Knights and Merchants: The Shattered Kingdom
Schützenzug statt Schießstand
Und während sich zumindest dieses Problem mit genügend Übung wohl hätte bewältigen lassen können, wog der erste Faktor wohl am schwersten, da ich die Demo eines unbedarften Tages tragischerweise löschte. Hier kurz der Ablauf, wie ich mich zu erinnern meine: Ich wollte die Exe auf den Desktop ziehen, damit man nicht immer auf den Ordner klicken musste (ja, so schlau war ich schon). Plötzlich konnte ich es aber nicht mehr starten, das Spiel musste kaputt sein – kann ja keiner damit rechnen, dass die Exe im Verzeichnis bleiben muss. Aus heutiger Sicht natürlich ziemlich dämlich, kann man mir das wirklich nicht vorhalten, immerhin war meine PC-Expertise zu dem Zeitpunkt auf dem gleichen Stand eines heutigen CSU-Wählers.
Gut, das Spiel funktionierte also nicht mehr – was tun? Anstatt die Datei wieder zurückzuschieben, probierte ich die anderen Icons in dem Ordner aus … unter anderem auch eines mit der Beschriftung ‚uninstall‘. Gesehen, geklickt, verzweifelt. Die Deinstallation lies sich nicht mehr stoppen und plötzlich war Knights and Merchants weg. Ich glaube, ich habe geheult. Denn der Verlust einer Unterhaltungssoftware glich in einer Zeit vor geregeltem Einkommen dem Verlust eines guten Spielkameraden. Meinen Bruder habe ich dann vermutlich angelogen und steif und fest behauptet, das Defrag (die OGs werden sich erinnern) habe es kaputt gemacht.
Nach dieser therapeutischen Aufarbeitung vergangener Jugendsünden springe ich fix zum Soundtrack, der natürlich ausschlaggebend für die Wiederentdeckung von Knights and Merchants war. Der wurde diesem Steam-Thread zufolge von Joachim Schäfer und Gerd Hofmann komponiert, von denen wir zumindest Ersteren kennen. Glücklicherweise erweist sich dieser OST als deutlich unterhaltsamer im Vergleich zu Schäfers Mind-Fuck-Fest Earth 2140 oder dem aufregungsarmen Emergency: Fighters for Life.
Denn für Knights and Merchants wurde themennah komponiert und auf klassische Mittelalter-Tropen gesetzt. Das funktioniert erwartbar gut: Während uns das typische Ensemble aus Lauten, Flöten, Hörnern und Percussions entgegendudelt, kommt dank ein paar simpler Melodien in Stücken wie Middle Ages Horn, In the Marketplace und Deep Blue feudale Stimmung auf. Grund dafür ist auch, dass teilweise auf klassische Kompositionen zurückgegriffen wurde, die ich leider nicht alle identifizieren kann. In der oben vermerkten Unterhaltung auf Steam wird beispielsweise darauf verwiesen, dass es sich bei Spirit und At Court um Adaptionen von Mozarts 11. Klaviersonate (K. 331) handelt. Es kann also sein, dass ich den Komponisten hier versehentlich Werke von Bach und Konsorten zuschiebe – happens.
Da bei den großartigen Soundtracks der ersten Anno-Spiele ebenfalls unter anderem Stücke des österreichischen Klassikers Platz fanden, ist es natürlich möglich, dass mir Knights and Merchants deshalb so zusagt. Es erinnert mich beispielsweise Spring mit seinen Flötentönen an Windgames aus dem Anno 1503 Addon Schätze, Monster und Piraten. Umgekehrt weckt Lute Erinnerungen an Old-School-RPGs wie The Elder Scrolls: Arena. Das ist herrlich passend und gibt der ganzen Klangkulisse noch eine neue Dimension, ohne dass es wie bei Earth 2140 zum Fremdkörper mutiert.
Umgekehrt ist allerdings auch nicht alles eitel Sonnenschein – bzw. ein Übermaß desselben. Wo ein Stronghold den Grat aus Unbeschwertheit und Ernsthaftigkeit bravourös beschreitet, wirken manche Tracks etwas zu sehr an Siedler angelehnt und schlecht kopiert. Hin und wieder schießen Schäfer und Hofmann übers Ziel hinaus und landen mit überzogenem Kitsch und Happiness bei Stücken wie Busy, Mercenary und On the Battlefield, die irgendwo zwischen Trine und den Schlümpfen rangieren. Für mich ist ein kein Deal-Breaker, wem die Beispiele oben indes zu kindisch sind, wird weniger Spaß haben.
Generell liegt der Fokus trotz kleinerer Anbahnungen wie den Marschtrommeln von The Army also deutlich auf den positiven Vibes. Einzig Struggle bricht etwas aus dieser Tonalität aus und scheint eher von Age of Empires oder Strategiespielen Marke Westwood inspiriert. Das kann man blöd finden oder den OST als das nehmen, was er ist. Eine nette Mittelalter-Dreingabe, die ihre Stärken dort hat, wo nicht zu sehr auf dem Gute-Laune-Bär geritten wird, sondern die Komponisten uns durch die verwinkelten Gassen eines mittelalterlichen Städtchens führen. Der Jahrmarkt ist zwar in der Stadt, aber man muss ja nicht hingehen.
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Spirit [Piano Sonata No. 11 in A major, K. 331 - I. Andante grazioso] | Wolfgang Amadeus Mozart | |
02 | Busy | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
03 | Middle Ages Horn | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
04 | Spring | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
05 | Lute | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
06 | Mercenary | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
07 | The Princess | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
08 | The Queen | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
09 | In the Marketplace | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
10 | On the Battlefield | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
11 | Court Dance | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
12 | The Army | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
13 | In the Castle | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
14 | Fanfares | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
15 | At Court [Piano Sonata No. 11 in A major, K. 331 - I. Andante grazioso] | Wolfgang Amadeus Mozart | |
16 | Entree | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
17 | Deep Blue | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann | |
18 | Struggle | Joachim Schäfer; Gerd Hofmann |