Soundtracks,  Videospiele

Child of Light

Erscheinungsdatum: 2014
Art: Original Soundtrack (OST) / Extended Edition
Komponist(en): Béatrice Martin (Cœur de Pirate)
Trackzahl: 18 / 38


Lichtgestalt und Soundgewalt

Es entstand einst vor langer Zeit
Ein Spiel mit Namen Child of Light.

In diesem Märchen von Ubisoft
Verkörpern wir gar unverhofft

Aurora, Prinzessin, schwer erkrankt
Im Fiebertraum neu‘ Kraft sie tankt.

Sie ist gar wundervoll die Märe
Vom Mädchen mit dem feurig Hair. Eh

nur leider hat’s kaum wer gezockt
Sodass kein Investor hat frohlockt.

Egal sag ich, es bleibt mir wohl
Im Gedächtnis dank der Birne hohl.

Doch Spiel allein ist nicht der Grund
Den tue ich in dieser Review kund!

Es geht nicht um Süd, West oder Nord
Nein, der OST ist meines Glückes Hort.

Ich bitte diesen kurzen Ausflug ins Reich der Poesie zu entschuldigen, bot es für diesen Titel doch einfach an. Schließlich wird auch im 2014er Indie-Titel Child of Light gereimt, dass sich das Hirn verknotet. Das kann nerven, passt jedoch perfekt ins Konzept dieses videospielgewordenen und kindgerechten Märchens. Ich möchte gar nicht zu viele Worte verlieren, da ich das bereits an anderer Stelle getan habe – auch wenn es nicht meine eigenen waren. Denn ich durfte damals den Artikel einsprechen, den eine Kommilitonin für das von mir geleitete Format ‚WohnGameinschaft‘ verfasst hat und der das Spielkonzept gut wiedergibt.

Nein, ich brauche den Raum dieser Rezension, um über das orchestrale Meisterwerk zu sprechen, welches der Child of Light-Soundtrack ist. Die kanadische Singer-Songwriterin Béatrice Martin, auch bekannt als Cœur de Pirate, hat es geschafft, einen Score zu komponieren, der direkt ins Herz geht und Optimismus, Heldenhaftigkeit nebst kindlicher Freude in fesselnde wie berührende Musikform zu gießen. Nicht umsonst taucht die Musik in diversen Top-Listen meinerseits auf: Final Breath belegt Platz 10 der traurigsten Tracks, Metal Gleamed in the Twilight und Aurora’s Theme landeten in der Top 100 beste Tracks und die Komposition belegte sogar Platz 1 meiner Top-Indie-Score-Liste. Für einen prestigeträchtigen Preis hat’s dagegen nicht gereicht, verlor die Musik bei den Gameawards 2014 doch gegen Destiny 2 … sei’s drum.

Kurz noch eine wichtige Formalie im Voraus, in der ich darauf hinweisen möchte, dass der OST ‚nur‘ 18 Titel umfasst. Das ist zwar heutzutage Usus und kann im Normalfall vollkommen ausreichend sein, bei Child of Light fehlen dadurch leider ein paar Facetten und Variationen der Musik. Ich würde deshalb empfehlen, die Tiefe des Netzes nach der Extended Version bzw. dem Complete Score zu durchforsten, der mit 20 Tracks mehr aufwartet und alternative Instrumentalisierungen anbietet … oder ihr orientiert euch einfach an mir und meinen Wertungen unten, der dies bereits getan hat. *zwinker*

Nun also los! Mit 17 von 18 Tracks im Topbereich, wird es mir derweil nicht möglich sein, alle Stücke des OSTs einzeln und tiefergehend zu behandeln. Deshalb gehe ich kurz auf die Gemeinsamkeiten ein, die ihnen innewohnen. Jedes Lied ist auf seine eigene Art fantastisch und bewegend. Dabei greift Martin über weite Strecken auf ein überschaubares Instrumentenarsenal zurück: dominantes Klavier, seicht begleitende Geigen und mal unterschwellige, mal raumfordernde Trommeln erzeugen eine Atmosphäre, die zwischen Hopserlauf über die Frühlingswiese und Titankampf hin- und herpendelt.

Dabei wird der Score nie pathetisch oder zu kindisch, sondern trifft genau den Sweetspot von berührend und begeisternd. Ich persönlich kenne nur wenige Scores, denen dies gelingt. Andere Beispiele hierfür sind meiner Meinung nach Valiant Hearts: The Great War, Life Is Strange oder die Musik zum Film Die fabelhafte Welt der Amélie von Yann Tiersen. Während diese anderen Beispiele zum Teil mit Extravaganz oder Experimentierfreude glänzen, ist Child of Light recht basic unterwegs: simple Melodien, häufige Wiederholungen von Versatzstücken sowie die Nutzung von Leitmotiven, machen den Score zugänglich und eingängig, ohne zu nerven. Zu keiner Sekunde kommt Langeweile auf, jedes Stück fühlt sich wie die logische Fortführung von Protagonistin Auroras Reise durch das märchenhafte Lemuria an.

Es ist die Heldenreise, aber die eines Mädchens, das zur jungen Frau wird. Da ist es umso passender, dass das Credit-Theme Off to Sleep von Cœur de Pirate selbst gesungen wird und oben beschriebene Life Is Strange-Vibes aufkommen lässt. Doch ich greife vor. Kommen wir zu den besonders schönen Stücken, also quasi fast allen:

  • Pilgrims on a Long Journey ist der Beginn des Scores, der Beginn der Reise und leitet entsprechend zaghaft mit einem einzelnen Tastenanschlag auf dem Klavier ein. Vorsichtig, zögerlich entspinnt ich eine Musik, die begleitet von Streichern Fahrt aufnimmt, ein Cello verleiht dem Ganzen Tiefe. Bemerkenswert sind auch die Tempiwechsel, was man – zumindest bei Soundtracks – selten hört. Die Reise hat begonnen. Vorsichtig. Neugierig. Alleine.
  • Aurora’s Theme ist kräftiger. Es zeigt die werdende Heldin, die sich in einem ihr vollkommen fremden Märchenland zurechtfinden muss. Optimistisch wie verträumt erfüllt der Streicher unsere Seele, wird unterstützt durch Percussions und zeigt ihren Entdeckerdrang, später erinnern uns Klavier und Glockenspiel im Zweiklang mit Gitarrenchords an Auroras kindliche Unschuld. Dann setzen die Trommeln ein, die etwas Herrschaftliches, Dominantes haben – Aurora ist nach wie vor eine Prinzessin.
  • Magna’s Heart erfährt einen ähnlichen Einstieg wie Aurora’s Theme, ist aber dominanter und weniger verspielt. Es ist die Welt, die nach uns ruft, die erkundet werden will. ‚Ich bin schön‘ scheint sie zu rufen, mit all ihren Facetten. Eine Ode ans Märchengenre.
  • Die ‚Kampftracks‘ werden im OST mit Jupiter’s Lightning, Dark Creatures, Metal Gleamed in the Twilight und Hymn of Light bedient, die allesamt gleichsam wie Fremdkörper und Essenz dieser Akustikwelt wirken. Es will nicht passen, dieser orchestrale Bombast, diese musikalische Apotheose des kleinen Mädchens, das sich gegen die Dunkelheit stellt. Die Instrumente, die Melodien, sie konkurrieren und harmonieren gleichzeitig und bilden eine Klangkulisse, die einer Oper gleich Bilder göttlicher Schlachten heraufbeschwören, wunderschön und furchtbar.
  • Final Breath ist Aurora’s Theme, nur in traurig und bedächtig. Dazu zitiere ich gerne aus meiner Top 15 Liste traurigster Tracks:

Das Hauptthema von Child of Light, das in diesem Duett aus Violine und Klavier bedächtig und zurückhaltend erklingt, hören wir zum ersten Mal, wenn wir uns von unseren Freunden und Weggefährten im Spiel trennen. Final Breath ist eine Erinnerung daran, dass jedem Schmerz auch etwas Schöneres voranging, dass alles Gutes irgendwann zuende geht und das jeder Abschied und jedes Ende auch der Beginn von etwas Neuem sein kann.

Ich über Final Breath

  • Patches of Sky, Bolmus Populi und Down to a Dusty Plain sind schöne und entspannende Alternativen zu den restlichen interpretationsoffenen Tracks des Scores. Sie sind Märchenmusik, oder zumindest das, was man sich darunter vorstellt, wenn man den bloßen Klappentext eines Kinderbuchs liest. Das macht sie nicht weniger wertvoll, sondern im Gegenteil besonders wichtig. Jeder Kindheit sollte eine Leichtigkeit innewohnen, in der man einfach glücklich sein darf. Im OST dürfen wir das hier.
  • Leave Your Castle und Path of the Eclipse markieren den Übergang, weg von der unbeschwerten Jugend hin zum Erwachsenwerden. Die Töne werden schwerer, ernster. Trotzdem ist es nichts, woran der Hörer zerbrechen sollte. Vielmehr sind sie eine Brücke, eine Erinnerung an die Unbedarftheit der Vergangenheit. Doch nun wird es Zeit, diesen Teil hinter uns zu lassen, unser Schloss zu verlassen. Nicht um zu vergessen, sondern um weitere Erfahrungen zu machen, die unserer Melodie Varianz bringen.

Zu den Stücken aus dem OST gesellen sich wahlweise noch ein paar weitere aus der Extended Version bzw. dem Complete Score hinzu, die beispielsweise Choräle und Orchestrale Variationen bieten oder durch Solos einzelnen Tracks einen etwas anderen Touch geben. Auch das Victory-Theme, das an Final Fantasy und Ni no Kuni erinnert, hat es in einer längeren Version reingeschafft. Wer wie ich also vom Original Soundtrack nicht genug bekommt, findet hier noch etwas mehr Child of Light, muss sich jedoch auf Doppelungen einstellen.

Ein Risiko, das meiner Meinung nach absolut verschmerzbar ist. Um hier jedoch nicht den Absprung zu verpassen und mich in dieser Review zu verlieren, zitiere ich deshalb zum Abschluss einfach … mich selbst. Aus der Indie Top Liste, wo ich es schnulzig schön auf den Punkt gebracht zu haben glaube:

Der Child of Light-Soundtrack ist purer Zucker. So süß, dass er glücklich macht. So schön, dass er süchtig macht. Und so intensiv, dass er dir die Zähne erodiert und dich weinend und sabbernd zurücklässt. Er ist Klassik und Drama, wie eine stumme Oper, deren Stimme das Orchester ist. Grandios, erbauend, niederschmetternd. […] Ein Volltreffer, der die Fabel in ‚fabelhaft‘ steckt und auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und Kunst meisterhaft balanciert. Man muss das Spiel nicht gezockt haben, um dieses akustische Meisterwerk von Cœur de Pirate genießen zu können.

Aus der Top 10 Indie Scores


Nostalgiewarnung

Die Wertung der einzelnen Tracks ist rein subjektiv und durch meine eigene Erfahrung mit dem Spiel deutlich gefärbt. Mehr dazu findest du in dem Artikel Über Nostalgie.

Child of Light

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Pilgrims on a Long JourneyCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
02Aurora's ThemeCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
03Magna's HeartCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
04Jupiter's LightningCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
05Final BreathCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
06Patches of SkyCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
07Dark CreaturesCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
08Little Girl, GenCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
09Bolmus PopuliCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
10Leave Your CastleCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
11Metal Gleamed in the TwilightCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
12Funeral DirgeCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
13Down to a Dusty PlainCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
14Woods Darker Than NightCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
15Path of the EclipseCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
16Hymn of LightCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
17Victory [Alternate]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
18Off to SleepCœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5

Child of Light [Complete Edition]

Nr.TitelInterpret(en)Bewertung
01Child of Light [Aurora's Theme][Orchestral Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
02Chapter I - The Girl and the FireflyCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
03The Shadows of Pluto [Dark Creatures]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
04VictoryCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
05Ever Wander Under Statues' Gaze [Pilgrims on a Long Journey]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
06The Horn and the Spear [Metal Gleamed in the Twilight][Choral Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
07Chapter IV - The Deep Dark WellCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
08The Bitter DepthsCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
09From a Flock of CrowsCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
10Like a Bird SungCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
11JovialCœur de Pirate [Béatrice Martin]22/5
12The Light of Jupiter*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
13With Hair Argent and Crimson [Down to a Dusty Plain][Piano & Strings Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
14Hope Is Low [Solo Violin Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
15Steamworks [Patches of Sky][Orchestral Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
16Hope Is Low [String Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
17Child of Light in AgitatoCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
18Chapter VI - Of Mice and Magna [Bolmus Populi]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
19The Horn and the Spear [Metal Gleamed in the Twilight][Orchestral Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
20Into the BellyCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
21The Rat That PlaysCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
22The Mirror LightlyCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
23Umbra [Path of the Eclipse]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
24MotherCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
25Chapter VIII - The Highest of the High [Leave Your Castle]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
26A Serpent of the Twilight [Metal Gleamed in the Twilight][Choral Version]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
27Chapter IX - The Piscean and the OgreCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
28The Sword of MarsCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
29Steamworks [Little Girl, Gen][Piano & Strings Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
30Chapter X - The Lowest of the LowCœur de Pirate [Béatrice Martin]33/5
31With Hair Argent and Crimson [Orchestral Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
32Air Most FoulCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
33A Serpent of the Twilight [Orchestral Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
34The Land That SungCœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
35Child of Light [Piano Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
36The Hymn of Light [Choral Version]Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5
37The Hymn of Light [Orchestral Version]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]55/5
38Wake Up [Off to Sleep]*Cœur de Pirate [Béatrice Martin]44/5

*Track im Original Soundtrack enthalten

One Comment

  • Muhtiges Kind

    Wasser küsst Farbe,
    die Geige das Klavier,

    Es beginnt eine Sage,
    Vom goldgekröhnten Kinde hier,

    das Review die Krone zurecht putzt,
    die dem Spiel gebührt,
    vom ersten Reim
    bis zum Zitat, die Liebe man spürt.

    Auch wenn nicht einverstanden
    mit jedem Ausspruch wohl formuliert,
    so las ich ganz unverwanden,
    die Schreibkunst, die hier wird zelebriert

    Oh Autorenheit
    Danke der Worte, die sie beschreibt,
    die Schönheit
    von Child of Light

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