MaybeMusic

SimCity 4

Erscheinungsdatum: 2003
Art: Original Soundtrack (OST) / Extended Edition
Komponist(en): Jerry Martin
Trackzahl: 15 / 25


Musical Highway

Hier gehts zur Music-Review von
Rush Hour (2003).

Aufgeschoben ist nicht gleich aufgehoben. Weil ich mich schon sehr lange auf die Review zu SimCity 4 und dessen Addon Rush Hour gefreut habe, schließe ich die nach dem kleinen Zwischenstopp in Nintendos dunklerer Vergangenheit mit SimCity 64 nun direkt an. Ich habe bereits mehrfach erwähnt, dass dies mein erstes SimCity-Game war und nach wirtschaftszentrierten Spielen wie Transport Tycoon, Der Industriegigant oder Der erste Kaiser zudem meinen Einstieg in die Welt der Städtebausimulationen.

Überspitzt formuliert könnte man grundsätzlich jedes Strategiespiel mit Basenbau oder Warenkreisläufen dazurechnen, würde dem Genre damit allerdings Unrecht tun. Dafür gibt es viel zu viele Nuancen, zu viele Stellschrauben und Punkte wie Steuern, Infrastruktur (sowohl Verkehr als auch öffentliche Dienstleistungen) oder, wie bei Cities: Skylines, sogar Verkehrsführung. Der Fokus bei dieser Art von Spiel liegt viel mehr im Klein-Klein – außerdem fehlen kriegerische Handlungen.

Diese Mischung aus Makro- und Mikromanagement war einer der Gründe, warum fast alle meine Städte in SimCity rote Zahlen schrieben, da ich eigentlich nur eine wunderschöne Metropole errichten und mich nicht um solche Nichtigkeiten wie das Bildungssystem oder die Trinkwasserversorgung kümmern wollte. Gewerbesteuern? Das ist was für Nerds! Außerdem weiß ich nicht mal, was ein Gewerbe ist! Keine ausreichende Stromversorgung? Dann sollen sie Kerzen essen … oder so.

Zum Glück erschien nur acht Monate nach dem Hauptspiel die Erweiterung Rush Hour. Die hatte ein Feature im Gepäck, durch das man die eigene Stadt per Fahrzeug frei erkunden konnte. Eine nette Spielerei, die jedoch handfeste Vorteile mit sich brachte. Denn neben dem gemächlichen Durch-die-Gegend-Gurken bekamen wir immer mal wieder Aufgaben gestellt, deren Erfüllung ordentlich Geld in die Kassen spülte.

Folglich durften sich die Bewohner meiner Stadt in unregelmäßigen Abständen verwundert umdrehen, wenn der Bürgermeister mit einem Panzer durch die Straßen rollte, mit dem Speedboot über den Kanal heizte oder das Feld des Bauern per Doppeldeckerflugzeug mit Pestiziden besprühte. SimCity 4 hatte alles, was ich mir wünschen konnte, und ist bis heute der am höchsten bewertete Ableger der SimCity-Reihe.

Einen Beitrag für dieses hohe Maß an Würdigung leistete meiner Meinung nach auch der Soundtrack, der ähnlich dem indirekten Vorgänger SimCity 3000 von Jerry Martin komponiert wurde. Wie schon bei den Sims-Spielen stammen zwar nicht alle Stücke aus seiner Feder, seine Handschrift ist dem Score allerdings deutlich anzumerken. Bevor ich jedoch ins Detail gehe, ein kurzer Hinweis: Überraschenderweise hat Publisher Electronic Arts einen Originalen Soundtrack (OST) für das Spiel veröffentlicht. Dieses 15 Songs lange Album habe ich um die Stücke erweitert, die ich dem SimsCity-Wiki entnehmen konnte und mit dem Zusatz „[Bonus]“ gekennzeichnet. Folglich bewerte ich eine Art ‚Deluxe Edition‘. Die Stücke aus Rush Hour findet ihr dagegen in der dazugehörigen Review weiter unten.

Nun aber zum Score, den ich Nostalgie-verklärt schon längst auf dem Olymp der Videospielmusik verortet hatte. Zurecht? Schauen wir auf das Gebotene, lassen sich direkt ein paar Punkte feststellen. Da wäre die beachtliche Dauer von durchschnittlich fünf bis sechs Minuten pro Track, die deutlich macht: Das Album hat es nicht eilig, seine kleinen Geschichten zu erzählen, sondern nimmt sich Zeit. Zeit zum Zeigen und zum Experimentieren.

Immer wieder serviert uns der Score Stücke, die sich über ihren Verlauf entwickeln, häufig durchzogen von einem dominierenden Instrument oder einem Beat, der uns, wie schon bei „The Lighthouse“ für Splinter Cell: Chaos Theory, über die gesamte Länge des Liedes begleitet und als roter Faden aufzeigt, was wir bereits erlebt haben. So gelingt es dem Score, das rege Treiben der simulierten Großstadt auch musikalisch einzufangen, ohne dass wir uns darin verlieren.

Des Weiteren wird die Experimentierfreude deutlich, wenn wir uns die Genres ansehen, die wir den einzelnen Tracks zuordnen können: „Rush Hour“ fällt in die Kategorie Breakbeat und begleitete damals Trailer und Intro. Swing trifft auf das geschäftige „Bohemian Street Jam“ zu, und Stücke wie „The New Hood“, „Urban Underground“ oder „Crosswalk Talk [Bonus]“ fallen durch ihre funky freshe Art ins Genre des Trip-Hop. Letzteres ist zwar nichts für mich, gehört aber auch irgendwie zu einer diversen Stadtkultur dazu, oder?

All das sind Tracks, die wir hören, wenn wir uns um die Stadtverwaltung bemühen. Ähnlich wie die Sims-Reihe können wir in SimCity ebenfalls den Spielmodus wechseln. Hierbei wird unterschieden zwischen dem Bürgermeister- und dem Region-/Gottmodus. Während wir im ersten 99 Prozent der Zeit verbringen, können wir im zweiten neben Terraforming durch das Addon auch Nettigkeiten wie Umweltkatastrophen, Angriffe von Riesenrobotern oder Vulkanausbrüche verursachen.

Beim Wechsel der Modi rotiert derweil auch die Klangwelt, das wuselige Musikwirrwarr weicht ätherischen Tönen, die sphärisch Erhabenheit suggerieren. Lieder wie „Shape Shifter“, „Above the Clouds / From Above [Bonus]“, „Parallel View [Bonus]“ oder „Taking Shape [Bonus]“ lassen uns über den Wolken schweben und der Hektik entfliehen. Das mag zum Spiel passen, mir ist das allerdings zu langweilig. Zudem zeigen Tracks wie „Without Form“ oder „Terrain [Bonus]“ durch den Einsatz von Marimbas, E-Gitarren und Schlagzeug, wie es besser geht – hier werden Erinnerungen an die Weiten aus Edge of Chaos wach. Über „Primordial Dream [Bonus]“ sprechen wir derweil nicht, das klingt wie aus einer christlichen Schreckensgeschichte entliehen.

Genug also von himmlischen Weiten. Ich will Action, ich will Bewegung, also schnell wieder zurück ins Geschehen, womit wir zu meinen Favoriten kommen. Angeführt wird diese Liste von „By the Bay“ und „Epicenter / EpiCentre [Bonus]“, die absolut gegensätzlich sind und das Grundgefühl des Spiels wunderbar pointiert gegenüberstellen. „By the Bay“ von Jerry Martin beginnt mit einer einzelnen Marimba, die ein wenig vor sich hin klimpert. Irgendwann ertönt dann eine Klarinette, die einsam, fast schon sehnsüchtig eine Weise anstimmt. Als dann später E-Gitarren und Schlagzeug dazustoßen, klingt es fast wie der Abspann nach einem turbulenten, gefühlschaotischen Film. Im Grunde sehen wir, wie unsere Protagonistin dem Sonnenuntergang entgegengeht. Auch hier kommen bei mir Assoziationen an Edge of Chaos hoch.

Was in dem Streifen passiert ist, zeigt dagegen „Epicenter / EpiCentre [Bonus]“. Das wurde, wie ich bei meiner Recherche für diese Review hocherfreut feststellen durfte, von dem Musikerduo The Humble Brothers komponiert, was die Nähe von anderen Stücken wie „Oasis [Bonus]“ zu Need for Speed: Hot Pursuit 2 erklärt. „Epicenter / EpiCentre [Bonus]“ ist treibend. Es jagt uns durch die Straßen unserer eigenen Stadt, nimmt sich aber bei 1:35 und 5:55 die Zeit, um uns mit einem kurzen Gitarrenbreak und einem Augenzwinkern daran zu erinnern, dass das alles gar nicht so ernst gemeint ist. Außerdem featuret es als einziges Vocals, die entsprechend der Sims-Formel unverständlich bleiben.

Seine Nähe zur Sims-Reihe kann der Score auch an anderer Stelle nicht leugnen. Tatsächlich tauchen dem Wiki und meinen Erinnerungen nach ein paar der Stücke sogar in den TV-Kanälen von Die Sims 2 auf. Tracks wie „Street Sweeper“ oder „Transit Angst“ erwecken sofort das Bild von Maxis Lebenssimulation in meinem Kopf, während „Tarrmack“, „Rockin Down“ und „Landfill [Bonus]“ mich zu SimCity 4 bringen. Klingt komisch, ist aber so. Unerwähnt bleiben sollte zudem nicht das Jerry-Martin-typische Klaviergeklimper in „No Gridlock [Bonus]“ und das, wie ich finde, superspannende „Zone System“ – dieses Repetitive, fast schon Western-artige hat was.

Die Musik von SimCity 4 ist vieles: Sie ist experimentell, sie ist variantenreich, sie ist entschleunigend und dennoch bewegend. Ist sie bahnbrechend? Das kann ich nicht beurteilen. Meiner Meinung nach transportiert sie allerdings wie schon das ersten Sims ein Gefühl, das ich bei vielen ‚modernen‘ Spielen vermisse. Eine Art Pioniergeist, die Lust am Ausprobieren. Viele Soundtracks klingen heutzutage wie von der Stange produziert. Die großen Komponist*innen haben ihren Sweetspot gefunden, die kleinen kokettieren mit visionslosem Neuem. Das hier ist ein Score, der weiß, was er will und uns, Zuhörer wie Städtebauern, auf Augenhöhe begegnet. Und das sowohl als Kind, als auch Erwachsene. Meinerseits eine absolute, nostalgieverklärte Empfehlung.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

SimCity 4

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Rush HourJerry Martin44/5
02By the BayJerry Martin55/5
03The New HoodJerry Martin22/5
04Bohemian Street JamJerry Martin44/5
05Shape ShifterJerry Martin22/5
06Without FormJerry Martin44/5
07Street SweeperMarc Russo33/5
08Transit AngstRobi Kauker22/5
09Zone SystemKent Jolly44/5
10Urban UndergroundAnna Karney33/5
11TarrmackKirk Casey33/5
12Rockin Down / Gritty CityWalt Szalva33/5
13Re-DevelopmentJerry Martin44/5
14Chain ReactionEdwin Dolinski33/5
15Night OwlKirk Casey33/5

SimCity 4 [Deluxe Edition]

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Rush Hour*Jerry Martin44/5
02By the Bay*Jerry Martin55/5
03The New Hood*Jerry Martin22/5
04Bohemian Street Jam*Jerry Martin44/5
05Shape Shifter*Jerry Martin22/5
06Without Form*Jerry Martin44/5
07Street Sweeper*Marc Russo33/5
08Transit Angst*Robi Kauker22/5
09Zone System*Kent Jolly44/5
10Urban Underground*Anna Karney33/5
11Tarrmack*Kirk Casey33/5
12Rockin Down / Gritty City*Walt Szalva33/5
13Re-Development*Jerry Martin44/5
14Chain Reaction*Edwin Dolinski33/5
15Night Owl*Kirk Casey33/5
16No Gridlock [Bonus]Jerry Martin33/5
17Crosswalk Talk [Bonus]Robi Kauker22/5
18Epicenter / EpiCentre [Bonus]The Humble Brothers55/5
19Landfill [Bonus]Marc Russo44/5
20Oasis [Bonus]The Humble Brothers44/5
21Above the Clouds / From Above [Bonus]Jerry Martin22/5
22Terrain [Bonus]The Humble Brothers44/5
23Taking Shape [Bonus]Bob Marshall22/5
24Primordial Dream [Bonus]Michael Land11/5
25Parallel View [Bonus]Kirk Casey22/5

*Track im Original Soundtrack enthalten


Erscheinungsdatum: 2003
Art: Original Soundtrack (OST)
Komponist(en): Jerry Martin
Trackzahl: 11

Rush Hour

Was die einzige Erweiterung für SimCity 4 inhaltlich mit sich brachte, habe ich oben schon erklärt. Was sie musikalisch dagegen auf der Pfanne hat, kommt jetzt. Ich könnte an dieser Stelle auf die Review zum Hauptspiel verweisen und mit Floskeln wie ‚Jerry Martin setzt hier konsequent fort, was er in SimCity 4 schon begonnen hat‘ arbeiten, aber das wäre eine gleichsam zutreffende wie verkürzte Darstellung … zu verkürzt!

Zweifelsohne lässt sich feststellen, dass dieses Album seiner formelhaften Formellosigkeit treu bleibt. Gleichwohl erweitert der elf Tracks lange Score zu Rush Hour das Hauptspiel um die Facette der klassischen Musik erweitert, ohne dabei in Richtung von Genreverwandten wie Cities: Skylines abzudriften. Auch wenn beide wie bei „Dig Deep“ ins selbe Horn blasen, sind sie im Kern grundverschieden.

Jerry Martin präsentiert uns mit den anderen Komponisten keine klassische Videospielmusik, sondern vielmehr klassische … Klassik. Die Musik wirkt wie aus 2001: A Space Odyssey oder einem Historiendrama entliehen und nicht einer Städtebausimulation. Bach statt Beton? Ein wenig. Für sich alleine genommen könnte man dadurch das Gefühl bekommen, dass SimCity 4 ein viel ‚gewöhnlicheres‘ Strategiespiel wäre, dessen musikalische Begleitung noch deutlicher der vom ersten Sims nacheifert, anstatt dem poppigeren Sims 2, das ein Jahr später erscheinen sollte, den Weg zu bereiten.

Tatsächlich erinnern Stücke wie „Floating Population“ und „Deserted“ an eine Mischung aus Großstadt meets Peter und der Wolf. „Wheels of Progress“ hat dagegen eine gewisse Film-noire-Note. Und „Bombay“ und „Arctica“ haben dieses unverkennbar ‚indische‘ Feeling. Dem entgegen ist mein Favorit aus dem Score „ElectriCITY“, erneut von The Humble Brothers, die auf Stringenz zum restlichen Album pfeifen und ordentlich Breakbeat-Stimmung machen.

Da sich diese Songs des Addons im Game mit denen des Hauptspiels mischen, stellen sie eine interessante Ergänzung da, das Gesamtwerk bleibt indes kein klassischer Videospielsoundtrack. Für mich persönlich hätte es gerne etwas mehr vom ursprünglichen SimCity 4 sein dürfen, traurig bin ich um den neuen Kurs aber nicht. Die Stücke sind wirklich schön anzuhören und könnten gut in einem beliebigen Theaterstück oder einer Reisedokumentation auftauchen. Gute Hintergrundmusik eben.


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Bombay / Area 52Jerry Martin33/5
02Bumper to BumperJerry Martin33/5
03Floating PopulationWalt Szalva44/5
04Wheels of ProgressAndy Brick44/5
05MetropolisThe Humble Brothers44/5
06DesertedAndy Brick44/5
07Chain ReactionEdwin Dolinski33/5
08The Morning CommuteJerry Martin33/5
09ArcticaThe Humble Brothers33/5
10Dig DeepJerry Martin44/5
11ElectriCITYThe Humble Brothers55/5

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

de_DEDeutsch