Game Review,  MaybeGames

Age of Empires IV

Erscheinungsdatum: 2021
Entwickler: Relic Entertainment
Genre: Echtzeitstrategie
Spieldauer: 24 Stunden (Kampagne abgeschlossen)


Echtzeit für die Ewigkeit

Gibt es für einen Gamer ein schöneres Gefühl, als ein Spiel abzuschließen und sich zu denken: „Das war gut. Ich habe nichts zu meckern, eine runde Sache.“ Dieses Gefühl hatte ich schon lange nicht, zumindest nicht in dieser Form. Und dann auch noch bei einem Game, das vergleichsweise neu ist. Day-One-Patches und die Games-As-a-Service-Mentalität haben mir zu häufig die gierigen Griffel verbrannt, als dass ich ein Spiel um den eigentlichen Release herum kaufe. Nun kam das Spiel zwar schon im Oktober raus, den Titel ‚Early-Adopter‘ kann ich mir damit wohl knicken. Aber wie gesagt, für mich ist ein Kauf drei Monate nach Release vergleichsweise früh.

Age of Empires IV ist all das, was sich Strategiespielfans wünschen können. Es ist einsteigerfreundlich genug, damit Newcomer ihren Spaß haben, komplex genug, dass Tüftler und Profis sich nicht langweilen müssen und vielseitig genug, um jeden Spielertypen anzusprechen. Ich liege da wohl irgendwo in der Mitte und bin deshalb auch ohne wirkliche Erwartungshaltung an das Spiel herangetreten. Tatsächlich war es eher die Neugierde, nachdem ich mehrere Videos darüber gesehen hatte und ich mir sagte, dass ich da irgendwie Bock drauf hätte. Ein schönes Gefühl, das noch viel schöner ist, wenn’s belohnt wird.

Kurz als Disclaimer vorweg: Ich habe bisher erst die Kampagne gespielt, also noch nicht alles von dem Spiel gesehen. Warum das so ist, erkläre ich später. Aber Stand jetzt kann ich Age of Empires IV schon uneingeschränkt empfehlen. Damit wäre die Review zu Ende, ich möchte allerdings noch ein bisschen ausführen, woher meine Begeisterung rührt. Wer also Interesse und ein paar Minuten übrig hat, für den begebe ich mich jetzt in die eigentliche Review.

Stratenie gespielt

Für alle, die noch nie von Age of Empires gehört haben sollte, hier eine kurze Einordnung. Bei der AoE-Reihe handelt es sich um eine der ältesten Strategiespielreihen und, wenn mich meine Erinnerungen nicht trügen, auch meinen ersten Berührungspunkt mit dem Genre an sich. Wie der Name verrät, geht es um zwei Dinge: Zeiten und Imperien. Gemeint ist, dass wir ein Volk durch verschiedene Epochen führen und dabei versuchen, unsere Feinde zu besiegen. Das Prinzip ist nicht einzigartig und findet sich beispielsweise auch in Spielen wie Empire Earth oder der Total-War-Serie wieder.

Während wir in der Antike noch mit Keulenträgern und Milizen unterwegs sind, geht es im Imperialzeitalter schon mit Schießpulvereinheiten zur Sache. Aber keine Sorge, Steinzeit und Antike waren nur im ersten Ableger von 1997 vertreten, die Nachfolger beginnen allesamt in der ‚Dunklen Zeit‘, dem frühen Mittelalter, und erstrecken sich bis in die Renaissance. Für den Fortschritt unserer Zivilisation sammeln wir vier Rohstoffe (Nahrung, Holz, Stein und Gold) und erreichten verschiedene Gebäude, die uns Vorteile bringen: Häuser, damit wir mehr Einheiten befehligen dürfen, Ställe um Kavallerie auszubilden, usw. Und das wars dann im Grunde auch schon, oder wie man beim Spieleabend zu sagen pflegt: „Der Rest erklärt sich beim Spielen.“

So einfach und doch so komplex. Das liegt zum großen Teil an den vielen Einheiten, die uns auf dem Weg zum Sieg helfen. Kenner der Spiele fühlen sich sofort heimisch, die Unterteilungen von Infanterie, Artillerie, Kavallerie und Bogenschützerie sowie das gewohnte Schere-Stein-Papier-Prinzip wurden übernommen und nur minimal angepasst. Das ist gut, denn das hat damals schon vortrefflich funktioniert und tut es auch heute noch. Zusätzlich sind auch wieder zahllose Forschungen dabei, die unterschiedliche Teile unseres Militärs oder unserer Wirtschaft stärken und viel Spielraum zum Experimentieren lassen.

Die nomadische Kultur der Mongolen schlägt sich auch in ihrer Archtiektur ihre Siedlungen nieder.

Alter Motor, neuer Lack

Wo sich Age of Empires IV aber von seinen Vorgängern unterscheidet, sind die Völker. Davon gibt es dieses Mal nämlich nur acht: die Chinesen, das Heilige Römische Reich, die Engländer, die Mongolen, die Franzosen, die Abbasid-Dynastie, das Delhi-Sultanat sowie die Rus. Wie beim Vorgänger haben diese Fraktionen natürlich 2-3 spezielle Einheiten sowie bestimmte Vorteile, die sie von ihren Gegenparts unterscheiden. So können die Dorfbewohner der Briten beispielsweise in der Nähe von Mühlen schneller Felder bestellen und sich mit Bögen zur Wehr setzen, das Heilige Römische Reich kann seine Gebäude durch Notfallreparaturen schnell wieder in Stand setzen. Die Mongolen wiederum bauen erst gar keine Felder, sondern züchten stattdessen Schafe und können als nomadisches Volk gleichzeitig ihre ganzen Gebäude einfach einpacken und woanders wieder aufbauen – praktisch!

Anders als beispielsweise bei Age of Empires II verfügt jede Fraktion aber zudem noch über ein Art Minispiel-System, das mal mehr, mal weniger umfangreich ist. So erhalten die Rus für erlegte Wildtiere Gold und erhöhen einen Bounty-Counter. Erreicht diese gewissen Marken, werden automatisch Perks freigeschaltet, die das Sammeln von Nahrung beschleunigen und Jagdhütten in der Nähe von Wäldern Gold generieren lassen. Die Mongolen auf der anderen Seite können keine Steine abbauen, sondern errichten ein ‚Ovoo‘, das zwar langsam, aber dafür automatisch Stein fördert. Damit können wir zunächst einmal nichts bauen – Nomaden verwenden selten Stein für ihre Konstruktionen – dafür jedoch in Gebäuden innerhalb des Einflussbereichs des Ovoos Forschungen verbessern und Einheiten schneller ausbilden. Die Chinesen wiederum verfügen über Steuereintreiber, die Gebäude und deren Output boosten.

Und dann gibt es noch Landmarks, also Wahrzeichen, die wir zum Aufstieg in das neue Zeitalter benötigen und bei denen wir uns immer zwischen zwei einzigartigen Bauten mit unterschiedlichen Vorteilen entscheiden müssen. Veteranen kennen das System vermutlich noch aus Age of Empires III, wo beim Aufstieg die Entscheidung zwischen zwei Herrschern getroffen werden mussten. Dass die Landmarks jetzt im Spiel auftauchen, bringt jedoch nicht nur spielerische Vorteile, beispielsweise wenn die Briten aus der Council Hall ihre gefürchteten Langbogenschützen 100% schneller produzieren können. Sie sind auch eine neue Siegbedingung, die das Spiel im Mehrspielermodus – vermutlich, ich habe ihn noch nicht ausprobiert – würzt. Werden nämlich alle Wahrzeichen zerstört, ist der Gegner raus. Vorbei sind die Zeiten, den letzten Dorfbewohner auf der Karte zu suchen. Oh Freude! Neben den Reliquien haben zusätzlich auch die heiligen Städte aus dem ersten Age of Empires ihren Weg zurückgefunden. Die generieren nach Eroberung durch einen Priester Gold und derjenige Spieler, der alle auf der Karte lange genug hält, gewinnt ebenfalls die Runde. Zu diesen Spielmechaniken möchte ich allerdings weniger sagen, weil ich sie schlicht nicht ausprobiert habe. Aber, und das sollte mittlerweile klar sein, sind sie ein willkommener Zusatz, um dem Spiel mehr Variabilität zu geben und Spieler vor wichtige Entscheidungen zu stellen – und das ist ja nie verkehrt.

Geschichtsstunde statt Kampagne

Wie dem auch sei, lasst mich jetzt weniger von Dingen reden, die ich nicht beurteilen kann, sondern die, die ich – wie die jungen Leute sagen würden – first-hand experienced habe. Die Spielmechaniken funktionieren und machen Spaß, zumindest die der Briten, Franzosen, Mongolen und Rus. Denn nur für diese vier Völker – einen kurzen Abschnitt mit den Chinesen außenvorgelassen – gibt es eine Kampagne. Verglichen mit den Vorgängern ist dies, zusammen mit der Anzahl der spielbaren Fraktionen, zunächst ein Rückschritt. Dass es sich nicht so anfühlt, liegt an der tollen Inszenierung, mit der die historischen Szenarien etabliert werden. Es fühlt sich an, als hätte man die BBC gebeten, den Bildungsauftrag des Spiels wahrzunehmen, denn jede Kampagne wird von Dokumentationen, kurzen Filmen, Animationen und so viel Detailverliebtheit umrahmt, dass die eigentlichen Missionen eher wie Bindeglieder einer Dokureihe anmuten. Das mag nicht jedem gefallen, ich fand es aber unheimlich spannend und aufgrund des Produktionsaufwandes eine mehr als faire Rechtfertigung für die ‚geringe‘ Anzahl an Missionen.

Generell waren letztere indes auch kein wirkliches Highlight, sondern dienten eher als langgestreckte Tutorials der einzelnen Völker. Leider war auch die KI der Gegner sehr skriptabhängig und selbst auf dem fortgeschrittenen Schwierigkeitsgrad keine wirkliche Herausforderung. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine feste Reihenfolge der einzelnen Kampagnen gibt, weshalb wir zu Beginn die immer gleiche Einführung erhalten, wie man Age of Empires IV überhaupt bedient. Da die Völker sich mit ihren Spielweisen unterscheiden, geht das in Ordnung, nur ist es schade, dass dadurch manche Aspekte gänzlich wegfallen und ich nach Abschluss der Story und mit 24 Stunden Spielzeit auf dem Tacho bisher kein einziges Mal mit Wassereinheiten hantieret habe. Ein ganzer Aspekt des Spiels findet neben den anderen Völkern in der Kampagne schlicht nicht statt.

Diese Kritikpunkte interessieren die meisten Spieler aber vermutlich eh nicht, die sich lieber direkt in das Mehrspielergekloppe werfen. Ich indes komme aus einer Zeit, da habe ich die Battlefields und Call of Dutys auch noch wegen des Singleplayerparts gespielt – was ironisch ist, wenn man bedenkt, dass Battlefield zuerst ein reines Multiplayerspiel war und erst mit Teil 3 eine Kampagne erhielt. Ich schweife ab.

Die hochwertig produzierte Dokumentationen, die die Kampagne begleiten, sind das eigentliche Highlight des Singleplayers.
Die Langbogenschützen der Briten können als Spezialfähigkeit Pfähle in den Boden rammen, um sich vor Kavallerie zu schützen.

Monsterhafte Mittelalteratmo

Generell überzeugt mich Age of Empires IV nicht nur durch seine durchdacht wirkenden Erweiterungen des Gameplays, sondern seine gesamte Präsentation. Die Atmosphäre in diesem Mittelalterfan-Fest ist hervorragend. Die Grafik mutet zwar auf den ersten Blick schlicht an und sieht im Vergleich zu anderen Spielen nicht überragend aus. Verglichen mit weiteren Echtzeitstrategiespielen kann sie sich aber sehen lassen und sorgt vor allem dafür, dass wir ein ruckelfreies Spielerlebnis haben. Der Artstyle gefällt mir persönlich sehr gut, beispielsweise die angedeuteten Konturen und blaupausenartigen Darstellung von unentdecktem Gebiet hatte mich schon bei Sid Meier’s Civilization VI und Total War: Rome 2 angemacht. Und auch zunächst kritisch beäugte Designentscheidungen wie die Umrisse von Menschen, die im Zeitraffer Bauarbeiten durchführen, haben mich in keinster Weise gestört.

Auch dass sich die Völker optisch angenehm unterscheiden und nicht wie in Age of Empires II grob in westlichen, östlichen und fernöstlichen Baustil unterteilt sind, gibt dem Ganzen ein Flair und bringt das alte Wuselgefühl der Siedler-Reihe zurück, bei dem man sich seine kleine Stadt einfach mal in Ruhe angeguckt hat. Hier erkennt man sofort, ob man sich in einer imperialen Stadt der Rus befindet, oder einem Track der Mongolen. Und nicht zuletzt: man hört es auch! Sowohl die Atmosounds sind super, zum Beispiel wenn einer unserer Späher einen Feind sieht und uns durch ein lautes Pfeifen darauf aufmerksam macht, als auch das laute Kriegsgebrüll, mit den sich die Truppen in die Schlacht werfen.

Nein, mein persönliches Highlight der AoE-Reihe wurde auch in Teil 4 nicht vernachlässigt: die Einheitensprüche. Ich liebe es einfach, wenn meine Dorfbewohner in frühem Mittelalterenglisch – oder zumindest einer versuchten Rekonstruktion dessen – meine Anweisungen kommentieren. Sprüche aus Teil 2 wie „Das ich soll!“, „Bis wahr“, „Strittet“ oder „Ik willen“ sind mir heute noch im Gedächtnis. Und jetzt wurde sogar darauf geachtet, dass sich die Sprache mit Fortschreiten der Zivilisation weiterentwickelt. Wo vorher nur teils unverständliches Genuschel zu hören ist, bekommt man in der Imperialzeit fast schon die moderne Version zu hören. Das ist toll und zeigt nicht nur die Liebe zum Detail, sondern auch die sprachliche Entwicklung, wenn ich als Deutscher den Briten vor dem Vowel-Shift annähernd verstehen kann.

Selbstredend möchte ich an dieser Stelle auch den Soundtrack nicht unterschlagen, der sich ebenfalls sehr schön in das Gesamtbild einfügt und von mir an anderer Stelle sicherlich noch eingehender behandelt werden wird. Stand jetzt habe ich nichts an der Arbeit des Studios Dynamedion auszusetzen. Wie beim neusten Ableger der Civilizations-Reihe entwickelt sich auch hier die Musik weiter, wird komplexer und ausgereifter. Unterschieden wird dagegen zusätzlich in Friedens- und Kriegstracks, die die Atmosphäre des Spiels wunderbar unterstreichen.

Fazit

Kommen wir zum abschließenden Fazit: Age of Empires IV ist ein tolles Spiel geworden, und nicht nur das: Es ist auch ein sehr gutes Age of Empires geworden. Ich denke, man kann die anfängliche Skepsis und die „Früher-war-alles-besser“-Haltung – zumindest für diesen Teil – bedenkenlos ablegen und wird ein Spiel finden, das seinen Vorfahren treu bleibt, sie aber an genau den richtigen Stellen verbessert. Kleinigkeiten, wie z.B. dass Felder nun nicht mehr händisch erneuert werden müssen oder das Hinzufügen der „Art of War“-Szenarien, mit denen Anfänger Kernaspekte des Spiels üben können, sind willkommene Zusätze. Und Negativaspekte, wie der geringere spielerische Umfang der Kampagne, werden durch den inhaltlichen Umfang gut aufgefangen.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser Kurs bei der Entwicklung zukünftiger Inhalte beibehalten wird, dass neue Völker und spannendere Kampagnen folgen. Aber anders als bei vielen anderen, modernen Spielen, ist Age of Empires IV nicht nur das Fundament, auf dem kommende Titel aufbauen können. Es ist ein fertiges Haus, bezugsfähig und ablösefrei. Ein größerer Garten wäre schön, vielleicht kommt noch ein Anbau dazu. Bis dahin können wir hier bedenkenlos einziehen und uns wohlfühlen. Ein bisschen so wie früher eben.

One Comment

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

de_DEDeutsch