Fantastic Creatures
Authentisch asiatisch
Trotzdem muss ich gestehen, dass ich enttäuscht war, als ich auf das Album stieß und zunächst dachte, dass mir hier hochkarätige Potter-Mucke ins Haus stünde. Meiner Maxime folgend, dass auch jedes noch so bedeutungslose Spiel einen guten Score haben kann, gab ich dem Ganzen eine Chance… und wurde nicht enttäuscht! Genau genommen habe ich sogar recht viel Lob für den OST, denn der kann fast durchweg überzeugen!
Komponiert wurden die 19 Tracks vom Taiwaner Ian Chen und alle stehen sie im Zeichen chinesischer Klangkultur. Für jemanden, der zuvor nur für ein noch unbedeutenderes Spiel musikalisch tätig wurde – so unbedeutend, dass ich nicht mal den Namen in Erfahrung bringen konnte – ist das Ergebnis mehr als hörenswert. Tatsächlich so hörenswert, dass es 2019 für den Game Audio Network Guild Award (G.A.N.G. Award) nominiert wurde. Den gewann zwar damals Star Wars Jedi: Fallen Order, doch zumindest beim 18. Independent Music Award konnte Chen siegreich vom Feld schreiten.
Für mich, der weder ein Musikstudium, geschweige denn eine Ausbildung in klassischer chinesischer Orchestrierung besitzt, bleiben nur leere Phrasen wie ‚schön‘, ‚entspannend‘ und ‚beruhigend‘, um das Album zu beschreiben. Wie ein akustischer Zen-Garten besitzen viele der Tracks einen fast schon meditativen Sog. Sei es Genesis, das mit seinen Panflöten Erinnerungen an die Avatar – Der Herr der Elemente-Serie wach werden lässt. Oder umgekehrt Base of Fire mit seinen treibenden Trommeln und Flöten, das, einem Der erste Kaiser: Aufstieg des Reichs der Mitte nicht unähnlich, antreibt und treiben lässt. Hier lasse ich den Komponisten gerne kurz selbst zu Wort kommen:
Harmony or Destruction spiegelt einen Schlüsselpunkt im Spiel wider, an dem der Spieler sich entscheiden muss, entweder die neu erworbene Macht der Axt von Pangu zu nutzen, um alle anderen Gottheiten zu vernichten, oder das Gleichgewicht in der Welt mit Hilfe von technologischen Fortschritten und diplomatischen Ansätzen wiederherzustellen. Das Stück beginnt mit einer bedrohlichen Hornlinie und einem phrygisch-pentatonischen Guzheng-Solo, das Schicksal und Bestimmung symbolisiert. Im Mittelteil beruhigt sich alles zu einem Pizzicato in den Streichern und einem kontinuierlichen Holzblock-Rhythmus. Bald darauf setzt eine wehmütige Erhu-Melodie ein, die auf die Möglichkeit der Hoffnung für die Zukunft hinweist. Die Melodie wird an das Solocello und die Streicher weitergegeben, und schließlich gesellen sich die Trommeln und Hörner wieder zum Ensemble und drängen den Spieler zu einer endgültigen Entscheidung.
Komponist Ian Chen im Interview über Harmony or Distruction
Als eine seiner Inspirationsquellen verweist Ian Chen in einem anderen Interview mit Gaming Cypher neben Geschichten aus seiner Jugend auch auf andere Spiele wie Endless Legend und erklärt darüber hinaus, was für ihn die Musik zu Fantastic Creatures besonders macht:
Chinesische Instrumente werden traditionell in acht Gruppen eingeteilt: Seide, Bambus, Holz, Stein, Metall, Ton, Kürbis und Haut. In Fantastic Creatures konnte ich Instrumente aus sechs dieser Gruppen verwenden, darunter die chinesische Violine Erhu (Seide), die Flöte Dizi (Bambus), die Holzblöcke Banzi (Holz), den Gong (Metall), die Mundharmonika Sheng (Kürbis) und die Zeremonialtrommeln Tanggu (Haut).
Ian Chen über klassische chinesische Instrumente
Ich für meinen Teil bin dankbar, dass ich sowohl über den Score, als auch die oben verlinkten Interviews gestolpert bin, die mir die Entstehungsprozesse noch einmal etwas verdeutlich haben. Für einen Europäer wie mich ist es einfach, die traditionelle asiatische Musikwelt als fremd und eindimensional abzutun. Chen zeigt in Fantastic Creatures dagegen ihre Vielseitigkeit, von unbändiger Lebensfreude (Song of the People) bis zu tiefster Ruhe (Distant Memory). Natürlich sind auch Werke westlicher Komponisten, wie beispielsweise Jeff van Dycks Total War: Shogun 2 oder Hans Zimmers Arbeit für Kung Fu Panda herausragend, aber es ist noch einmal etwas anderes, ein authentischeres Werk zu hören, aus der Feder von jemandem, der auch aus diesem Kulturkreis stammt. Chapeau!
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Genesis | Ian Chen | |
02 | Source of Evil | Ian Chen | |
03 | Black Tortoise of the North | Ian Chen | |
04 | Pillar of Heaven | Ian Chen | |
05 | Empress Nuwa | Ian Chen | |
06 | Base of Fire | Ian Chen | |
07 | Azure Dragon of the East | Ian Chen | |
08 | Fantastic Creatures | Ian Chen | |
09 | Primordial Chaos | Ian Chen | |
10 | Song of the People | Ian Chen | |
11 | Vermillion Bird of the South | Ian Chen | |
12 | Dance of the Yellow River | Ian Chen | |
13 | Distant Memory | Ian Chen | |
14 | Hammer and Anvil | Ian Chen | |
15 | Mend the Heavens | Ian Chen | |
16 | White Tiger of the West | Ian Chen | |
17 | Harmony or Destruction | Ian Chen | |
18 | Queen Mother of the West | Ian Chen | |
19 | Sukhavati | Ian Chen |