Medieval 2: Total War
Medieval 2:
Total War
06.12.2025
Eure Majestät
Die gestrige AnkĂźndigung von Total War: Medieval 3 ist nicht der Grund, weswegen ich heute diese Review schreibe ⌠auch wenn es ein schĂśner Zufall ist und sie mich voller Erwartungen zurĂźcklässt. Vielmehr juckt es mich schon seit Wochen, nein Monaten in den Fingern, eine ausfĂźhrliche Rezension zur Musik des besten Mittelalterstrategiespiels aller Zeiten zu schreiben. Denn das hat auch den (meiner Meinung nach) besten Mittelalter-Score, weshalb das dazugehĂśrige Album Platz 1 in meiner Top 10 medieval scores belegte â doch ich greife vor!
After trashing the predecessor Rome: Total War abgÜttisch geliebt hatte, war die Ankßndigung von Medieval 2 wie die Erfßllung all meiner Träume. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich den Preview-Artikel der GameStar verschlang und jedes Detail in mich aufsog: Ganz Europa und sogar Teile Amerikas kÜnnten erobert werden! Es gäbe neue Agenten wie Prinzessinnen, der Papst sollte eine Rolle spielen. Aber das, was fßr mich am stärksten hängenblieb, war die Tatsache, dass Städte in zwei Arten ausgebaut werden konnten: zur Ritterburg mit wenigen zivilen Gebäuden, dafßr jedoch einer starken Festung, oder als Metropole mit einer einfachen Mauer und hohen Einkßnften. Bis heute habe ich das dazugehÜrige Artwork im Kopf.
Anders als dieser Tage Ăźblich wurden die Versprechungen der Entwickler dankenswerterweise eingehalten und Medieval 2 war fantastisch. Klar, ein paar Bugs hier und da â nichts, was die später per CD installierten Patches nicht fixen konnten. GrĂśĂere Probleme wie die berĂźchtigt schlechte KI waren zu jener Zeit eher die Regel, weshalb sich auch dies verzeihen lieĂ. Generell gab es nichts, was meine Freude an dem Spiel hätte trĂźben kĂśnnen. Na ja, bis auf die Hardwareanforderungen, die mich dazu zwangen, die Einheitenanzahl nach unten zu schrauben â denn das hatte sogar balancetechnische Probleme in den Belagerungen.

Das genaue Warum zu erklären wĂźrde zu lange dauern, aber sagen wir mal, dass die VerteidigungstĂźrme unendlich Munition besaĂen und die KI gerne den Weg des geringsten Widerstands nahm. Waren Mauer oder Tor einmal durchbrochen, gab es eine Route, die konsequent erstĂźrmt wurde. Und wie man aus 300 weiĂ, braucht es nur eine geringe Anzahl Verteidiger, um eine riesige Anzahl Angreifer zu zermĂźrben. Wenn man also von Haus aus viele Soldaten in einer Einheit hat, braucht es weniger Verteidigertruppen insgesamt, um besagte Engstelle zu halten und die TĂźrme die Arbeit machen zu lassen.
Egal, das ist auch gar nicht meine liebste Erinnerung an Medieval 2. Die geht tatsächlich an eine Multiplayerschlacht, die an sich schon ein Highlight war, weilâs eben Multiplayer im Jahr 2006 respektive 2007 war. Aber nicht gegen irgendjemanden, sondern einen Freund von mir, genannt Marvin. Der war und ist bis heute ein Min-Maxer vom Herrn, der natĂźrlich die Franzosen in die Schlacht fĂźhrte, die mit ihrer Mischung aus Gendarmes-Kavallerie, abgesessenen Nobelrittern und Aventurier-ArmbrustschĂźtzen eine der besten Einheitenkombination aufs Schlachtfeld fĂźhrten. Da ich mir keinerlei Chancen gegen den 3,5 Jahre älteren Kumpel meines Bruders ausrechnete (der später Ăźbrigens per Stipendium zum Arzt aufsteigen sollte), wollte ich etwas ausprobieren.
Kurz zuvor hatte ich in meiner Singleplayer-Kampagne von den tĂźrkischen Janitscharen ordentlich auf den Sack bekommen, und da dachte ich mir: If you canât beat them, join them. Gesagt, getan. Es wurde also eine Full-Stack-Armee, bestehend nur aus erfahrenen und bestausgerĂźsteten Janitscharen in den Kampf geschickt. Doppelklick auf Marvins Armee, die sich sogar strategisch auf einen HĂźgel zurĂźckgezogen hatte, mit seinen Fernkämpfern in der hinteren Reihe und Kavallerie an den Flanken â und was soll ich sagen? Das war das letzte Mal, dass wir Medieval 2 gegeneinander gespielt haben.

Aber fßr mich war die Total War-Reihe ohnehin immer primär eine Einzelspielererfahrung, konnte ich während meiner Partien doch dem fantastischen Soundtrack lauschen, zu dem ich jetzt endlich komme. Komponiert wurde der, wie fßr die Reihe ßblich, von Jeff van Dyck, der dieses Mal Unterstßtzung von Richard Vaughan und James Vincent erhielt. Van Dyck, der die Reihe bis zum Shogun 2-addon Fall of the Samurai begleiten sollte, liefert fßr Medieval 2 Meisterklasse ab und beschwÜrt eine Mittelalterfantasie herauf, die zwar trotz Einbezug klassisch zeitgenÜssischer Instrumente nicht historisch akkurat sein dßrfte, aber was kßmmert das, wenn das Ergebnis so viel Bock macht?
Um dies zu erreichen, baut der Komponist auf dem Konzept des Vorgängers auf und teilt die 22 StĂźcke des Original Soundtracks bzw. die zusätzlichen 31 Tracks des Gamerips in die Bereiche beiläufiges Hintergrundgedudel fĂźr die Strategiekarte und gnadenlose Action in den Schlachten. Erfahrungsgemäà gefällt mir Letzteres besser, doch auch die Musik, die uns beim Verschieben unserer Truppen und der Planung unseres nächsten Kreuzzuges begleitet, kann durch ihre sanften (Lilly) wie bedrohlichen (Devil’s Harp) HarfentĂśne, Gitarren- (Field of Blood,Olivia) und FlĂśtenklänge (Peter the Piper) oder dĂźsteres Cembalo (Grey Meadow) unterhalten. Das erinnert an Spiele wie Beasts & Bumpkins oder entfernt an die Stronghold-Reihe, bleibt jedoch handzahmer und melodienarmer.
Dem gegenĂźber steht mit Amen ein stilvolles Theme, dessen MĂśnchschĂśre mit kirchlichen Gesängen (âHallelujahâ und âHosiannaâ intonierend) Mittelalterfeeling par excellence aufkommen lassen. Der Tracks vollbringt das KunststĂźck, bei einer Länge von 3:19 Minuten diverse Emotionen miteinander zu verweben. Es wirkt zu gleichen Teilen zurĂźckhaltend und bedächtig â bedrohlich und lauernd â hoffnungsfroh und fatalistisch, und wird zu guter Letzt abgerundet durch den Einsatz der FlĂśte, Gitarre und dem später einsetzenden Gesang eines einzelnen Jungen.

Dies lässt sich mit dem kirchlichen Element erklären, welches ins Spiel und damit auch in van Dycks Komposition in Form der Orgel, Kirchenglocken und Choräle Einzug hält: Diese dunkle, bedrĂźckende Macht, die die Geschehnisse jener Zeitepoche maĂgeblich mitbestimmte, hängt im Score häufig als musikalisches Damoklesschwert Ăźber den Tracks. Sie begleitet uns, leitet uns und erfĂźllt uns während der Schlachten mit Feuereifer. Sie ist die Determination, die unsere Einheiten und uns lenkt. Aber nicht wie bei Star Wars: Republic Commando, in dem uns der Männerchor in Vode An brĂźderlichen Zusammenhalt beschwĂśrt. Die Musik von Medieval 2 verspricht nie ErlĂśsung, sondern verlangt stattdessen unsererseits die Bitte um Vergebung.
Puh, das war tiefschĂźrfend. ZurĂźck zu den Tracks! Going Home, das tragisch traurige Did They Have to Die Here Today? oder das panischeNothing Left sind Beispiele fĂźr klassisch hochwertige Total War-Kost, während in Song for Toomba Erinnerungen an das erste Assassinâs Creed wachwerden. Andere StĂźcke wie Bladegrass, Secret Sandals, Octli, Call of the Sheep orSpirit Fingers, die vor der Schlacht laufen, sind dagegen im Dark-Ambient-Genre verortet, die wir aus Fantasyspielen wie Enclave , for example.
Nun wĂźrde ich gerne jeden der Titel mit allen musikalischen Eigenheiten und musikalischen Akzenten en dĂŠtail besprechen, das kĂśnnte sich aber etwas ziehen. Trotzdem mĂśchte ich mir die Zeit nehmen und jedem meiner Lieblinge und erwähnenswerten Werke aus OST und Gamerip eine âkĂźrzereâ Einordnung geben. Wer darauf keine Lust hat, dem empfehle ich jetzt schon mal, einfach in den Score zu hĂśren und sich selbst zu Ăźberzeugen! Also, letâs go:

- Duke of Death: Schon der zweite Track, Duke of Death, macht deutlich, wohin die Reise im Nachfolger geht: Schnelle, treibende Percussions, unterstßtzt durch die Streicher, lassen zunächst Rome-Feeling aufkommen. Dieses wird aber durch die mittelalterlichen Einflßsse wie Cembalo und Zither kontrastiert, bevor eine schnelle FlÜtenmelodie uns in die Schlacht treibt. Ein klasse Sog, der uns mitten ins Geschehen zieht!
- Solenka: Hier denke ich immer an das wuchtig-rhythmische Trommeln an Bord einer Galeere, wie ich es schon bei String Attack! for the first Age of Empires beschrieben habe. Nur ist die Musik dieses Mal keine Ruderbank, die sich gleichmäĂig vor- und zurĂźckbewegt; sie ist der Herold einer unaufhaltsamen Armee, einer gĂśttlichen Macht, die, von ChĂśren begleitet, vom unausweichlichen Untergang des Feindes kĂźndet. Unnachgiebig und durch die Glockenschläge verstärkt ist Solenka die glorifizierte Grausamkeit der KreuzzĂźge.
- This Is It: In die gleiche Kerbe schlägt auch dieser Track. Hier aber durch die Orgel und ChÜre dominiert, ist This Is It pragmatischer, aber ebenso dramatisch. Die Kirche mag Blut verlangen, doch wir sind hier wegen unseres Pflichtgefßhls.
- High Winds: Die andere Richtung, quasi den Orient zum Okzident, stellt High Winds dar. Das schreit uns durch seine Instrumentalisierung schon stereotyp âNaher Osten!â ins Gesicht, macht aber wegen seiner schnellen Rhythmen und dem An- und Abschwellen des Orchesters nicht minder SpaĂ als die Dramatik der westlichen GegenstĂźcke.

- Crack Your Head with a Tabla: War High Winds schon klassisch orientalisch, wirdâs mit einem meiner absoluten Favorites fast schon lächerlich: Crack Your Head with a Tabla macht einfach SpaĂ! Es ist schnell, es ist wild, es ist treibend und gleichsam melodisch. Kompromisslose Action, die Schlachten im heiĂen WĂźstensand vor unserem Auge beschwĂśrt, aber genauso gut das Treiben eines geschäftigen Basars begleiten kĂśnnte â während einer Verfolgungsjagd!
- Mare Nostrum: militärisch, treibend, systematisch. Dieser Track zeigt die kalte Effizienz unserer Truppen, die fĂźr unseren Ruhm Blut vergieĂt. Diese Kälte wird durch den Einsatz der FlĂśte und Akustikgitarre kontrastiert, die kurze Hoffnung auf Frieden versprechen, bevor die Armee vorrĂźckt.
- Lifted to the Hotplate: Klassisches Schlachtenchaos, das in dieser Form eher an den Vorgänger erinnert. In der Kategorie der guten Tracks ist dieser hier wegen seiner relativen GleichfÜrmigkeit einer der schwächeren.
- Destiny: Das, was wir hĂśren, bevor wir in die Schlacht ziehen. Destiny ist, wie der Name richtig besagt, unser Schicksal. Der Kampf steht bevor, er ist unausweichlich â auĂer wir klicken auf âRĂźckzugâ⌠Aber zwecks Narrativ ignorieren wir diesen Umstand jetzt mal. Wie schon bei beim Vorgänger gibt sich in We Are All One Ăźbrigens die Frau des Komponisten, Angela van Dyck, die Ehre und intoniert eine Version mit Text fĂźr die Credits.
- Crusaders: Während Solenka das Erhabene und This Is It das Unausweichliche symbolisieren, ist Crusaders das Ergebnis. Hektik, Dramatik, ein Auf und Ab â kennen wir schon aus Rome, ist hier aber nicht minder gut umgesetzt und fĂźr mich besser als Lifted to the Hotplate.

Und damit hätten wir den Original Soundtrack grundsätzlich und folglich abgeschlossen, gäbe es da nicht noch den Gamerip, der neben viel FĂźllwerk auch vier nicht minder spannende Tracks umfasst, die im OST leider fehlen. Allen voran das fantastische Time and Again. Das beschrieb ich in meiner Top-Liste als âInterpretation der christlichen Litanei Kyrie eleison, or in English Lord, have mercy on us, [âŚ][dessen] Ruf nach Gnade in einer todesverachtenden, bedrĂźckenden Marschmelodie mit dem Pendelschlag einer Standuhr [vermengt wird].â Oder anders: Uhrenticken trifft Kloster trifft meinen Geschmack.
Es bildet nach dem Intro die akustische Kulisse fĂźr unseren Erstkontakt mit Medieval 2, nämlich dem HauptmenĂź. Und wer die schattenrissigen Soldaten, die dort gesichtslos von links nach rechts Ăźber den Bildschirm marschieren, an sich hat vorbeiziehen sehen, dem wird es ob dieser perversen Mischung aus Gottespreisung bei gleichzeitig vĂślligem Fehlen jedweder Barmherzigkeit sicher einen Schauer Ăźber den RĂźcken gejagt haben ⌠oder zumindest dem Lektor dieser Zeilen âŚ
Dem gegenĂźber stehen mit The Widow and Duty traurige wie gleichsam hoffnungsfrohe Weisen, die das Schicksal der Hinterbliebenen nur erahnen lassen. AbschlieĂend ist Death Lullaby mit seinen Kastagnetten, Bläsern und Auf- und Abschwellen einfach ein schĂśner Action-Banger. Und mit diesen Worten mĂśchte ich diese Review nun auch offiziell beschlieĂen. Wer bis hierhin gelesen hat: Danke! Und wer bis hierhin gelesen und den Score noch nicht angehĂśrt hat: bitte anhĂśren!
Nostalgia warning
The rating of the individual tracks is purely subjective and clearly colored by my own experience with the game. You can find out more in the article About Nostalgia.
- Titel bereits im OST enthalten.






