BioShock
Erscheinungsdatum: 2007
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Garry Schyman
Trackzahl: 68
Mehr als nur Grusel
Hereinspaziert, hereinspaziert! Das haben Sie noch nicht erlebt! Menschen mit den unmöglichsten akrobatischen Verrenkungen und Magier mit gottgleichen Fähigkeiten! Treffen Sie Big Daddy und Little Sister, flanieren Sie über die Shopping-Miles, besuchen Sie die zahllosen Bistros und Geschäfte! Auge in Auge mit der Tiefsee! Tauchen Sie ab in eine fantastische Welt viele Meilen unter dem Meer, wo Sie sein können, wer und was Sie wollen! Besuchen Sie Rapture!
So könnte man wohl die Unterwasserwelt der BioShock-Serie bewerben, wenn man ein paar wichtige Details unterschlüge. Denn Rapture, Haupthandlungsort von BioShock und BioShock 2 und geplantes Utopia für die Reichen und Schönen, die sich um 1940 staatlicher Gängelung wie Steuern oder Regularien entziehen wollen, ist längst kein Idyll mehr für Plantagenbesitzer und Cocktailschlürfer. Stattdessen sind die Bewohner durch die Superdroge ADAM zu mordlustigen Plasmid-Junkies degeneriert, die wild Feuerbälle auf unliebsame Gäste schleudern.
Durch einen Flugzeugabsturz über dem Meer erreichen wir als einziger Überlebender einen Leuchtturm, mitsamt Tauchglocke zur Meeresbodenkolonie. Begleitet wird unser unfreiwilliger Besuch im Tiefseeterror mit einer spannenden Story, abgedrehten Antagonisten und anspruchsvollem Gunplay. Ein Paradies also eher für Freunde des gepflegten Gruselgeballers, denen Spielwelt und Gameplay wichtiger sind als der nächste Jumpscare. Auch heute ist das Spiel noch eine Empfehlung wert, zumal die Story Grundlage für den Nachfolger und zum Teil sogar BioShock: Infinite darstellt. Doch ist auch die Musik es noch wert, angehört zu werden? Wenn Ihr so freundlich wärt, mir in den Review-Teil zu folgen …
Der Soundtrack stammt aus der Feder von Garry Schyman, amerikanischer Film- und Videospiel-Komponist, der bereits vor seiner Arbeit für Bioshock für mehrere Preise nominiert wurde, unter anderem für die Musik am Alienklassiker Destroy All Humans!. Richtig abgeräumt hat der Thrillerspezialist aber erst mit seiner Arbeit am Horror-Shooter von 2K. Zu Recht, wie man anmerken darf, denn Schyman betreibt mit seiner Arbeit ein Worldbuilding, dass der Unterwasserwelt erst ihre bedrückend schaurige Atmosphäre verleiht. Hauptinstrument: Streicher, besonders Violinen – was bei Hitchcock unter der Dusche funktioniert hat, klappt auch auf dem Boden des Ozeans.
Im Spiel wechseln sich die Themen der versunkenen Utopie wunderbar ab, in dem Mix aus rasanter Action in den Kämpfen und bedrückend düsteren Gruseleinlagen sticht nichts als störend oder fehl am Platz heraus. Besonders schön sind dabei Stücke, die wie musikgewordenes Bedauern klingen: The Ocean on His Shoulders, Dancers on a String (Reprise), Empty Houses (Reprise), alle gefühlvoll, alle rufen sie dir entgegen: „Sieh deine Schöpfung, sieh, was hätte sein können, und wozu es zerfallen ist.“ In Kombination mit der Hintergrundgeschichte der einzelnen Charaktere und den tragischen Little-Sister- und Big-Daddy-Duos ein absolut stimmiger Eindruck.
Die Actionpieces sind dagegen kraftvoll getrieben, die Streicher hier wie ein aufgebrachter Bienenschwarm, der uns durch die Gänge jagt. Besonders fällt das im Theme des ersten Zwischenbosses auf: Dr. Steinman, der durchgeknallte Chirurg, der auf der Suche nach der optischen Perfektion Gesichter nach Frankenstein-Manier vernäht. Erst schrillen uns die Geigen ganz im Stil eines 60er Jahre Horrorfilms entgegen, dann erklingt wie beim Weißen Hai das nach seiner Beute schnappende Dam-Dam-Dam-Dam. Die Panik sitzt uns im Nacken, aus Flucht wird Kampf. Das Stück entwickelt sich zum Bioshock-typischen Battletrack mit Bläsern und Percussions, alles klingt wuchtig und überwältigend. Das Gesamtmischung ist gelungen, die Übergänge organisch.
Vergleichen wir das mit der Musik aus anderen Spielen dieser Art, beispielsweise dem Horrorgame Amnesia: The Dark Descent von 2010, werden die künstlerischen Leistungsklassen deutlich. Zwar können wir uns dort nicht gegen die Schrecken des dunklen Herrenhauses zur Wehr setzen, aber auch in Amnesia gilt es, den Horror akustisch zu übertragen. Auch hier erklingen die Streicher, zusätzlich auch Klavier und sogar Orgel, teilweise mit Operettengesang. Das Ganze geht auf, der Grusel setzt ein. Jedoch fehlt es dem Soundtrack an Identität, wir könnten auch die Musik zu einem x-beliebigen anderen Horrorgame vor uns haben.
Bioshocks Musik sprüht indes mit Indikatoren, die es im Meer verorten, ohne stereotyp zu werden. In vielen Tracks klingen Ambient-Effekte mit: In The Docks (Prelude) hören wir das Knarzen von Holzbalken wie auf einem alten Segelschiff, oder das Ächzen der Glaskonstruktion unter dem Druck der Wassermassen. The Engine City klingt nach dem kraftvollen Auf und Ab der Kolben eines Motors, und im herrlich brachialen All Spliced Up erklingt sogar diese schrille Schiffspfeife, mit der die Besatzung an Deck gerufen wird (oder die im Falle der alten Star Trek-Serie immer erklingt, wenn jemand die Brücke betritt). Passend zu der Weißen Hai-Parallele wird beim bloßen Hören des Soundtracks nicht nur klar, dass es gruselig wird, sondern auch nass.
Neben diesen Tracks gesellen sich zu dem OST auch klassische Stücke wie Tschaikowskys Nussknacker Suite oder swingige Feel-Good-Songs aus den 30ern, 40ern und 50ern. Just Walking in the Rain von Jim Reeves oder (How Much Is) That Doggie in the Window von Patti Page klingen unbeschwert und sorglos, im Spiel dienen sie zur Kontrastierung zwischen Vision und Wirklichkeit, was war und was ist. Diese zeitgeistlichen Atmobringer sind nett, wer mit Plattenspielerakustik und Omas Tanz-Mucke nichts anfangen kann, sollte die lieber auslassen.
Was man stattdessen auf keinen Fall links liegen lassen sollte, ist Cohen’s Masterpiece, das als Theme für den mystisch mordlustigen Entertainer Sander Cohen dient. Ein wunderschönes Stück, das im Stil alter Großmeister wie Chopin und Liszt das Klavier auf- und absaust und an dem sich manch ein Bruder von mir beim Üben schon die Finger abgebrochen hat. Voll Grandeur, imposant, dann wieder mäuschenleise ist es eine Ode an die Klassik und neben dem erst traurig, dann sinistren The Ocean on His Shoulders das Highlight des Soundtracks.
Und bevor ich zum Abschluss komme, muss ich noch darauf hinweisen, dass selbiger in schrecklich vielen verschiedenen Varianten daherkommt. Mal heißt er BioShock: Orchestral Score, dann Sounds of Rapture oder I Am Rapture, Rapture Is Me – natürlich immer mit unterschiedlich benannten Tracks. Meine Version, ein Konglomerat aller Tracks und am ehesten wohl als Gamerip zu verstehen, ist da keine Ausnahme. Das sollte aber nichts an der Bewertung der Tracks ändern, denn wer diese Review bis hier hin gelesen hat, wird hoffentlich auch unabhängig von meinen Empfehlungen mal reinhören und ein eigenes Urteil fällen.
Nostalgiewarnung
Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Going Up, Going Down | Garry Schyman | |
02 | First Encounter / Wandering Around | Garry Schyman | |
03 | Dancers on a String | Garry Schyman | |
04 | You Have to Save My Family | Garry Schyman | |
05 | Steinman (Prelude) | Garry Schyman | |
06 | Mr Bubbles / Little Sister | Garry Schyman | |
07 | Diseased Medical | Garry Schyman | |
08 | The Docks | Garry Schyman | |
09 | Spliced Aphrodite | Garry Schyman | |
10 | Dr. Steinman | Garry Schyman | |
11 | Through the Docks | Garry Schyman | |
12 | Fight for Family | Garry Schyman | |
13 | Busted Sub | Garry Schyman | |
14 | Empty Houses | Garry Schyman | |
15 | Photographer Fights Peaches | Garry Schyman | |
16 | This Is Where They Sleep | Garry Schyman | |
17 | Lost Soul | Garry Schyman | |
18 | Step Into My Garden | Garry Schyman | |
19 | Langford's Last Message | Garry Schyman | |
20 | Step Into My Garden (Reprise) | Garry Schyman | |
21 | Cohen Is Lurking | Garry Schyman | |
22 | Collecting Samples / Saving the Trees | Garry Schyman | |
23 | Cohen's Masterpiece, Part 1 | Garry Schyman | |
24 | Cohen's Masterpiece, Part 2 | Garry Schyman | |
25 | Overheating the Core | Garry Schyman | |
26 | All Spliced Up | Garry Schyman | |
27 | Haunted Slums | Garry Schyman | |
28 | The Engine City | Garry Schyman | |
29 | Bowels of the City | Garry Schyman | |
30 | Ryan's Death / True Faces | Garry Schyman | |
31 | Get Out of My Head | Garry Schyman | |
32 | 192 | Garry Schyman | |
33 | The Dash | Garry Schyman | |
34 | Becoming One of Them | Garry Schyman | |
35 | Big Daddy Is Coming | Garry Schyman | |
36 | Final Fight / Leaving Rapture | Garry Schyman | |
37 | The Good One | Garry Schyman | |
38 | The Ocean on His Shoulders | Garry Schyman | |
39 | Welcome to Rapture | Garry Schyman | |
40 | Rise, Rapture, Rise | Garry Schyman | |
41 | Combat Medley | Garry Schyman | |
42 | Rapture News Daily | Garry Schyman | |
43 | Gameplay Cues | Garry Schyman | |
44 | You're the Top | Cole Porter | |
45 | Oh Danny Boy | Mario Lanza | |
46 | Twentieth Century Blues | Al Bowlly | |
47 | Bei mir bist du schön | The Andrews Sisters | |
48 | Beyond the Sea | Bobby Darin | |
49 | Brother Can You Spare a Dime | Bing Crosby | |
50 | God Bless the Child | Billie Holiday | |
51 | (How Much Is) That Doggie in the Window | Patti Page | |
52 | If I Didn't Care | The Ink Spots | |
53 | It Had to Be You | Danny Thomas | |
54 | It's Bad for Me | Rosemary Clooney | |
55 | Jitterbug Waltz | Fats Waller | |
56 | Just Walking in the Rain | Johnnie Ray | |
57 | La Mer [Instrumental] | Django Reinhardt | |
58 | Liza | Django Reinhardt | |
59 | Night and Day | Billie Holiday | |
60 | Nutcracker (Waltz of the Flowers) | Pyotr Ilyich Tchaikovsky | |
61 | Papa Loves Mambo | Perry Como | |
62 | Please Be Kind | Frank Sinatra | |
63 | The Best Things in Life Are Free | The Ink Spots | |
64 | The Party's Over Now | Noel Coward | |
65 | World Weary | Noel Coward | |
66 | Wrap Your Troubles in Dreams | Bing Crosby | |
67 | La Mer | Django Reinhardt | |
68 | Cohens Masterpiece (Prelude) | Garry Schyman |