Titan Quest II
Titan Quest II
10.08.2025
Aufbruch ins (Un-)Gewisse
Bevor wir mit dieser Review beginnen, muss ich Befangenheit anmelden! Das hat mehrere Gründe. Zum einen habe ich das erste Titan Quest damals sehr gerne gespielt. Zugegeben, es war die Zeit, in der Games schon sehr viel falsch machen mussten, damit ich keinen Spaß mit ihnen hatte. Aber Titan Quest war einfach ein sehr gutes Action-Rollenspiel/Hack and Slash/Diablo in der Antike, das vor allem im Koop mit Freunden und Angehörigen (aka meinem Bruder) seinen Reiz hatte.
Entsprechend nostalgisch blicke ich auf die (Musik der) Reihe zurück und höre bis heute noch gerne den dazugehörigen Soundtrack, dessen Main Theme Titan Quest sich wohlig in meine Hirnrinde eingemeißelt hat. Wie viele Fans hatte auch ich die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder etwas von der Marke zu sehen, die nach der Erweiterung Immortal Throne immerhin gute zehn Jahre lang brachlag. Doch dann tauchten 2017 mit Ragnarök, Atlantis (2019) und Eternal Embers (2021) überraschend eine Reihe weiterer Addons für die Anniversary Edition auf, die ich mangels Zeit aber nie ausprobieren konnte.
Springen wir vier Jahre nach der letzten Expansion in die Zukunft und kommen im Jetzt an. Dort steht mit Titan Quest II nun ein waschechter Nachfolger vor der Tür – beziehungsweise mit dem Fuß schon über der Schwelle. Denn aktuell ist das Spiel des Münchener Entwicklerteams Grimlore Games, die schon das durchaus solide SpellForce 3 sowie dessen Addons zu verantworten haben, im Early Access. Auch wenn ich das Spiel schon mal gekauft habe, um meine Unterstützung auszudrücken (und weil es jetzt vermutlich billiger ist als beim Full Release), werde ich nur kurz reinschauen. Das Testen überlasse ich gerne Enthusiasten und Spieler*innen ohne Geduld, ich kann problemlos warten, bis das Game fertig ist. Mit einer angepeilten Veröffentlichung im nächsten Jahr hat das Team genug Zeit, um auf das Feedback der Fans und Kritiker zu hören.
Hören ist hierbei das Stichwort, schließlich wurde neben dem Early Access auch der Soundtrack zum reduzierten Preis angeboten – und da kann ich ja nicht nein sagen. Mit Blick auf den Umfang von 19 Tracks ist das Album für 3,99 € (aktuell reduziert) zudem ein recht fairer Deal. Doch Menge sagt ja bekanntlich nichts über Qualität aus, also lasst uns gerne zur Review und damit zum zweiten Grund meiner Befangenheit übergehen.
Die Musik von Titan Quest II stammt, wie auch schon bei SpellForce 3, von Bastian Kieslinger – und genau mit dem konnte ich über seine Komposition sprechen! Oder anders formuliert: Er ist über meine SF3-Review gestolpert und hat sich auf Instagram bei mir gemeldet. Im Zuge dessen habe ich ihn direkt zu TQ2 ausgehorcht. Aus diesem Grund kommt diese Review nicht von ungefähr und die Wertung erfährt entsprechend mildernde Umstände, ich werde aber dennoch versuchen, so objektiv subjektiv wie möglich zu sein.
Mit einem neuen Entwicklungsstudio und Kieslinger an Bord, heißt es im Umkehrschluss, dass die ursprünglichen Komponisten Scott B. Morton und Michael Verrette (in den Addons nur noch Morton) nicht mit von der Partie sind. Deren Arbeit für den ersten Teil fand ich bereits sehr gelungen, besonders das eingangs erwähnte Main Theme und dessen Wiederkehr über die gesamte Komposition als Leitmotiv hatten es mir angetan.
Kieslinger empfindet das ähnlich und sagte im Chat:
Da hast du vollkommen recht, ich habe das Menu Theme und When Gods Fall, der in den Credits lief damals (und auch heute noch), sehr geliebt! Ist schon eine Ehre für mich, wie auch bei SpellForce, in so große Fußstapfen treten zu dürfen, und ich gebe mir größte Mühe, dass die Musik so gut wie möglich wird!
Bastian Kieslinger, Komponist
Entsprechend habe ich auf eine logische Fortführung oder Anspielung im Score des Nachfolgers gehofft – doch die blieb aus. Wie schon bei der Musik zu SF3 gibt es keine Rückbesinnung auf Motive aus den Vorgängern, sondern primär deren Klangwelt. Das ist natürlich nicht schlimm, für mich als Fan jedoch etwas schade.
Für Titan Quest II hat sich der Komponist sechs antike und moderne griechische Musikinstrumente besorgt. Die bekommen wir zusammen mit ihm übrigens in diesem Behind-the-Scenes-Video zu Gesicht. Dort sieht und vor allem hört man auch die griechische Sopranistin Aphrodite Patoulidou (was für ein passender Name), die die altgriechischen Texte intoniert. Dieses Stilmittel kennen wir bereits aus dem Vorgänger, besonders aus dem von Kieslinger hervorgehobenen Credits-Theme When Gods Fall (Credits). Patoulidou macht ihren Job hervorragend und verleiht Tracks wie With It, or On It (Ḕ tā̀n ḕ epì tâs) oder dem Cinematic Trailer Theme Bound by Destiny aus dem oberen Video Gravitas und Authentizität.
Der Fokus auf die griechisch/mediterrane Instrumentenwelt kommt natürlich nicht von ungefähr, spielt die Titan Quest-Reihe doch seit jeher in der hellenistischen Antike. Während wir uns im Hauptspiel des Vorgängers in den späteren Akten noch durch Ägypten und China kloppen, beschränkt sich der Early Access des Nachfolgers bisher auf das Land der Feta-Fetischisten. Es ist anzunehmen, dass auch Titan Quest II später andere Orte der Antike erschließt. Kieslinger selbst bestätigt, dass die 19 Tracks nur den aktuellen Stand des Early Access umschließen und der Umfang stetig erweitert werden wird.
Diese Limitation tut dem Album in seiner aktuellen Form meiner Meinung nach jedoch nicht gut. Schließlich kann bei einem High-Fantasy-Spiel wie SF3 ohne irdisches Vorbild aus der vollen Bandbreite der Orchestrierung geschöpft werden. Viele der Stücke aus Titan Quest II wirken dagegen ‚austauschbarer‘ und haben, allein schon aufgrund der Instrumentenwahl, eine Nähe zu anderen Spielen mit dem gleichen Setting wie Expeditions: Rome oder vermutlich das, zum Zeitpunkt dieser Review noch unveröffentlichte, Anno 117: Pax Romana.
So sind Stücke wie Shade of the Olive Tree oder Children of Glaukos Standard-Hintergrundgedudel, passen aber durch ihre scheinbare Authentizität grundsätzlich ins Setting. In einer Spa-Landschaft erwartet man ja auch kein Rammstein. Echoes of the Fallen und besonders Water’s Edge erwecken mit ihren Streichern bei mir dagegen Erinnerungen an das schöne Skellige-Theme aus The Witcher 3 oder auch das irisch angehauchte Heroes of Might and Magic IV.
Da ich mir für meinen Musikgenuss die Rosinen rauspicken kann, muss der Score allerdings in seinen Spitzen überzeugen. Dafür ist aktuell sehr wenig ‚Action‘-Kost im Angebot (God of the Wild). Vor allem müssen sich die Tracks aber mit Platzhirschen wie Assassin’s Creed Odyssee messen. Dessen Theme Legend of the Eagle Bearer setzt auf eine ähnliche Mischung aus Gesang und Gitarrengezupfe, wird jedoch um Synthies und Bässe ergänzt, um die Opulenz zu unterstreichen. Eine andere Richtung wäre beispielsweise Hades, dessen Score Erwartbares mit Unerwartetem mischt. Das fehlt Titan Quest II, das im Vergleich trotz der mediterranen Sonne dazu insgesamt etwas blass bleibt.
Der OST hat aber auch seine Momente und unterschreitet zu keinem Zeitpunkt die 3er-Wertungsmarke. So erinnert mich Strands of Gold an das Champion-Theme Daylight’s End der League of Legends-Heldin Diana… nur auf Griechisch. Absolute Highlights sind derweil das wuchtige Queen of the Mountain, das seine geistige Verwandtschaft zu Kieslingers Schaffen für SF3 nicht verheimlicht. Zweiter Höhepunkt ist das oben erwähnte Bound by Destiny – hier passt einfach die Mischung aus Tragik, Heroik und nachhallender Bedrohung.
Insgesamt ist der Score also grundsätzlich das, was man erwarten würde: hohe Qualität, passende Klänge, schöne Momente. Was ich mir derweil für die zukünftigen Tracks wünschen würde: mehr Wiedererkennbarkeit (Achtung: nicht Gleichförmigkeit), mehr Mut und vor allem mehr Epik. Mit einem Komponisten wie Bastian Kieslinger mache ich mir gerade um den letzten Punkt wenig Sorge. Es bleibt also zu hoffen, dass zum einen das fertige Spiel die bisherige Qualität des Early Access wird halten können, und zum der Score für die nächste Generation Titan Quest-Fans ähnlich einprägsam wird wie die Motive des ersten Teils.





