Game Review,  MaybeGames

Hades

Erscheinungsdatum: 2018
Entwickler: Supergiant Games
Genre: Rogue-Like
Spieldauer: 36 Stunden (80 Fluchtversuche)

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Höllisch gut

Hades ist in der griechischen Mythologie bekannt als älterer Bruder von Götterchef Zeus und Herrscher der Unterwelt. Weniger bekannt ist er dafür als Vater eines aufmüpfigen Teenagers, der nichts Besseres zu tun hat, als sich bei seiner Flucht durchs Totenreich zu kämpfen. Gemeint ist damit Zagreus, lässiger Prügelknabe und Protagonist des Rogue-Like/Rogue-Lite Spiels Hades. Als im Jahre 2018 erschienener Indietitel mauserte sich das Game von Entwickler Supergiant Games, der mit Titeln wie Bastion, Transistor oder Pyre bereits vorzeigbare Perlen gezaubert hatte, schnell zum Kritikerliebling.

Nachdem ich es mir 2021 für die Switch zugelegt und es mich über die Weihnachtstage in seinen Bann geschlagen hatte, fristete es seit damals ein Schattendasein in meiner Spielesammlung. Als ich es nun, ein Jahr später, erneut über die vergangenen Feiertage rausgeholt und es jetzt wirklich richtig durchgespielt habe, steht – mit deutlicher Verspätung – auch meine Wertung an, auf die die Welt schon sehnlichst gewartet hat. Nein, ich kann es recht kurz machen und mich der Allgemeinheit anschließen: Hades ist großartig. Warum? Das gibt’s hier zum Nachlesen und -vollziehen.

Ein Fest für Mythologen

Zur Hintergrundstory von Hades habe ich eingangs eigentlich schon alles gesagt – und eigentlich auch nichts. Als Basis dient die griechische Mythologie und deren Pantheon. Während die Götter auf dem Olymp regieren, Nektar und Ambrosia süppeln und die Geschicke der Sterblichen leiten, kümmert sich Gott Hades um das, was mit Sterblichen passiert, wenn sie ihren Namen zum Programm machen. Ganz im Sinne antiken Glaubens landen deren Seelen in der Unterwelt – je nach Taten zu Lebzeiten entweder im himmelsgleichen Elysium oder eben den feurigen Abgründen des Tartaros.

Dieser Pflicht kommt Hades natürlich nicht alleine nach, sondern hat diverse Gehilfen und Diener. Zur Seite steht ihm beispielsweise der dreiköpfige (und sehr drollig guckende) Höllenhund Zerberus, der den Eingang zur Unterwelt bewacht. Fährmann Charon schippert derweil die Seelen mit dem Boot über den Fluss Styx und die Erinyen Alekto, Megaira und Tisiphone (bzw. Furien, wie sie in der römischen Mythologie genannt werden) bestrafen besonders verdorbene Verstorbene. Die sind übrigens Kinder der Nacht, was nicht heißen soll, dass sie eine besondere Trinkfreude an den Tag legen, sondern von der tatsächlichen Nacht Nyx abstammen.

Man sieht schon, wer einen Faible für die griechische Mythologie und Götterwelt hat, kommt hier voll auf seine Kosten. Und dadurch, dass so ziemlich alles seinen eigenen personellen Vertreter hat, können wir uns auf Treffen mit allerlei Bekannten und Unbekannten freuen, von denen Sysiphos und Achilles wohl zu den ersteren zählen, während Theseus und Asterius vermutlich weniger geläufig sind. Und selbst Gevatter Tod, hier in der Form von Thanatos, begegnen wir.

Ich könnte jetzt noch Stunden weiter darüber schwadronieren, wer alles einen Auftritt hat, welche Götter auftauchen und wie wer zum wem im Verhältnis steht. Dass Hades die griechische Mythologie für seine Story adaptiert, die eine der wohl am besten dokumentierten, antike Geschichtensammlung darstellt, ist genial und hat schon bei anderen Marken wie God of War für erinnerungswürdige und Interesse weckende Momente gesorgt. Wer waren noch einmal Orpheus und Eurydice? Was hat es mit Ambrosia auf sich? Und warum ist Hades nicht gut auf Bruder Zeus zu sprechen?

Gerade am Anfang sind die Gegner mit wenigen Hieben zu besiegen.

Sinnvolle Spielwelt

Dabei – und das ist das Schöne – kann einem das Alles auch egal sein, denn in seinem Herzen ist Hades ein Spiel. Ein Rogue-Like, mit einem klaren Ziel und einem simplen Gameplay-Loop: starte, stirb, wiederhole. Werde besser, stirb seltener, wiederhole. Werde noch besser, stirb nicht, wiederhole. Wie eingangs erwähnt dreht sich die Story dabei um den adaptierten Zagreus, der als Sohn des Hades keine Lust mehr auf die immer gleiche Unterwelt hat und seine Verwandten auf dem Olymp besuchen will. Dafür muss er sich durch die verschiedenen Ebenen des Hades kämpfen – also der Welt, nicht seinem Vater. Stirbt er dabei, landet er wieder im Haus des Hades und muss erneut von vorne anfangen.

Dieser geniale Kniff ist es, der aus einem simplen Spielprinzip einen integralen Storypunkt macht. Denn anders als bei anderen Rogue-Likes erscheint beim Ableben nicht einfach ein Todesbildschirm, der uns danach zurück an den letzten Check- oder Ausgangspunkt entlässt, sondern wir werden sprichwörtlich zurückgeworfen vor die Augen unserer Freunde und unseres Vaters, die diesen missglückten Fluchtversuch entsprechend kommentieren.

Dass wir durch diese Repetition nicht gefrustet das Pad in die Ecke werfen, liegt zum einen an der Story. Denn auch wenn ich den Überbau oben bereits ausführlich beschrieben habe, ist er nur die Spitze des Eisberges. Nach jedem Neustart und während jedes Runs bekommen wir neue Informationen von den zahlreichen Gesprächspartnern, Dialoge werden also nicht stumpf zum wiederholten Mal heruntergespult. Stattdessen gibt es immer wieder interessante Wissensfetzen, durch die wir die coole Story von Hades peu à peu zusammenstückeln.

Nach meinem ersten erfolgreichen Durchlauf (ungefähr Versuch Nr. 40) hatte ich nur einen Bruchteil der Haupthandlung erfahren und noch längst nicht alle Boni und Unlocks freigeschaltet. Und selbst jetzt, nachdem ich die finalen Credits gesehen habe – nach wohlgemerkt 36 Stunden und dem 80. Versuch – erhalte ich immer noch neue Storylines. Wer effizienter spielt, wird bestimmt schneller zu dem Punkt kommen, an dem man nichts Neues mehr erfährt, aber für mich war der Umfang der Story eine willkommene Überraschung.

Papa Hades in seinen glücklichen Momenten.

Motivierendes Gameplay

Die andere, große Überraschung und Grund Nummer zwei, warum das Spiel trotz ständigen Neuanfangs nicht nervt, ist das eigentliche Gameplay. Auch hier ist das Grundprinzip gleichfalls einfach erklärt und weicht kaum von Genrestandard ab. Wir beginnen jeden Run mit der Auswahl einer Waffe, bestehend aus Schwert, Speer, Schild, Bogen, Fausthandschuhe oder Maschinengewehr (ja, ich weiß, hat mich auch überrascht).

Richtig los geht’s dann in der ersten Region, dem Tartarus. Später sehen wir noch die höllischen Lavaseen des Asphodel oder das himmlisch begrünte Elysium. Jede Region bereisen wir durch Kammern, in denen Gegner auftauchen. Sind diese besiegt, bekommen wir eine Belohnung und dürfen uns aussuchen, welche Kammer wir als nächstes nehmen. Wir können also in einem gewissen Rahmen bestimmen, welche Spezialisierung wir uns als nächstes schnappen. Nach circa zehn Kammern steht ein Bosskampf an. Gewinnen wir, geht es hoch in die nächste Ebene.

Das Kampfsystem ist dabei recht simpel gehalten. Wir können per Tastendruck dashen und verfügen über einen normalen Angriff, ein Special und den Wurf. Der Special beim Schwert ist beispielsweise ein starker AoE-Schlag auf den Boden, während er beim Bogen einen Volley erzeugt. Der Wurf indes feuert ein Projektil ab, von dem wir nur eine begrenzte Zahl haben und das im Gegner stecken bleibt. Supersimpel.

Bei den oben beschriebenen Kammerbelohnungen handelt es sich derweil um aktive und passive Kampffertigkeiten (sogenannte Boons), die jeweils einer Gottheit zugeteilt sind. Während uns die Göttin der Weisheit Athene mit Fähigkeiten ausstattet, um Schaden zu negieren oder Projektile zu reflektieren, gibt uns Partykönig Dionysos Flächenschaden und Dots. Andere Götter, die uns zur Seite springen, sind (um nur ein paar zu nennen) Göttervater Zeus, Meeresgott Poseidon, Jagdgöttin Artemis, Kriegsgott Ares, Liebesgöttin Aphrodite und Götterbote Hermes. Nicht nur können deren Boons in verschiedenen Raritätsstufen gefunden werden, sie lassen sich darüber hinaus auch noch miteinander vermengen – beispielsweise sorgt eine Kombination aus Athene und Dionysos dafür, dass feindliche Projektile langsamer fliegen, während Zeus und Poseidon zurückgeworfenen Feinden zusätzlich Blitzschaden zufügen.

Statt der Boons können wir uns auch für Gold entscheiden, das wir während des Runs im Laden von Fährmann Charon gegen weitere Verbesserungen tauschen. Außerdem lassen sich durch eine andere Belohnung die Effektivität unserer Boons steigern oder unsere Lebensenergie dauerhaft erhöhen, was insofern von Bedeutung ist, als dass sie unsere wichtigste Ressource darstellt. Denn ist die Lebensenergie bei null und haben wir keine Wiederbelebung mehr in petto, ist der Run vorbei und sämtliche gesammelten Boni sind futsch.

Aber da kommt ja das Rogue-Lite Element zum Tragen. Denn anders als bei einem Returnal verlieren wir eben nicht alles, was wir beim Fluchtversuch angehäuft haben. Unterwegs können wir nämlich auch die anderen Ressourcen finden, die uns im heimeligen Hades-Hub permanente Upgrades kaufen lassen: Mit Dunkelheitskristallen können wir im Spiegel der Nacht passive Boni wie extra Schaden von hinten oder zusätzliche Wiederbelebungen kaufen. Skelettschlüssel dienen uns derweil zum Freischalten von anderem Gelöt und mit Juwelen können wir Verbesserungen für unser Heim erwerben – die wiederum storyrelevante Fortschritte und spielerische Vorteile mit sich bringen.

Außerdem finden wir noch Diamanten für besonders wertvolle Unlocks … oder eben zum Freischalten kosmetischer Sachen wie eines neuen Hintergrundliedes. Mit dem Titanenblut können wir schlussendlich die verschiedenen Aspekte unserer Waffen freischalten und verbessern. Denn nicht nur gibt es sechs Waffen, die sich grundverschieden spielen, jede von ihnen hat noch einmal vier Versionen, die unterschiedliche Effekte mit sich bringen.

Während das Stygian Blade mit dem Aspekt von Zagreus Bonus Schaden und Bewegungsgeschwindigkeit liefert, gibt uns der Aspekt von Arthur die Fähigkeit, einen Bannkreis auf den Boden zu brennen, der feindliche Projektive verlangsamt und Fallen deaktiviert. So können wir also bereits vor jedem Durchgang unser Mordgerät personalisieren. Doch auch innerhalb des Runs gibt es noch zwei weitere Belohnungen, die uns den Marsch durch die Unterwelt vereinfachen. Da wäre der Hammer des Daedalus, durch den wir unserer Waffe besondere Eigenschaften geben können. So lässt er den Speer beispielsweise zwischen sieben Gegnern hin und her schnellen oder sorgt dafür, dass unser Gewehr nicht mehr nachgeladen werden muss – praktisch!

Die andere und jetzt wirklich letzte Belohnung, die wir finden können, sind Nektar und Ambrosia. Uns selbst bringt es zwar nichts, aber wir können es als Geschenk an unsere Gesprächspartner geben, wodurch wir einerseits weitere Dialoge und später sogar Romanzen freischalten, zum anderen erhalten wir zum Dank Talismane, von denen wir jeweils einen ausrüsten können und die Boni wie mehr Lebensenergie oder eine höhere Wahrscheinlichkeit auf seltenere Boons geben. Da diese durch gemeisterte Kammern im Level steigen, hatte ich erst kurz vor meinem letzten Run alle auf Stufe 3 und meinen inneren Pedanten befriedigt.

Alecto, eine der Furien und erste Endgegnerin, steht auf Schmerzen. Von anderen.

Suchterzeugender Sog

Falls es bis hierhin noch nicht klar geworden sein sollte: Hades steckt voller Inhalt und vor allem Personalisierungsoptionen. Allein die Tatsache, dass mir immer noch Sachen einfallen, die ich bisher nicht erwähnt habe, spricht Bände. Prophezeihungen, Chaostore, das Feuermeter. Auch die Grafik habe ich noch mit keiner Silbe erwähnt, dabei ist der Artstyle wirklich stimmig und auch wenn die Charakterportraits im Manga-Look auf den ersten Blick deplatziert wirken, fügen sie sich dennoch gut in das Gesamtwerk ein.

Es sollte deutlich werden, dass Hades trotz seines bescheidenen Anspruchs inhaltlich viel zu bieten hat. Es dauert Stunden, bis man alles gesehen hat und selbst dann hat man noch nicht alles freigeschaltet. Jeder Run ist belohnend und durch die Vielzahl an Boons, Upgrades und Kombinationsmöglichkeiten hat man selten das Gefühl, das Gleiche zu tun. Die Waffen sind abwechslungsreich, die Dialoge gut geschrieben und die Story um Zagreus, der eigentlich nur von seinem Vater Reißaus nehmen will, für ein Spiel dieser Art ausnehmend gut erzählt.

Ich wusste selber nicht, was mich erwartet und als jemand, der Spiele wie Dark Souls immer gemieden hat, war der Gedanke an ein sich ständig wiederholendes Game nicht sehr ansprechend. Doch das Einzige, was bei Hades ständig wiederkommt, ist der Gedanke: „Diese eine Runde noch. Dieses Mal schaffe ich es.“ Es ist unfassbar belohnend, gerade am Anfang, wenn man ein paar Räume mehr gemeistert, einen neuen Boss sieht, volle kanüte auf die Schnauze bekommt und es dann doch irgendwann schafft. Und später, wenn man nur noch müde lächeln kann und das Muster gänzlich adaptiert hat, mit einem neuen Build unbeschadet aus dem Gefecht hervorzugehen. Hades macht einfach Spaß und ich freue mich jetzt schon auf den kürzlich angekündigten Nachfolger.

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de_DEDeutsch