von 10 Minuten für bestimmte Rollen beim Matchmaking, bloß um dann von Übercracks plattgewalzt zu werden, die seit Jahren ihre Lebenszeit in die Perfektion ihrer Skills versenkt hatten.

So, kurz zusammengefasst, war der Vorgänger. Mit der Ankündigung von Overwatch 2 versprach Blizzard erst, alles neu zu machen und den Fokus auf PvE zu setzen. Eine Kampagne, die tiefer geht als die zahlreichen wenngleich isolierten Storyevents, die man immer mal wieder in Overwatch 1 spielen konnte. Gleichzeitig sollten die Spielfortschritte vom ersten Teil übernommen werden und der Multiplayer in den zweiten Teil übergehen. Nach einigem Hin und Her stand schließlich fest, was passieren würde: Die Server von Overwatch wurden abgeschaltet und die Fortschritte in Overwatch 2 übernommen. Der PvE-Modus sollte später nachgereicht werden, die Lootboxen waren Geschichte. An ihrer Statt trat ein Season Pass, wie es heutzutage wohl Pflicht ist, durch den wir milestoneartig Level aufsteigen und dabei Sachen freischalten. Die Matches werden statt mit zwölf Spielern nun standardmäßig mit zehn gespielt (ein Tank fällt weg) und zu guter Letzt ist das Spiel nun free2play.

Der neue Spielmopdus „Push“ gibt beiden Teams Chance zum Angriff.

Schöne neue Welt

Klingt für den ungeübten Zocker doch ganz gut: Viele Helden, ein Progressionssystem, free2play – also Overwatch für Umme? Falsch, denn Neueinsteigern stehen zu Beginn nicht alle Charaktere zur Verfügung! Die muss man sich mühsam erarbeiten und freispielen, kann sie aber auch gegen Echtgeld kaufen. Gleiches gilt für die Inhalte aus dem Battlepass, denn dort ist nur gut in jedem sechsten Level etwas für Nichtzahlende dabei. Wer kein Geld ausgeben will, bekommt also nicht nur einen Bodensatz der wirklich coolen kosmetischen Anpassungen, sondern muss auch zu Beginn auf eine große Auswahl an Helden verzichten – und das ist schlecht in einem Teamshooter, bei dem es darum geht, seine Strategie anzupassen und sich auf den Gegner einzustellen.

Nun bin ich, alleine schon aus Nutzersicht, kein Fan von Lootboxen im Allgemeinen. Ich habe sogar über das Thema meine Bachelorarbeit geschrieben, weil es mich damals so abgefuckt hat. Sie fördern gerade bei Jugendlichen den Hang zum Geldausgeben (Thema Glücksspiel) und werden deshalb von der Gamingindustrie sehr gerne als zufallsbasierte Karotte genutzt, um Spieler zum Investieren von Zeit und Kohle zu motivieren.

Neue Charaktere wie Junkerqueen werden in gewohnt qualitativ hochwertigen Spin-Off Videos vorgestellt.

Deshalb ist es umso ironischer, dass ich die Lootboxen bei Overwatch noch am harmlosesten fand: Kosmetische Anpassungen, die keine spielerischen Auswirkungen haben, sind für mich fine. Und dadurch, dass man sie quasi am laufenden Band freispielen konnte (ich glaube drei Partien ergaben eine Box) und durch sie die Chance auf legendäre Skins, Emotes, oder auch nur Ingamewährung hatte, fand ich das System tatsächlich echt fair. Andernfalls hätten vermutlich nur Shopnutzer in den Genuss optischer Varianz kommen können, so jedoch hatte ja quasi jeder was davon.

An die Stelle der Überraschungskisten ist ein Pass gerückt, bei dem man nur einen Bruchteil dessen erhält, was man in der gleichen Zeit für die Lootboxen bekommen hätte. Ich verstehe natürlich, dass das Spiel als free2play-Titel irgendwie sein Geld wieder einspielen muss, doch Overwatch war als Vollpreistitel ebenfalls erfolgreich und hat durch seinen Ingameshop vermutlich einiges eingebracht. Aber einiges ist heutzutage ja nicht mehr genug, also ersetzt man die Karotte durch eine Pistole und presst sie lieber auf die Brust des Spielers, als damit vor ihm her zu wedeln.

Der Battlepass lässt sich auch mit der erspielten Ingame-Währung kaufen. Nach ca. 100 Spielstunden habe ich davon 350 … also gut ein Drittel.

Innehalten statt Inhalten

Hätte ein Kaufpreis das Spiel gerettet? Vermutlich nicht, denn dann hätten deutlich weniger Leute zugeschlagen. Dabei ist der eigentliche Grund, warum Overwatch 2 nicht gekauft werden muss, noch nicht einmal die andere Form der Monetarisierung. Ich gehe davon aus, dass Blizzard dazu gezwungen war, das Spiel kostenlos anzubieten. Grund dafür ist der Mangel an neuen Inhalten. Wäre man gemein (und das waren viele Wertungsseiten im Netz), kann man das Game eher als einen Patch, ein Versionsupdate bezeichnen denn als wirkliche Fortsetzung. Dafür ist zu vieles beim Alten geblieben. Bis auf die oben angesprochenen Änderungen und die Zwei im Titel könnte man noch immer meinen, man spiele den Vorgänger.

Aber, und jetzt kommt mein großes Aber, auf das ich nach dieser Schimpftirade gewartet habe: das ist gut so. Ich mochte ja Overwatch, habe Stunden und Tage hineinversenkt, mit meinen Freunden gespielt und hatte über weite Strecken eine gute Zeit. Dass das Spiel nun in gewisser Weise eine Renaissance erlebt, macht mich sehr froh und ist Grund genug, weshalb ich schon wieder mehrere hundert Stunden in die erste Season gesteckt habe. Das Spielprinzip funktioniert einfach immer noch und viele der kleineren Anpassungen, wie das Entfernen von Stuns oder die Fähigkeiten mancher Helden, geben dem Altbekannten einen neuen Twist.

Als jemand, der der Reduktion der Spieler pro Match und der Limitierung auf einen Tank pro Team skeptisch gegenüberstand, bin ich jetzt der Meinung, dass der Schritt Overwatch 2 gutgetan hat. Wo man in Teil 1 noch darauf gewartet hat, dass sich die Ulti-Leisten füllen, nur um dann den einen spielentscheidenden Clusterfuck aufs gegnerische Team loszulassen, werden Einzelaktionen jetzt viel stärker belohnt. Fällt der Tank, muss man sich zurückziehen, das teils langatmige Stellungspiel des Vorgängers ist passé. Das kann man natürlich auch blöd finden, der Teamwork-Aspekt leidet meinem Empfinden nach aber nicht darunter. Im Gegenteil, nun ist man beispielsweise als Tank noch stärker an sein Team gebunden und kann diese Verantwortung nicht einfach seinem Klassenkameraden überlassen.

Overwatch-typisch wird die beste Aktion der Partie am Ende gezeigt. Hier hat sich die neue Roboterdame Sojourn hervorgetan.

Die Hoffnung ruht in der Zukunft

Kommen wir deshalb zum Fazit. Overwatch 2 hat seine Schwächen, denn es ist ein sechs Jahre altes Spiel, das mit ein paar Änderungen nun neu released wurde. Der Battlepass ist Mist, der PvE-Modus, der als Sellingpoint galt, fehlt. Ein neuer Spielmodus (der wirklich Spaß macht), eine handvoll Maps, drei neue Helden und ein paar Anpassungen der altgedienten Recken sind cool, grundlegende Änderungen zum Vorgänger gibt es indes nicht. Das hat jedoch auch seine Vorteile. Denn Overwatch war spielerisch großartig und ist es auch heute noch. Wenn FIFA oder CoD sich nicht mit jedem der jährlich erscheinenden Teile neu erfinden müssen, warum muss es dann der Blizzard-Shooter?

Meine Hoffnung ist, dass Publisher und Entwickler aufgrund der negativen Resonanz zu den von mir benannten Punkte das Konzept nochmal überdenken. Hoffnung bringt mir die Ankündigung, dass sie sich mit dem Thema beschäftigen wollen – allerdings erst in Season 3. Season 2 steht als nächstes an und bietet einen neuen Helden. Den muss man sich dann vermutlich erst über Wochen freispielen, oder gibt halt jetzt schon das Geld aus, um einen Vorteil gegenüber den anderen Spielern zu haben. Der Gedanke daran kotzt mich ein wenig an. Aber gut, vielleicht wird ja alles noch viel besser … irgendwann. So wie das immer der Fall ist.

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de_DEDeutsch