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Hellblade: Senua’s Sacrifice

Erscheinungsdatum: 2017
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): David García Díaz; Andy LaPlegua
Trackzahl: 13


Würdiges Opfer

Videospiele sind ein fantastisches, narratives Medium und lassen uns Erzählungen erleben, die immersiver als jeder Film oder sogar Buch sein können. Nun wäre die Frage berechtigt, ob man psychotische Störungen erleben möchte und ob dies überhaupt jenseits der eigenen Gedankenwelt möglich ist. Das Team von Ninja Theory hatte sich dies zur Aufgabe gemacht und präsentiert uns mit den Hellblade-Spielen einen Blick in die tiefsten und verletzlichsten Punkte des menschlichen Geistes.

Neben der Wahl der Story war auch die der Protagonistin etwas unkonventionell. Denn Senua, die wir 2017 in Hellblade: Senua’s Sacrifice das erste Mal spielen durften, ist eine fiktive keltische Kriegerin, die Ende des 8. Jahrhunderts mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen zu kämpfen hat und versuchen muss, den Tod ihres Geliebten nach einem Überfall der Nordmänner zu verarbeiten.

Wir begleiten sie dabei und erleben eine Geschichte, die so in dieser Form selten erzählt wird. Senua ist indes keine Kampfmaschine wie beispielsweise Aloy aus der Horizon-Serie, sondern eine verwundbare junge Frau, deren Schwert kaum etwas gegen die Geister in ihrem Kopf ausrichtet. Mehr möchte ich an dieser Stelle auch nicht erzählen, es ist eine Reise, die man – sofern man das möchte – selbst erleben sollte.

Neben dem tollen Storytelling und der, für ein Indie-Spiel überragenden Grafik, war auch das Sounddesign ein Key-Sellingpoint des Spiels. Die Entwickler haben darauf geachtet, die Immersion auch akustisch zu vertiefen, weshalb uns während unserer Reise immer wieder Stimmen in 360° aus den Kopfhörern bedrängen. Sie flüstern uns zu, sähen Zweifel oder vertiefen Senuas Sorgen und Ängste. Können wir ihnen trauen? Wollen sie uns helfen oder in den Abgrund ziehen?

Verstärkt wird diese auditive Erfahrung durch einen Soundtrack, der irgendwo zwischen Dark Ambient und nordischem Folk rangiert. Über weite Strecken darf man sich die Musik des Amerikaners David García Díaz und des Norwegers Andy LaPlegua (eigentlich Ole Anders Olsen) als Blaupause der üblichen Normannen-Sagen wie in der TV-Serie Vikings oder Assassin’s Creed Valhalla vorstellen:

Wuchtige Trommeln, Männerchöre als Leitmotiv, Streicher und diese Raubeinigkeit, die man mit der post-frühchristlichen Anarcho-Zeit der Plünderer und Brandschatzer verbindet, passen wie Beil in Mönchsschädel, allerdings verfälschen die 13 Tracks des OSTs ein wenig die Essenz des Spiels. Während unserer Erlebnisse mit Senua hält sich die Musik vorrangig im Hintergrund und setzt nur vereinzelt Spitzen – und es sind diese Spitzen, die es auf das Album geschafft haben. Mich als Freund von etwas Actiongeladenem freut das, repräsentativ für das Spielerlebnis steht das Album dagegen nicht.

Manche Nutzer im Netz sehen das anders. Beispielsweise Jan Szafraniec von der Webseite gamemusic.net. Der sagt, der Score sei ‚ein ganzes Uhrwerk von Klängen, Geräuschen, Themen – alles präzise komponiert. […] Wer einen Beweis dafür braucht, dass man mit wenigen Mitteln Großes erreichen kann, [für den/die] ist Hellblade die beste Wahl.

Der Nutzer SamuraiMujuru sieht das auf der Produktseite von GOG ähnlich:

Eine brillante Mischung aus düsterem nordischem Folk und beklemmendem Industrial ist die perfekte Kulisse für diesen emotionalen Fleischwolf von einem Spiel und schafft es, als exzellenter Ambient-Sound auch für sich allein zu bestehen.

SamuraiMujuru

Gemeint ist bei Samurai Mujuru das Stück „Hela“, das aus Hellblades bekannten, vermeintlich zeitgemäßen Soundkulisse ausbricht und weibliche Vocals, Technobeats und Klavier fürs stereotype Credits-Feeling kombiniert. Zwei weitere Tracks, die etwas aus dem Schema ausbrechen, sind „Druth“ und „Shadow“, die beide unterschiedliche männliche Erzähler featuren – für mich ein No-Go in einem Soundtrack, aber gut, gehört zum Spiel und wohl auch zum OST.

‚Gehört zum Spiel‘ ist derweil eine exzellente wie ungeplante Überleitung zu einem Kritikpunkt am Soundtrack, der mir in diversen Kommentaren entgegengesprungen ist. So haben es zwei besonders gute Stücke nicht ins Album geschafft: „Just Like Sleep“ von Passarella Death Squad („Hela“ ist wohl ein Remix) sowie „Nation“ von VNV Illusion. Dass Tracks fehlen, liegt leider in der Natur eines OSTs. Wer alles will, muss nach einem Gamerip schauen, der jedoch die Gefahr von viel unkuratiertem Müll birgt.

Müll sind die beiden Stücke derweil nicht und vermutlich haben sie es aufgrund von Lizenzrechten nicht ins Album geschafft. Während „Just Like Sleep“ mir etwas zu sphärisch daherkommt, finde ich „Nation“ richtig gut. Etwas melodramatisch, etwas pathetisch, aber irgendwie auch passend zum Ausklang einer Reise zu sich selbst, nach dem Bekämpfen der eigenen Dämonen und der Suche nach dem eigenen Überlebenswillen.

Mein Liebling im eigentlich OST ist aber „Surtr“. Dazu schreibt Szafraniec sehr passend, wie ich finde:

„Surtr“ ist ein großartiges Stück, das mich mit seinen Trommeln, Ambossen und natürlich Andy LaPleguas Stimme ohrenbetäubend unter Druck setzte und mir das Gefühl gab, nicht mehr weiterzuwissen. Genau wie „River of Knives“ oder „Sea of Corpses“ erzeugt dieses Stück die Atmosphäre eines Kampfes gegen zahlreiche Feinde, die sich über dir auftürmen und dich mit dem ‚Permadeath‘ bedrohen, während immer mehr Wellen langsam auf dich zukommen.

Jan Szafraniec über „Surtr“

Brauch man schlussendlich das Spiel, um den Soundtrack zu genießen? Überraschenderweise nicht, wenn man bedenkt, wie prägend die Soundkulisse für die Spielerfahrung ist. Allerdings sind mir beim Hören der einzelnen Stücke wieder Momente der Story eingefallen, die ich vergessen hatte. Denn auch wenn es vergleichsweise kurz ist, erzählt Senua’s Sacrifice eine interessante wie betroffen machende Geschichte, die sich lohnt. Der Soundtrack ist da ein schönes Goodie.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
1HelheimDavid García Díaz; Andy LaPlegua44/5
2SurtrDavid García Díaz; Andy LaPlegua55/5
4ValravnDavid García Díaz33/5
5DruthDavid García Díaz22/5
6ShadowDavid García Díaz44/5
7River of KnivesDavid García Díaz; Andy LaPlegua44/5
8Ray of HopeDavid García Díaz; Andy LaPlegua33/5
9DillionDavid García Díaz; Andy LaPlegua44/5
10Trials of OdinDavid García Díaz22/5
11GramrDavid García Díaz33/5
12Sea of CorpsesDavid García Díaz; Andy LaPlegua44/5
13HelaDavid García Díaz; Passarella Death Squad44/5

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