Outer Wilds

  • Infos
  • Trailer

Erscheinungsdatum: 2019

Entwickler: Mobius Digital

Genre: Action-Adventure

Spieldauer: 15 Stunden

Freiheit unter Sternen

Dunkelheit – Nichts. Nur eine Einblendung mit der Aufschrift „Erwachen“. Wir drücken den Knopf und unser Avatar öffnet die Augen. Über uns nur die Dunkelheit des Weltalls, das Leuchten ferner Sterne und Planeten. Vor uns ein Lagerfeuer und eine fremde Gestalt. Und dazu: Gitarrenmusik. Das ist der Einstieg in Outer Wilds, der wenig verspricht und die Stimmung des Spiels gleichsam direkt so gekonnt in Szene setzt.

Wie den vielen anderen Rezensent*innen fällt es auch mir schwer, etwas über dieses Indiespiel zu schreiben, ohne zu viel zu verraten. Denn Outer Wilds (nicht zu verwechseln mit Obsidians Sci-Fi-Abenteuer The Outer Worlds) ist Open-World im besten und im schlimmsten Sinne: Das Spiel sagt uns nicht, was wir zu tun haben. Das Spiel sagt uns auch nicht, wo es als Nächstes hingeht. Outer Worlds wirft uns einfach in sein Universum und sagt „Viel Spaß“.

So ganz stimmt das natürlich nicht. Überall finden wir Hinweise und alles, was wir sehen, können wir uns anschauen. In diesem Sinne würde ich Outer Wilds als No Man’s Sky im Sea of Thieves-Style beschreiben. Oder als das, was No Man’s Sky zu Beginn sein wollte – ein Universum, das es zu entdecken gilt. Da dessen Ergründung und das Verstehen von Outer Wilds den Kern des Spiels darstellen, kann man im Grunde nicht viel sagen, ohne schon etwas zu verraten.

Trotzdem möchte ich diese Review nicht aus reinem Selbstzweck schreiben, sondern ein wenig substanzielle Kritik äußern. Dafür komme ich nicht um ein paar Spoiler herum. Wer gar nichts über das Spiel wissen will und Lust auf eine Sandbox hat, auf das Erkunden und Navigieren des Weltalls und auf viel Lesen, der wird mit Outer Worlds seine Freude haben. Wer hingegen, wie ich, gerne von Questmarker zu Questmarker geführt wird, könnte seine Probleme mit dem Spiel haben … und zu denen komme ich jetzt. Denn so ganz fehlerfrei ist dieses sehr gelungene Abenteuer meiner Meinung nach leider nicht.

Spoiler

Auch wenn das Spiel eingangs recht ominös daherkommt, verstehen wir doch schnell, worum es bei Outer Worlds eigentlich geht: Das Universum ist in einer Zeitschleife gefangen und wir müssen herausfinden, warum. Dafür bleiben uns 22 Minuten. 22 Minuten, um die unterschiedlichen Schauplätze zu besuchen, Rätsel zu lösen und Hinweise zu finden, bevor wir wieder am Lagerfeuer erwachen.

Die Prämisse ist echt cool und stilvoll in Szene gesetzt, doch sobald wir diese technischen Umstände verstanden haben, verliert das Spiel meiner Meinung nach ein wenig seinen Zauber. Denn auf der Suche nach den Indizien müssen wir uns durch eine Menge Dialoge der Vorgängerzivilisation lesen und herausfinden, wie die Orte miteinander verbunden sind. Glücklicherweise gibt es dafür ein Logbuch, das die Informationen anschaulich aufbereitet. Alles vorgekaut bekommen wir aber nicht und müssen unsere eigenen Untersuchungen anstellen, um dem Geheimnis der Nomai auf die Spur zu kommen.

Um besagte Informationen zu finden, müssen wir mal mehr, mal weniger schwere Rätsel lösen, Hinweisen folgen und Gadgets benutzen. Das macht gerade zu Beginn sehr viel Spaß und Outer Wilds profitiert an dieser Stelle davon, dass es nicht zu überladen ist. Auch die Atmosphäre tut ihr Übriges. Obwohl das Spiel die Raumfahrt in simplerer Form simuliert, unterliegen wir auf unserer Reise Newtons Gesetzmäßigkeiten, wie beispielsweise das der Trägheit.

So nutzen wir die Schubdüsen unseres Raumschiffs und des Raumanzugs, um uns in der Leere des Weltalls bewegen zu können. Was am Anfang etwas ungewohnt wirkt, ist spätestens nach der ersten halben Stunde vergessen und das Hüpfen über Planetenoberflächen oder punktgenaue Andocken an Stationen wird zur Routine. Verletzungen oder Beschädigungen, die während dieser Erkundungen anfallen, können wir problemlos am und im Schiff fixen. Dort werden auch unsere Sauerstoff- und Jet-Reserven aufgefüllt.

Allerdings kann trotz des geringen Schwierigkeitsgrades Frust aufkommen, beispielsweise wenn wir etwas übersehen oder mitten in einer Erkundungstour vom Loop eingeholt werden. Schließlich bedeutet dies eine Wiederholung des ganzen Prozederes – manuelles Speichern gibt es nicht. Das kann, gerade zu Beginn, wo wir noch nicht wissen, was relevant ist, frustrieren und ist mein wohl größter Kritikpunkt an dem Spiel.

Umgekehrt belohnt Outer Worlds unseren Entdeckerdrang und bietet nette Geschichten und Schauplätze, die auch beim 10. Besuch immer noch flashen. Generell merkt man dem Spiel nicht an, dass es von einem jungen Studio programmiert wurde, das in seiner (seit 2019 noch sechsjährigen) Historie zuvor erst zwei Handyspiele herausgebracht hat. Mobius Digital hat hier eine kleine Liebeserklärung an das Genre der Space-Exploration-Games geschrieben, denn auch wenn Outer Wilds recht arcadig anmutet, ‚erden‘ Flugphysik und Schwerkraft das Ganze in der Realität.

Hinzu kommt der Blick fürs Detail: Die Planeten und Stationen, die wir besuchen, sind herrlich kreativ und zum Teil wunderschön anzusehen – und laufen dazu fast durchgängig flüssig! Natürlich wurde an manchen Stellen etwas getrickst, aber das Technikgerüst, auf dem das Astronautenabenteuer steht, scheint absolut solide. Die Grafik ist stimmig und passt zum eher kindlichen Stil, und auch an der Soundtrack-Front gibt es nichts zu meckern.

Also alles top? Eigentlich ja. Und trotzdem muss der Medienwissenschaftler in mir etwas meckern und mit Begriffen wie ‚Ludonarrativer Dissonanz‘ um mich werfen, also dem „inhaltlichen Widerspruch zwischen der Spielmechanik und der begleitenden Erzählung.“ Was meine ich damit? Ein Beispiel:

Die junge Lara Croft, die im 2013-Reboot Tomb Raider als verschüchterte Archäologin Schiffbruch erleidet und sich in bester Survival-Manier erst selbst verarztet, wird wenige Minuten nach diesem ereignisreichen Einstieg, verletzlich und verängstigt, von einem Eingeborenen entführt. Sie kann sich befreien und in einem Akt der Selbstverteidigung tötet sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Menschen. Panikattacke, Existenzkrise – all das erzählen uns die Zwischensequenzen. Doch kurz darauf bekommt Lara einen Bogen in die Hand gedrückt und beginnt so kommentarlos wie selbstverständlich einen Killingspree über die gesamte Insel. Dass wir gerade dutzende Menschen getötet haben, scheint im Gegensatz zur Einleitung gänzlich egal. Hier driften Geschichte und Gameplay auseinander, und genau das beschreibt die Ludonarrative Dissonanz.

Nun, wie bereits erwähnt, ist der Kern von Outer Wilds der 22-minütige Loop, den es zu ergründen gilt und der uns immer wieder an den Anfangspunkt des Spiels katapultiert. Natürlich gibt es im Grunde kein Narrativ in dieser Sandbox, sondern die Idee ist, dass wir unsere eigene Geschichte schreiben. Jetzt bin ich in meiner Welt ein mutiger Entdecker, der sich den Gefahren des Universums stellt und unerschrocken das Weltall bereist. Bloß lohnt sich die Reise zum nächsten Planeten, wenn ich sehe, dass ich beispielsweise nur noch vier Minuten auf der Uhr habe? Also was tun? Ich könnte zu einem der Lagefeuer fliegen und mich dort ausruhen, um die Zeit vorzuspulen, aber das müsste ich erst mal finden.

Seine Geschichte erzählt Outer Wilds über Nachrichten der Vorgängerzivilisation.

Oder ich kann mich umbringen: tiefer Sturz, ein Abstecher in die Sonne oder direkt ein Weltallspaziergang ohne Anzug – funktioniert alles gleich gut. Auf diese Weise kann ich innerhalb der Spielwelt einen neuen Loop starten … und nur so. Ich kann mich natürlich auch trotzdem auf den Weg machen und mich mitten in der Erkundung resetten lassen – aber wozu? Damit ich mich noch gehetzter fühle, als ich es bei einem 22-Minuten-Zeitfenster ohnehin schon tue und die Fortschritte ggf. wiederholen muss? Dann doch lieber ein schneller Neustart. Gut, ich könnte natürlich auch einfach ins Hauptmenü gehen, aber das fühlt sich falsch an. Die Tatsache, dass es meines Wissens nur diese Möglichkeiten gibt, um einen ‚frischen‘ Start zu forcieren, nervt mich.

Ich verstehe natürlich den Ansatz der Entwickler*innen und finde die Prämisse nach wie vor cool, allerdings hätte ich mir gewünscht, dass eine schlauere Lösung gefunden worden wäre. Denn so wählt mein Astronaut, so wähle ich, den qualvollen Freitod, was vollkommen konträr zur eigentlichen Idee, dem Überleben im Weltall, steht. Vielleicht bin ich hier etwas überkritisch und es ist ein reines Me-Problem. Aber dafür ist diese Review ja da, für meine Meinung.

Mein anderer, wichtiger Kritikpunkt, ist der oben benannte, konstante Zeitdruck. Denn in diesen 22 Minuten passiert an jedem Ort irgendetwas, und viele Dinge sind nur in einem bestimmten Zeitfenster möglich. Ich habe also nicht nur ständig die Uhr im Nacken, sondern muss manche Sachen zu Zeitpunkt x erledigen. Das sorgt dafür, dass wir auf den Planeten Dinge finden, die wir bei unserem ersten Besuch vielleicht verpasst haben. Umgekehrt besteht dadurch immer das Gefühl, möglichst effizient sein zu müssen und wir stellen uns gleichzeitig die Frage, ob wir wirklich alles entdeckt haben.

Fazit

Würde ich Outer Wilds deshalb nicht empfehlen? Natürlich nicht! Dieses Spiel hat es verdient, gespielt zu werden und sollte für jede*n, der oder die etwas mit der Weltall-Fantasie etwas anfangen kann, einen wohlgespendeten Groschen für ein aufstrebendes Entwicklerstudio darstellen. Wer umgekehrt gar keine Lust auf Sandbox, Zeitdruck, Texteschmökern oder Weltraum im Allgemeinen hat, wird vermutlich enttäuscht werden … aber warum habt ihr dann überhaupt bis hierhin gelesen?

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert