Battlefield 1
Battlefield 1
08.10.2025
Kinoreif
In seinem Leben hat jeder Mensch diese eine Beziehung, die nie zustande gekommen ist. Die eine Person, mit der man sich eine wunderschöne gemeinsame Zukunft ausgemalt hat und manchmal wehmütig an die verpassten Erfahrungen zurückdenkt. Im Englischen sagt man auch: „The one that got away.“ Dieses existenzielle Prinzip auf das Genre der Videospiele zu übertragen, wirkt vielleicht etwas überzogen, aber wenn ich mir neun Jahre nach dem Release die Loblieder auf Battlefield 1 anhöre und wie viel besser es im Vergleich zum von mir gespielten Nachfolger Battlefield V gewesen sein soll, bin ich schon ein wenig traurig, diesen Teil ausgelassen zu haben.
Dabei weiß ich gar nicht mehr genau, warum ich ihn übersprugen habe. Wobei, eigentlich doch: Overwatch. Das Spiel, das meine Multiplayershooter-Gelüste über Jahre ausreichend befriedigen sollte. So fiel Battlefield 1 dann hinten runter. Die 1 steht dabei nicht für die Reihenfolge der Veröffentlichungen, denn wie wir alle wissen, war Battlefield 1942 der erste Eintrag dieser geschichtsträchtigen Reihe. Vielmehr war sie ein Indikator dafür, dass das Spiel im historischen Kontext an die erste Stelle rückte, verfrachtete es die gigantischen Mehrspielerschlachten doch in den Ersten Weltkrieg und damit zeitlich vor alle anderen Teile.
Das Szenario ist selbst heute im Vergleich zum durchgenudelten Zweiten Weltkrieg erfrischend unverbraucht, auch wenn Spiele wie Valiant Hearts oder simulationslastigere Shooter wie Verdun es sich zuvor schon im Schützengraben gemütlich gemacht haben. Aus diesem Grund (und weil es sich irgendwann mal kostenlos bei Origins anbot) habe ich es dann vor Jahren kurz nachgeholt und zumindest den Singleplayer durchgespielt.
Als Kenner von Battlefield V wurden sofort Parallelen offensichtlich, wie die separat spielbaren Kriegsgeschichten, die uns von Schauplatz zu Schauplatz jagen. So erleben wir beispielsweise als Brite Danny Edwards die Landschlachten der Westfront an Bord eines Panzers, während wir als Amerikaner Clyde Blackburn als Teil des Royal Flying Corps den Krieg aus der Luft bestreiten. Weitere Stationen sind die italienischen Alpen und Gallipoli sowie ein Abstecher nach Ägypten, wo wir als Kriegerin Zara Ghufran dem echten Lawrence von Arabien beistehen.
Battlefield 1 wollte also nicht nur ein neues Setting bedienen, sondern es auch so umfänglich es ging abbilden – und das gelingt! Die Kampagne war unterhaltsam, lehrreich und trotz des erwartbaren Kriegspathos berührend genug, um ein wenig zum Grübeln anzuregen. Den Multiplayermodus habe ich dagegen links liegen gelassen, auch wenn natürlich dieser besonders von den Fans gefeiert wurde.
Ein weiterer Aspekt, der bei vielen Spieler*innen für nostalgisches Zurückdenken sorgen dürfte, ist die generelle Qualität des Spiels: Die Grafik, das Storytelling, die Atmosphäre und besonders der Sound gelten als Meilenstein der Serie und des Shootergenres als solches – was ich bestätigen kann. Die Immersion, in die ich bei Battlefield 1 eintauchen durfte, ist bemerkenswert. Und auch wenn es ‚nur‘ ein Shooter ist, konnte ich die Schrecken des Ersten Weltkriegs so gut nachvollziehen wie kaum in einem anderen Game.
Grund dafür ist neben dem Sounddesign die Musik, um die es jetzt gehen soll. Wieder mal tritt dafür ein neues Duo an, bestehend aus den schwedischen Filmkomponisten Johan Söderqvist (dem einzigen Söder auf dieser Seite) und Patrik Andrén. Deren Hang fürs Inszenatorische hört man an jeder Ecke des OSTs, der mit 25 Tracks und einer Länge von gut einer Stunde angenehm umfangreich daherkommt.
Die beiden Musikschaffenden setzen dabei auf die Klaviatur klassischer Kriegsdramen: Gefühlvolle Streicher, wuchtige Percussions und Tempiwechsel jagen Stücke wie Steel on Steel ins Niemandsland großen Popcornkinos und verpassen den dramatischen Geschehnissen der Kampagne nötige Tiefe … beziehungsweise Höhe. Häufig haben wir den Eindruck, wir begleiten das Geschehen aus der Vogelperspektive, fernab des Treibens. Dieses Gefühl trägt der Größe des Konfliktes Rechnung, bevor uns dann Stücke wie The Runner wieder auf den Boden des Geschehens ziehen.
Generell wird die musikalische Nähe zu einer Arte-Doku schnell deutlich, was negativer klingt, als es gemeint ist. Denn der Soundtrack versetzt uns in genau die Stimmung, die es für diese Art von Spiel braucht. Hier klingt nichts fehl am Platz, alle Rädchen greifen ineinander. The Swindle, das während der Geschichte um den Helden wider Willen Clyde Blackburn läuft, der sich in die Royal Air Force gaunert, um mit einem Flugzeug dem Gesetz zu entkommen, ist leichtherzig und augenzwinkernd. Etwas stereotyp nahöstlich wird es dann mit dem weiblichen Gesang in Nothing Is Written oder dem Wüstengeflöte in Sinai Desert … Aber passt halt.
Dann gibt es wiederum Stücke wie Prologue „We Push…“, dessen unnachgiebigesa Kriegspathos in Form der Bläser nicht nur zum heroischen letzten Ansturm ruft, sondern auch das Leitmotiv des Spiels variiert. Richtig gehört, es gibt ein Motiv! Das entspricht zwar nicht dem Battlefield-Thema, funktioniert jedoch gut und verleiht dem Soundtrack dankenswerterweise eine Identität. So taucht es im Main Theme Battlefield One auf und wird immer mal wieder als Erneuerer und Motivator eingestreut. Beispiel hierfür ist das gefühlvolle Klavierstück The Flight of the Pigeon, das im Spiel (Achtung Spoiler) den Flug einer Brieftaube begleitet, die den Befehl zum Artilleriebeschuss auf unsere eigene Position trägt – das letzte Opfer unserer Panzercrew.
Umgekehrt hören wir das klassische „Dada dat da dat dat“ in Kombination mit dem Battlefield 1-Thema in Battlefield Classic Theme / Mayhem View, als heroische Variation in Flight School und Something Big Is Coming. Auch das klingt hervorragend, wenn auch nicht weltbewegend. Trotzdem finde ich den Score super! Was soll ich sagen? Ich mag einfach klassische Orchestrierung: Geigen, Bläser, Percussion, Klavier und ein Haufen weiterer Instrumente, die ich vermutlich falsch benennen würde. Genau das liefert Battlefield 1. Musik auf höchster Qualität, die das Genre weder vorantreibt noch revolutioniert, in manchen Foren aber als „legendär“ betitelt wird und damit genau das erreicht, was es möchte: unterhalten.
Nostalgiewarnung
Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.





