Company of Heroes 2
Schindlers Liste statt Der Soldat James Ryan
Ein Desaster wie diese Titel war Company of Heroes 2 zum Glück nicht, ein Meilenstein gleich dem ersten Company of Heroes allerdings ebenso wenig. Ich hatte zwar meinen Spaß damit, musste mir aber ebenso eingestehen, dass ich den Vorgänger irgendwie besser fand. Lag es an der Kampagne um den Kampf an der Ostfront, der mich nicht so fesselte? Der schlechten Performance, die meinen PC sich mindestens genauso abkämpfen ließ wie die Pixelsoldaten, die er berechnen musste? Oder die Tatsache, dass auf einmal DLCs und Microtransaktionen statt richtiger Addons Einzug in die Videospielwelt hielten und nur zwei von fünf spielbaren Fraktionen im Hauptspiel enthalten waren? Ich weiß es nicht mehr.
Spiel also eher okay, was habe ich zum Soundtrack zu sagen? Da ich diese Review mit dem Vergleich früher/heute begonnen habe, mache ich doch damit galant weiter und weise auf das Offensichtliche hin: Nicht nur wurde der Umfang des OST auf 26 Tracks eingedampft, nein, auch bei den Komponisten gibt es Veränderungen. Hier wurde die Anzahl gedrittelt, statt Ian Livingstone, Inon Zur oder Jeremy Soule ist nun allein Cris Velasco für die Orchestrierung des Weltkriegsdramas zuständig. Dass er dieser Aufgabe mehr als gewachsen war, sollte mit Spielen wie God of War, Dark Messiah of Might and Magic, Borderlands 2 und Mass Effect 3 im Lebenslauf klar sein.
Wer eine nahtlose Fortsetzung des im ersten Company of Heroes Gehörten erwartet, wird schnell enttäuscht sein. Das lebte ja von seiner abwechslungsreichen Mischung aus gefühlvollen Ambientstücken und militärisch klingenden Actionpieces. Diese finden wir auch in Company of Heroes 2 wieder, allerdings mit einem bedeutenden Twist. Denn hier stammen alle Stücke, wie gesagt, ausschließlich von Velasco, weshalb der Score automatisch eine deutlich stärkere Kohärenz aufweist als das Sammelsurium, das im Vorgänger erklingt. Dessen hohe Wertung belegt zwar dafür, dass das Experiment zumindest für mich aufgegangen ist, eine Garantie dafür gibt es indes nie.
Eine gänzlich andere Perspektive nimmt der OST naturgemäß nicht ein. Erneut sind wir musikalisch den Wirren des 2. Weltkriegs ausgeliefert, erneut stehen sich Epos und Tragödie gegenüber und knüpfen in unsen ein Gefühlteppich aus Ansporn und Verzweiflung. Dabei setzt der Komponist das um, was im Vorgänger aufgrund des Dreigestirns nur zum Teil möglich war: ein Hauptmotiv, das uns über den gesamten Score hinweg begleitet und punktuell Akzente setzt.
Company of Heroes 2 beginnt leise, bedächtig, wie ein sich gemächlich entzündender Sturm, der am Horizont heraufzieht. Während er langsam an Intensität zu gewinnen scheint, verstummen die langgezogenen Streicher und Percussions. An ihre Stelle tritt eine Violine, die John Williams Theme zu Schindlers Liste gleich einsam erklingt, schön und zerbrechlich. Schnell gewinnt sie jedoch an Kraft, was sie vom filmischen Vorbild unterscheidet. Der Streicher bleibt auch nicht lange allein: wie zu einem Kammerspiel wächst das Orchester heran, wird größer, kräftiger, bevor es bei 1:40 durch einen Chor ergänzt wird.
Nun tanzt die 1. Violine auf der Stelle, fast schon todesverachtend, wie eine Tänzerin auf einem Häuserdach fliegt sie über die düsteren Wirren der Straße unter ihr, von wo aus das Orchester nach ihr zu greifen scheint. Es wird lauter, bedrohlicher, bestimmter. Als wäre sie nicht vom Giebel gefallen, sondern hätte sich die Straße zu ihr erhoben, taucht sie ein in die Klangkulisse. Die Fusion glückt, eine Hochzeit von bezaubernder Hingerissenheit und Stoizismus – doch sie darf nicht lange bestehen. An die Stelle der Schönheit treten dominante Bläser und Percussions, die das Streichinstrument zu verschlucken scheinen: Der Krieg ist gekommen, der Tod ist gekommen. Das Stück schließt wieder auf einer bedächtigen Note, doch die Schönheit des Moments ist verflogen.
Wie angemerkt wird es nicht das letzte Zusammenspiel von Melodie und Männerchor innerhalb des Soundtracks gewesen sein, der sich thematisch an osteuropäische / russischer Tropen anlehnt. Was bei der Eastern Front-Mod für Company of Heroes bei mir für Augenrollen sorgte, funktioniert hier derweil hervorragend. Velasco, der mit seinem brachialen Stil schon in der God of War-Reihe überzeugen konnte, trifft hier den perfekten Sweetspot, um weder zu pathetisch noch zu belanglos zu werden.
So hören wir den Gesang in Kombination mit den Streichern in March Into Hell, O My Brother, Be Strong (hier auch zusammen mit dem heroischen Main Theme) und Stand, Rise Up!, das zunächst an die GoW-Reihe erinnert, bevor es später eher in Richtung Star Wars driftet – interessant! Auch im schnellen Blitzkrieg erklingt kurz das Leitmotiv, dessen Kombination mit den Bläsern ein wenig die Star Trek-Filme der Kalvin-Timeline touchiert. Dahingegen überzeugt in Onward to Victory die Verknüpfung von dominanten Streichern, Bläsern und Chor.
Wo Velasco in den aufpeitschenden Kampftracks brilliert, fallen die Ambientstücke hinten vom Versorgungstruck. Anders als beim ersten Company of Heroes, in denen Soule mit seinem Talent für bewegende Hintergrundtracks etwas Abwechslung in das Grau der Kriegsschauplätze bringen konnte, erinnern Stücke wie Footsteps in the Snow, We Toil with No Respite oder Ghosts of the Fallen mit ihren düsteren und bedrückenden (Cello-)Klängen eher an Horrorspiele Marke Dead Space oder ein uninspiriertes Supreme Commander (Soldiers, Be Wary). Sie sind damit zwar immer noch besser als das, was wir in vergleichbaren Scores dieses Genres hören und passen perfekt zum Setting der kalten Ostfront (bzw. OST-Front), es fühlt sich dennoch etwas nach liegengelassenem Potential an.
Kurz noch die beiden anderen Highlights angerissen: Don’t Weep, That Time Has Passed ist ein Ansturm, sowohl metaphorisch als auch instrumental. Die anpeitschenden Klänge, dieses Weiter, das uns in Verbindung mit dem Chor aus dem Schützengraben aufs Schlachtfeld jagt und uns Kugeln und Explosionen ignorieren lässt, gefällt mir besonders gut. A Red Army Rising schlägt zwar in die gleiche Kerbe, lässt aber mehr Zweifel zu. Eigentlich wollen wir hier gar nicht sein, aber wir müssen. Für den Sieg. Für den Triumph. Den enthält uns Velesco fast das gesamte Stück über vor, bis uns bei 2:39 endlich die Katharsis vergönnt ist.
„Der Soundtrack zu Company of Heroes 2 ist sehr gut.“ So ließe sich ein Fazit anfertigen, was im Kern zutrifft und gleichsam so viel ungesagt lässt. Cris Velasco hat nicht versucht, die Arbeiten seiner Vorgänger zu kopieren. Stattdessen ist es ihm gelungen, den Spirit ihrer Komposition zu behalten und an einen gänzlich anderen Kriegsschauplatz zu verfrachten. Während das erste Company of Heroes den Heroismus der Normandie und Befreiung des Westens zelebriert, stellt der Soundtrack zu Company of Heroes 2 die Grausamkeit der winterlichen Ostfront dar. Von Kälte, von Zerstörung und Tod. Hinzuaddiert er überbordenden Patriotismus und Heroismus, der auf die harsche Realität des Krieges trifft, auf Hoffnungslosigkeit und Trauer. Und so endet der Score auch mit dem andächtigen A Prayer for My Company, dessen Cello leise in der Dunkelheit und dem Nichts verhallt … so wie diese Review.
Nostalgiewarnung
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Company of Heroes 2 | Cris Velasco | |
02 | Blitzkrieg | Cris Velasco | |
03 | Footsteps in the Snow | Cris Velasco | |
04 | Tread Softly | Cris Velasco | |
05 | March Into Hell | Cris Velasco | |
06 | O My Brother, Be Strong | Cris Velasco | |
07 | We Toil with No Respite | Cris Velasco | |
08 | Stand, Rise Up! | Cris Velasco | |
09 | The Advancing Hordes | Cris Velasco | |
10 | Ghosts of the Fallen | Cris Velasco | |
11 | Soldiers, Be Wary | Cris Velasco | |
12 | Don't Weep, That Time Has Passed | Cris Velasco | |
13 | Epitaph | Cris Velasco | |
14 | Sneak Attack | Cris Velasco | |
15 | Gather Your Forces | Cris Velasco | |
16 | Shadows in the Mist | Cris Velasco | |
17 | Onward to Victory | Cris Velasco | |
18 | Not One Step Back | Cris Velasco | |
19 | The Fog of War | Cris Velasco | |
20 | In Russia, Rubik's Solves You | Cris Velasco | |
21 | The Struggle Remains | Cris Velasco | |
22 | Za Rodinu! | Cris Velasco | |
23 | Frostbite | Cris Velasco | |
24 | A Red Army Rising | Cris Velasco | |
25 | The Long Winter | Cris Velasco | |
26 | A Prayer for My Company | Cris Velasco |
Erscheinungsdatum: 2014
Art: Gamerip
Komponist(en): Cris Velasco
Trackzahl: 14
The Western Front Armies
Das Addon zu Company of Heroes 2, The Western Front Armies, dreht sich, wenig überraschend, wie bereits das erste Company of Heroes um die Westfront. Auch wenn im Hauptspiel der Konflikt von Nazideutschland und der Sowjetunion im Fokus stand, stellt sich trotzdem die Frage, warum erst ein Jahr nach dem Release mit den US-Truppen und dem deutschen Oberkommando West die Anzahl der spielbaren Fraktionen in nennenswerte Regionen vorstieß. Schließlich bot uns CoH 2 nur die Sowjetunion und das deutsche Ostherr zur Auswahl. Gerade für einen Multiplayertitel – und das wollte Company of Heroes 2 scheinbar sein – war das seit den frühen Command & Conquer-Spielen echt kein smarter Move.
Für ebenso ‚fehlgeleitet‘ halte ich zudem den Verzicht auf einen Original Soundtrack, der ja beim Hauptspiel noch inkludiert war. Stattdessen blicken uns 14 namenlose Titel aus dem Gamerip-Schützengraben entgegen, die nicht nur aufgrund ihrer Benennung uniform wirken. Auch inhaltlich kommen die Stücke recht gleichförmig daher, bestechen sie doch alle durch ihre Kombination aus schnellen Streichern, getragenen Bläsern, zurückhaltenden Percussions und einem Mangel an Höhepunkten.
Komponist Cris Velasco schlägt hier einen eher konventionelleren Weg ein, der die Kreativität des Hauptspiels vermissen lässt. Während die Ambientstücke 01–04 in ihrer ruhigen Art fast schon in Fantasyregionen vorstoßen, gehen die Action-Tracks mehr in Richtung eines Empire: Total Wars oder Star Trek-Filmscores von Michael Giacchino (05+10). Deren Tiefe oder gar die des Vorgängers erreicht der Gamerip leider nie, sondern fungiert über weite Strecken als Mittel zum Zweck.
Das ist wirklich schade, denn es wäre schön gewesen, eine direkte Gegenüberstellung von Velascos Interpretation der Thematik mit denen seiner drei Berufsgenossen zu haben. So würde der Score in der Bedeutungslosigkeit daherdümpeln, wenn nicht mit 13 zumindest ein hörenswertes Stück aus dem Kriegsnebel auftauchte. Dessen dramaturgischer Aufbau bietet wenigstens etwas Abwechslung und erzählt die bekannte Geschichte von Vorbereitung auf, Aufeinandertreffen in und die Nachwehen der Schlacht.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 01 | Cris Velasco | |
02 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 02 | Cris Velasco | |
03 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 03 | Cris Velasco | |
04 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 04 | Cris Velasco | |
05 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 05 | Cris Velasco | |
06 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 06 | Cris Velasco | |
07 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 07 | Cris Velasco | |
08 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 08 | Cris Velasco | |
09 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 09 | Cris Velasco | |
10 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 10 | Cris Velasco | |
11 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 11 | Cris Velasco | |
12 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 12 | Cris Velasco | |
13 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 13 | Cris Velasco | |
14 | Company of Heroes 2: The Western Front Armies 14 | Cris Velasco |