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Assassin’s Creed Valhalla

Erscheinungsdatum: 2020
Entwickler: Ubisoft Montreal
Genre: Action Role-Playing Game
Spieldauer: 105 Stunden


Viel Valhalla, wenig Assassin’s Creed

Lange schien es, als würde es in der Welt gewisse Konstanten geben: Die Sonne zieht von Ost nach West, Bayern München wird deutscher Meister, Andreas Scheuer ist immer noch im Amt und ein jährlich erscheinendes Assassin’s Creed, das die gleichen ausgetretenen Serienpfaden wie seine Vorgänger beschreitet. Während die meisten dieser Dinge sich wohl auf kurze Sicht nicht ändern werden, wurde doch zumindest bei letzterem 2017 mit Assassin’s Creed Origins etwas Neues gewagt … nur um dann schnell wieder in alte Muster zu verfallen. Vier Jahre ist es mittlerweile her, dass Ubisoft das alte Spielprinzip über Bord geworfen und das Spiel von Grund auf neu aufzog hat. Gigantische Open-Worlds, Loot- & Levelsysteme, Skills & Perks, Quests und insgesamt weniger Abstergo-Zukunfts-Kladderadatsch. Spannende Ansätze, um der einst so großen Marke frisches Leben einzuhauchen.

Aber alte Liebe rostet ja bekanntlich nicht, weshalb Ubisoft schnell in gewohnte Muster zurückverfiel und innerhalb kürzester Zeit die Epen im antiken Griechenland Odyssee (2019) und zuletzt die normannische Wikingersaga Valhalla (2020) veröffentlichte. Und eigentlich hatte ich nach Odyssee mit der Marke um Templer und Assassinen abgeschlossen. Weil es einfach unfassbar langweilig war. Das knallig farbige Griechenland mit seinen durchs Mittelmeer getrennten Inseln war bereits nach wenigen Stunden eintönig, übermächtige Skills wie der Spartanertritt und die Selbstheilung nahmen den Kämpfen den Reiz. Genauso wie die mitlevelnden Gegner jeden Spaß am Besserwerden im Keim erstickten. Und dann war auch wieder mehr Abstergo- und Assassinengedöns in Form der Protagonistin Layla Hassan dabei, um einen unendlich komplizierten Plot um Götter, Kataklysmen und Reinkarnationen, den die Storyautoren vor Jahren mit dem Tod von Desmond gegen die Wand gefahren haben, irgendwie noch weiterzuspinnen. Klar ergibt das mit genug Hintergrundwissen auch irgendwie doch Sinn, wie diverse Erklärvideos von Leuten, die die Lore komplett durchblicken, beweisen. Aber das sind vermutlich die gleichen Personen, die dir nach 15 Jahren noch centgenau sagen können, wie viel Geld du ihnen schuldest. Brauche ich für mein Leben jetzt nicht so.

Das war auch mein Gedanke, als ich das erste Mal Bildmaterial von Valhalla bekam und es für einen Beitrag während meiner Hospitanz bei den RocketBeans zusammenschneiden sollte. Schon damals fiel mir auf, wie repetitiv das Gameplay aussah. Hatte sich trotz der angekündigten Features wie Belagerungsschlachten, Flussraubzüge und dem üblichen Tamtam scheinbar kaum etwas im Vergleich zu Odyssee getan? Sollte es das gleiche Schnarchfest werden wie die Geschichte um Alexios und Kassandra? Eigentlich wollte ich keine Antwort darauf, bis sich ein Freund das Spiel trotz meiner Warnung holte und es dann halt verfügbar war. „Gut“, dachte ich mir, „kannst du wenigstens Musik bei bewerten“ – ein Kredo, nach dem ich nach wie vor zu viel meiner Freizeitgestaltung ausrichte. Jetzt, ziemlich genau 105 Stunden später, habe ich alles in East Anglia, Norwegen und Vinland (Amerika) gesehen, jede Miniquest erfüllt und alle Landstriche von Geheimnissen, Artefakten und Schätzen befreit. Und bin bereit für ein Urteil, das ich nicht erwartet hatte: Das Spiel ist spielbar. Was das bedeutet, erkläre ich jetzt.

Von Wikingern und Walisern

Beginnen wir, wie das Spiel auch, ganz vorne bei der Story. Nachdem im letzten Assassin’s Creed wahlweise Alexios oder Kassandra ihre Familie wieder zusammenführen (ups, Spoiler!), entscheidet sich Valhalla den Weg zu begehen, der schon so vielen Protagonist*innen eine glückliche Kindheit verwehrt hat. Wir erleben einen schicksalhaften Abend in der Kindheit unseres Zöglings Eivor, dessen Geschlecht wir wieder frei wählen können. Während eines Festes wird unser Wikingerdorf überfallen, Mama und Papa sterben und wir überleben mit unserem Sigurd, einer Art älterer Bruder, als einzige den Angriff. So weit, so Klischee. Kurz darauf setzt uns das Spiel als erwachsene Eivor (wie bei Odyssee wählte ich die weibliche Protagonistin) im eisigkalten Norwegen aus und lässt uns eine kurze Badass-Einlage später die Crew unseres Drachenboots retten. Damit können wir wie bereits in Odyssee die Weiten der Ozeane erkunden, wenngleich es zunächst nur durch ein paar sehenswerte Fjorde und vorbei an schneeumtosten Gebirgen geht.

Die Story nimmt ihren gewohnten Gang, wir lernen Sigurds Vater und unseren Adoptivvater, Styrbjorn Sigvaldisson, den König des Raven-Clans, kennen, der sich aber kurz darauf Harald Fairhair unterwirft. Dieses kampflose Waffenstrecken gefällt den Heißspornen Eivor und besonders Sigurd nicht, weshalb die beiden sich von ihm lossagen und mit einer treuen Crew auf den Weg ins mittelalterliche Ostengland machen. Dort versuchen wir unseren Einfluss in dem zur damaligen Zeit noch zersplitterten und von dänischen und sächsischen Königen regierten East Anglia auszuweiten.

Gameplaytechnisch erleben wir so in jeder Region eine Storyline, an deren Ende wir einen Verbündeten für unseren Clan sichern. Wie in der Assassin’sCreed-Reihe üblich treffen wir dabei immer wieder historische Figuren wie die Oswald, Ceowulf II von Mercia oder Aelfred den Großen. Wer aber in Valhalla alle Namen der Herrscher und Hoheiten den Vorbildern zuordnen kann, wird mein nächster Telefonjoker. Zurück bei Sigurd und Eivor wird das Spiel nicht müde, zu erwähnen, was für eine großartige Freundschaft die beiden verbindet. Und schon nach kurz Zeit bestätigen sich durch eine Prophezeiung unser popkulturell genährten Befürchtungen, dass diese Beziehung wohl irgendwann in die Brüche gehen wird. Schade, sie waren so süß zusammen.

Schaffe schaffe, Dörfle bauen

In England dürfen wir auch direkt die neuen Features bestaunen, die Valhalla von Odyssee unterscheiden. Zunächst gib es jetzt Housing in Form eines Dorfes, dass wir mit gefundenen Baumaterialien upgraden können. Upgraden heißt in dem Fall, dass wir Hütten wie einen Händler für Jagdtrophäen, einen Tätowierer zur Charakterpersonalisierung oder eine Anglerbehausung zum Freischalten der Angelfertigkeit, bauen können. Baumaterialien finden wir meist durch Quests oder auf Raubzügen. Da die zu findende Anzahl aber feststeht, können fleißige Sammler nicht binnen weniger Stunden die Siedlung aufs höchste Level pushen, sondern ihr im Verlauf der Handlung sukzessive beim Wachsen zusehen.

Damit Akkumulationsjunkies trotzdem auf ihre Kosten kommen, gibt es neben diesem uninspirierten Scheinfortschritt allerlei Dinge zu sammeln. Wie schon in den Vorgängern ist die Spielwelt in Regionen aufgeteilt, die uns anzeigen, wie viele Schätze, Quests und Artefakte von uns noch unentdeckt sind. Dankenswerterweise wurde dabei einer meiner größten Kritikpunkte an Odyssee zurückgenommen und Sektoren wie bei MMORPGs oder Origins auch wieder mit Leveln begrenzt – wohl ein notwendiges Übel für ein Rollenspiel mit Leveldynamik. Anders als beim direkten Vorgänger bleiben die Gegner stets ein wenig unter unserer Fähigkeitsstufe. Während man in Griechenland also immer entweder unterlegen oder en par mit dem Feind war, wischen überlevelte Freischäler mit den Gegnern in den Anfangsgebieten zwar nicht den Boden auf, genießen aber einen deutlichen Vorteil. Warum hier keine Onehit-Mechanik abseits des bekannten leisen Erdolchens drin war, erschließt sich mir nicht. Schließlich ist es nach wie vor unbefriedigend, einen Gegner mit drei Schlägen die Lebenspunkte wegzukloppen. Und als stämmiger Wikinger mit einer Zweihandaxt in der Hand darf ich doch zumindest erwarten, dass schon der erste Treffer nicht mehr zum Aufstehen einlädt.

Zurück zum Sammeln. Wie bereits erwähnt schalten wir Händler in unserem Dorf frei, bei denen wir Loot gegen Nützliches eintauschen können. Eine gut gemeinte Mechanik, die der Enttäuschung aus den Vorgängern vorgreifen soll, bei denen das Finden von Garn, Tierinnereien und Kreiseln kaum zur Motivation beim Erkunden beitrug. Allerdings sind die gesuchten Kombinationen aus Tierkrallen, Federn und Fellen teilweise so bescheuert, dass ich in meinem ausführlichen 100%-Durchlauf ohne gezieltes Jagen gerade mal einen (!) der Aufträge erfüllt habe. Und hier spreche ich nur von der Jagd auf dem Land, vom Fischen will ich gar nicht anfangen. Obwohl doch, jetzt wo ich daran denke … Welcher grenzdebile Spieleentwickler ist eigentlich mal auf die Idee gekommen, dass Fischen, der Sport der Schach extrem wirken lässt, ein spaßiges Spielelement sei? Mal ehrlich, ich kann mir 50 Minispiele ausdenken, die mir mehr Spaß machen als digital einem Kiemenatmer beim Selbstmord zuzuschauen, um ihn dann durch frenetisches Buttongemashe auf immer gleiche Weise aus dem Wasser zu ziehen. So einen Mist braucht wirklich niemand, besonders dann nicht, wenn er für die Erfüllung mancher Quests notwendig ist.

Habe ich Quests gesagt? Pardon, das nennt sich in Assassin’s Creed mittlerweile World Events. Die nehmen sich größtenteils nicht allzu ernst und schwanken qualitativ zwischen ‚Gib deinem Gesprächspartner 10 Silber‘ und teils kreativen Geschichten mit einer Spur von Tiefe. So tragen wir z.B. nacheinander einen unausstehlichen blinden Mann auf einen Berg, der sich von der Quelle Heilung erhofft. Ein paar Meter weiter stoßen wir auf einen anderen, freundlichen, aber gelähmten Wanderer – wie beide bis zum Fuß des Berges gelangt sind, sei dahingestellt. Oben angekommen stellen die Pilger fest, dass sie sich gegenseitig komplettieren, und so trägt der Blinde den Gelähmten. Das ist nicht oscarverdächtig, aber eine nette Abwechslung zum „Bring mir 10 Sackhaare von mutierten Nacktmullen“.

Meine Lieblingsquest war übrigens eine alte Dame, die uns am Grab ihrer verstorbenen Katze darum bittet, Erinnerungsstücke derer aus ihrem Haus zu holen. Da das aber vollgerümpelt ist, müssen wir uns zunächst mit unserer Waffe einen Weg durch das Dunkel bahnen. Kaum ist der erste Schlag getan, fliegt mit einem Fauchen eine Katze tot in die Ecke – ups! Von draußen kommt die Stimme der Frau: „Ach, da drin sind ihre Kinder. Ich hoffe ihnen geht es gut!“ „Ja ja, alles gut!“ antworten der peinlich berührte Eivor und bahnet sich weiter einen Weg, um an die Gegenstände zu kommen. Auch wenn wir es versuchen, die einzige Möglichkeit die Sachen zu beschaffen, besteht im rigorosen Wegbahnen mit Waffengewalt. Als wir schließlich alles in der Hand haben, liegt auch das letzte Kätzchen tot in der Ecke und wir verabschieden uns schnell von unserer Auftraggeberin. Solche unerwarteten Gags sind eine willkommene Abwechslung, wenn auch selten.

Orlog ist ein fiktionales Würfelspiel, das besonders durch die Blödheit der gegnerischen KI zum simplen Zeitvertreib wird.

Historische Ungenauigkeiten

Halt. Hat er vorhin von einem männlichen Eivor gesprochen? Jawohl, denn nach gut 10 Stunden ging mir trotz generell sehr gutem Voiceacting die englische Sprecherin der weiblichen Eivor dermaßen auf den Sack, dass ich kurzum das Geschlecht gewechselt habe … also im Spiel. Das geht dieses Mal zu jederzeit, was ich für eine gute Entscheidung halte, die aber gleichsam auch ein Problem mit sich bringt, vor dem viele aktuelle Spiele derzeit meiner Meinung nach stehen: Inklusion. Dazu meine unqualifizierte Meinung: Nicht jeder Charakter muss bi sein. Da, ich habe es gesagt. Ich finde es gut, dass wir in einer aufgeklärten Zeit leben, in der Homosexualität, Gleichberechtigung und LGBTQ keine Randthemen mehr sind. Ebenso, dass auch in Videospielen das Thema des binären männlich-weiblich-Standards aufgebrochen wird, damit jeder sich entsprechend repräsentiert fühlt.

Dennoch bin ich immer sehr an einer historisch korrekten Darstellung der Vergangenheit interessiert. Da störe ich mich genauso daran, dass Feuerpfeile ein Ding sind und überall Hochexplosives herumsteht, wie an einem fanatischen Christen, den wir als männlicher Eivor umgarnen können. Klar, am Ende ist es ein fiktionales Werk, das an die Realität nur windschief angelehnt ist. Und ein schwuler Christ ist mit Blick auf die Schlagzeilen der jüngsten Vergangenheit, mit denen die katholische Kirche auf sich aufmerksam gemacht hat, noch einer der realistischen Aspekte. Aber ich hoffe, man versteht meinen Punkt. Das ist wieder so ein Generation Keine-Entscheidung-bitte-ich-will-alles-machen-können, das nicht zu einem Rollenspiel passt. Wenn du X machst, geht Y nicht mehr. So ist das nun mal … egal, ich drifte ab.

Ich habe ohnehin noch genug zu schreiben, selbst wenn ich keine sozialkritischen Themen anschneide. Und nach viel Motzen möchte ich auch mal wieder etwas Positives hervorheben. Das ist bei Valhalla eindeutig die Spielwelt. Diese gigantische und meiner Meinung nach zu große Abbildung des mittelalterlichen Englands ist über weite Strecken eine wahre Augenweide – zumindest die Landschaften. Die Ausflüge ins mystische Asgard samt Regenbogenbrücke und Jotunheim sind da nur die Spitze des ewigen Eisberges. Wenn die Wolken über die saftig grünen Felder von Wessex ziehen, wir im schottischen Norden den Hadrianswall besuchen oder die düsteren Wälder und Weiten des Dartmoors erkunden, spielt Valhalla mit den Atmo-Muskeln, wie es zuvor Origins mit den Pyramiden tat. Schöner und vor allen Dingen umfassender kann man ins historische England nicht abtauchen und Kindheitserinnerungen an die Fernsehsendung Mystik Knights wach werden lassen. Leider beginnt diese Fassade sehr schnell zu bröckeln, wenn Menschen dazu kommen. Oder eben auch nicht. Während auf den Weiden und Feldern allerlei Nutzvieh hausiert, ist abseits der Städte auf den Straßen nichts los. Wenn wir draußen mal jemand treffen, sind es entweder Soldaten, Banditen oder Questgeber. Wirklich lebendiges Mittealter sieht anders aus. Das ist schade, denn manche Quests, wie z.B. ein Storyabschnitt, der zu Halloween spielt, geben einen netten Einblick in die heidnischen Rituale und den christlichen Gegensatz.

I, Eivor

Wo wir gerade bei den Gegnern waren: Die sind angenehm variantenreich und bieten unterschiedliche Variationen, die vom typischen Fußsoldaten über den Armbrustschützen bis hin zum riesigen, goliatartige Morgensternschwinger reichen. Diese erfordern zum Teil unterschiedliche Herangehensweisen, im Wesentlichen bleibt es aber meistens beim Kontern oder alternativ Draufhauen, bis die Ausdauer weg ist. Das Kampfsystem ist wie im Vorgänger, nur können wir uns dieses Mal nicht mehr durch Adrenalinpunkte heilen, sondern sogenannte Rationen. Ähnlich wie bei Soulslikes haben wir von denen nur eine gewisse Anzahl am Eivor – sind sie aufgebraucht, müssen wir auf Pilzsuche gehen oder hoffen, dass der Gegner schneller den Geist aufgibt. Um das zu beschleunigen haben unsere Widersacher erneut Schwachpunkte, die wir mit einem gezielten Pfeilschuss treffen können, was sie besonders viel Ausdauer kostet. Ist die aufgebraucht, dürfen wir schmerzhafte und häufig fatale Finisher ausführen.

Insgesamt macht das Kampfsystem etwas mehr Spaß als noch beim Vorgänger, besonders weil wir unseren Recken durch den riesigen Skilltree gezielter auf unseren favorisierten Spielstil zuschneidern können. Zudem erlauben uns manche Perks noch mehr kreativen Freiraum beim Ausprobieren. So ist es in Valhalla möglich, so gut wie jede Waffe entweder in der rechten oder linken Hand führen. Das führt zu interessanten Kombinationen wie Dolch und Hammer, Schwert und Schild oder meiner favorisierten Wahl Axt und Speer. Aber auch zunächst absurd scheinende Kombinationen wie Schild und Schild sind möglich. Dass diese Taktik durchaus valide ist, erleben wir in einem späteren Bosskampf am eigenen Leib.

Generell steht Valhalla viel deutlicher im Zeichen der Personalisierung als noch die Vorgänger. Frisur, Tattoos, die Farbe unseres Bootes und das Aussehen unserer Schiffscrew – all das lässt sich anpassen. Zudem bekommen wir optisch die Verbesserung unserer Ausrüstung gespiegelt, so dass ein Endgame-Eivor auch standgemäß funkelt. Das lässt sich ebenso über die Ingamewährung Opale erreichen, durch die sich z.B. Waffen, Begleiter und Ausrüstungen erwerben lassen. Die finden und verdienen wir immer mal wieder durch tägliche Quests, weshalb ich am Ende sowohl auf einem geflügelten Ross, als auch einen Höllenhund durch die Gegend ritt. Ein faires Modell von größtenteils kosmetischer Natur, durch das interessierte Spieler das gewünschte Bling Bling entweder kaufen oder mühsam ergrinden können.

Lange Weile

Damit ist meine Liste der positiven Aspekte schon fast vorbei – wie? Was? Es geht weiter? Ich dachte wir wären bald mal durch! Ja, genau das dachte ich mir nämlich zum Ende von Valhalla auch. Und damit kommen wir zu den Punkten, die mir das Erlebnis dann doch wieder verhagelten. Ich glaube, es lässt sich auf eine einfache Formel runterbrechen: Assassin’s Creed Valhalla ist für mich einfach zu viel. Das klingt absurd und ist Meckern auf hohem Niveau, schließlich bekommt man für sein Geld lieber zu viel geboten als zu wenig, oder? Nun ja, auch ein filmisches Epos kann langweilig werden, wenn der Streifen einfach nicht enden will. Ein Beispiel: Blade Runner 2049. Ein beeindruckendes Werk, das mich aber irgendwann einfach nur hat auf die Uhr blicken lassen. Anders ist da ein Herr der Ringe, dessen Extended Cut ich mir ruhig mehrfach angucken kann. Geschmackssache ohne Frage, aber für mich war Valhalla mehr wie ersteres. Das liegt ohne Zweifel an meinem Spielstil. Alle Truhen öffnen und davonfliegende Tattoobilder einsammeln zu wollen, sollte jedoch kein Ausschlusskritierum für Meinung sein. Denn umgekehrt habe ich The Witcher 3 mit allen Addons auf 100% durchgespielt und das Ganze im New Game Plus wiederholt – und zu keiner Sekunde kam die Langeweile auf, die mich in Valhalla immer wieder heimsuchte.

Die Größe ist bei der Spielwelt noch das kleinste Problem, denn die ist abwechslungsreich und spannend genug, dass das Reisen von A nach B sogar Spaß macht. Auch ein weiterer Kritikpunkt, den ich vor dem Spielen hatte, hat sich am Ende als Segen erwiesen: Die aus Odyssee bekannten Seeschlachten wurden komplett gestrichen. Nun war mein Aufschrei zu Beginn groß, dass gerade bei einer Seefahrernation wie den Norwegern als Protagonisten so eine identitätsstiftender Aspekt unterschlagen wurde. Aber hätte man nun zusätzlich noch eine Crew managen und das Schiff upgraden müssen, wäre mein Geduldsfaden wohl endgültig gerissen. Scheinbar ist das auch den Entwicklern klar geworden, weshalb das rudimentäre Managen unserer Crew zusammen mit den dazugehörigen River Raids absolut überflüssig wirkt.

Die Karte ist wieder gefüllt mit POIs und Nebenbeschäftigungen. Und das ist gefühlt nur ein Fünfzigtel der eigentlichen Map…

Gleichsam wiederholt Valhalla die immer gleichen Abläufe wieder und wieder. So sind die meisten Häuser, in denen sich etwas Stehlenswertes befindet, von innen mit Holzbalken verbarrikadiert. Warum? Weiß keiner. Scheinbar hat man damals Häuer noch komplett verrammelt, bevor man sie mit brennendem Kamin verlassen hat. Reinkommen ist also nicht. Unser Rabe, durch den wir wieder eine sprichwörtliche Vogelperspektive auf die Lage am Boden bekommen, ist in den seltensten Fällen wirklich nützlich. Das sorgt dafür, dass wir entweder durch ein offenes Fenster einsteigen, ein Fenster oder eine Holzverkleidung aufschießen, den Balken der Tür durch eine Öffnung wegschießen, die Öffnung zum Wegschießen des Balkens aufschießen, die Plattform vor der Öffnung zum Wegschießen des Balkens zur Seite schieben …  oder einen Schlüssel finden müssen. Und manchmal liegt dieser Schlüssel in einem anderen Haus, dessen Eingang durch eine poröse Steinmauer versperrt wird, die wir mit einem Ölkrug aufsprengen müssen, der – ihr habt es geahnt – irgendwo rumliegt, im Zweifelsfall in einem anderen Haus. Und das ist dann natürlich ebenfalls verschlossen. Irgendwann kannte ich jedes verschissene Gebäudedesign des Spiels auswendig und kam mir vor wie ein Fließbandarbeiter, der nur die bekannten Punkte ablief, weil ich schon wusste, dass die Tür verschlossen sein würde – warum auch nicht?

Gut, das ist natürlich meine eigene Schuld. Warum will ich denn auch alles einsammeln? Soll ich doch nur die Hauptstory spielen. Das könnte ich in der Tat machen, reichen die Erfahrungspunkte durch die Mainquests doch locker aus, während Nebenbeschäftigungen nur einen kleinen Bonus ausmachen. Aber warum sind diese Features dann im Spiel? Warum bietet mir das Spiel an, zu jagen, wenn es die Spielmechanik so unspielbar designt, dass man einfach keine Lust hat, auf Fische und Rehe zu schießen, die, wie durch Zauberhand, sich immer aus dem Schussfeld des Cursors bewegen? Wofür brauche ich Gesprächsoptionen, wenn die letzte ohnehin immer die Story vorantreibt und die vorherigen nur Palaver sind? Wofür soll ich mich durch manche Level schleichen, wenn ich mich genauso gut einfach durchprügeln kann, ohne dass es das Spiel in irgendeiner Weise beeinflusst und das Ganze sogar beschleunigt?

Man merkt an so vielen Stellen, dass hier ein Spielkonzept genommen wurde, für das man immer noch den Namen Assassin’s Creed verwenden will, weshalb man Signature Features wie das Meucheln, Klettern und das historische Setting beibehalten, vieles davon aber durchs neue Gameplay obsolet gemacht hat. Überall finden sich Burgen und Türme, die wir wie früher auch durch eine Reihe von Vorsprüngen, Leitern und gewagten Manövern erklimmen können. Genauso gut kann ich aber auch einfach stur eine Wand hochklettern und mir das ganze Hin und Her sparen. Schließlich gibt es keine Ausdauer wie bei Breath of the Wild und das Ergebnis ist das selbe. Dabei zeigt das Spiel an vielen Stellen, dass seine Innovationen auch unterhaltsam sein können. Die meisten der neuen Minispiele sind kurzweilig und selten genug, um nicht zu nerven: Das Rapbattle-ähnliche Flyting ist zwar super einfach, sorgt aber für ein paar nette Wortdebatten. Das eigens erdachte, optionale Brettspiel Orlog folgt der Maxime easy to learn, easy to master. Und das Steineaufeinanderstaplen mit den Cairns hat schon fast therapeutische Wirkungen, wenn der ganze Turm nicht kurz vorm Ende in sich zusammenfällt.

Dem entgegen stehen Aspekte wie das zu wenig genutzte Untersuchen von ‚Crimescenes‘, bei denen wir einfach nur points of interest anklicken und keine Schlüsse ziehen müssen. Oder das sinnlose Trinkspiel, bei dem man rhythmisch eine Taste drücken und hin und wieder den Analogstick bewegen muss. Fun! Was mir auch viel zu häufig untergekommen ist, waren die Bugs. Ich habe Valhalla ein halbes Jahr nach Release gespielt, und trotzdem ist mir das Spiel immer mal wieder abgestürzt, ich musste neu laden oder mein Charakter wurde über die halbe Karte ins Nirvana geschossen. All das war nicht weltbewegend, da das Spiel ständig automatisch speichert, dennoch bei einem Triple-A-Titel, der nicht von CD-Projekt-Red veröffentlicht wurde, doch eher unerfreulich.

Fazit

So, über 3000 Wörter später komme ich jetzt zum einem Fazit, das versöhnlicher ausfällt, als man zunächst meinen möchte. Denn ich hatte viel Wut auf Assassin’s Creed Valhalla, der ich in meinen soeben akribisch abgearbeiteten Punkten Luft verliehen habe. Und dabei habe ich noch längst nicht alles aufgeschrieben. Warum ist Eivor scheinbar Apnoetaucher und kann für Minuten die Luft anhalten, wodurch die Sauerstoffanzeige zur Farce verkommt? Warum spinnt die Beleuchtung manchmal, sodass wir ohne Fackel kaum einen Meter weit sehen, dann in den tiefsten Höhlensystemen aber wieder genug Helligkeit herrscht, um dort mit dem Einschlafen Probleme zu bekommen? Warum gibt es keinen dynamischen Tag-Nacht-Wechsel? Oder häufiger mal Wetterphänomene wie Regen, Schnee oder Nebel? Ich habe mir sagen lassen, gerade Letzteres soll bei der Fish-and-Chips-Fraktion häufiger vorkommen. Warum lassen sich überflüssige Craftingmaterialien wie Erz oder Felle nicht verkaufen, wodurch man mit konstant klammen Geldbeutel umherrennt? Und die Kardinalssünde: Warum gibt es nicht mehr Wappen und Banner in einem Spiel im Mittelalter voller unterschiedlicher Fürsten, Herzogtümer und Könige? Akkurate Heraldik ist nicht einfach, aber die Fußsoldaten in den immergleichen Farben ein absoluter Stimmungskiller.

Vieles wirkt nicht durchdacht und lässt die Glanzmomente weniger kraftvoll strahlen. Wenn wir bei einer Belagerungsschlacht gemeinsam mit unseren Mannen brandschatzend eine Festung erstürmen, das Tor niederrammen, Männer von den Mauern stoßen und sich der Himmel blutrot im Schein des Feuers färbt, kommt die Stimmung auf, die ich mir von einem Wikingerabenteuer wünschen würde. Doch das Spiel wirft sich mit seinem eigenen Gameplay selbst Steine in den Weg. Wer will kann durch das mühelose Erklimmen von steile Wände, Vorbeilaufen an Gegnern und bloßes Checkpoint-Abklappern viele Missionen speedrunnen, denn Strafen gibt es nicht. Es ist das Assassin’s Creed, in dem ich mich am wenigsten wie ein Assassine gefühlt habe. Die altbekannte Versteck- und Untertauchmechaniken habe ich kein einziges Mal gebraucht, schließlich funktionieren Draufhauen und Weglaufen gleichermaßen gut. Das mag im Sinne der Normannennarrative stimmig für einen Eivor erscheinen, der seine versteckte Klinge lieber sichtbar am Armrücken trägt. Aber es passt nicht zum namensgebenden Assassinen-Kredo und nicht zur Spielreihe.

Dass das Spielprinzip, das Valhalla, Odyssee und Origins über die verkrustete Reihe geworfen haben, funktionieren kann, beweist nicht zuletzt Immortals Fenyx Rising, bei dem Ubisoft die gleichen Hebel in Bewegung setzt. Mit Valhalla haben sie ein paar wichtige Kritikpunkte aus den Vorgängern angepasst und das Spiel tatsächlich zum besten Teil der Neuauflagen gemacht – sofern man sich nur auf die Story konzentriert und einen großen Teil der Nebenbeschäftigungen ignoriert. Doch dieser Hybrid stößt langsam an seine Grenzen und wird für mich spieltechnisch niemals die Höhen eines Assassin’s Creed II oder Black Flag erreichen. Diese Spiele haben sich auf ihr inhärentes Kernprinzip fokussiert, auf das, was sie gut konnten. Valhalla kann gut aussehen und Geschichten erzählen. Alles darum herum fällt deutlich ab. Deshalb müssen sich die Entwickler meiner Meinung nach zukünftig darüber klar werden, was sie wollen. Der Verkaufserfolg und die Wertungen geben ihnen leider weiterhin Recht. Doch wie ein Auto, das man plant zum Boot umzubauen, stellt sich am Ende die Frage: Möchte ich etwas, das auf der Straße fährt, oder etwas, mit dem ich durchs Meer tuckern kann? Das eine ist die Assassin’s-Creed-DNS, das andere das Open-World-Epos. Und wenn man sich für das Meer entscheidet, bietet sich ein Fahrzeug dafür besonders gut an … und das hat keine Räder.

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