Disciples: Sacred Lands
Kümmerliches Kleinod
Das Spiel gibt uns häufig das Gefühl von Machtlosigkeit, wenn wir unseren Einheiten beim Ableben zuschauen, ist dadurch allerdings auch in gewisser Weise ehrlich. Wo uns andere Fantasyspiele mit quietschbunten Farben und knalligen Effekten dreckig ins Gesicht lachen, während wir auf die Schnauze bekommen, schaut Disciples uns nicht mal an. „Dein Problem“, scheint es zu sagen. Und irgendwie stimmt das ja auch.
Dabei ist das Spiel der oben genannten Heroes-Reihe gar nicht so unähnlich: Hier wie dort rekrutieren wir Helden, die eine Welt aus der Iso-Ansicht erkunden, Monster bekämpfen, Ressourcen einsacken und Städte erobern. Diese können wir pro Runde um jeweils ein Gebäude erweitern, durch die wir neue oder stärkere Einheiten freischalten, Zauber erlernen oder Zugriff auf andere nützliche Sachen erhalten können. Aber da hören die Gemeinsamkeiten dann auch schon auf.
Zum einen gibt es in Disciples nur fünf Ressourcen, von denen wir aber lediglich das Gold benötigen, um Städte upzugraden oder Einheiten und Items zu erwerben. Die anderen vier Ressourcen sind Mana-Kristalle der verschiedenen Gottheiten. Diese benötigen wir, um Zauber freizuschalten und wirken zu können. So sind wir nicht auf den Manapool unseres Helden begrenzt, sondern unsere finanziellen Rücklagen. Wollen wir einen Feind vor dem Kampf mit Feuerbällen einheizen oder uns von A nach B teleportieren, können wir das tun, so lange unser Vorrat aufgefüllt ist.
Zum anderen rekrutieren wir anders als bei den Heroes-Spielen keine Einheiten-Stacks, sondern haben maximal sechs Slots (bzw. fünf abzüglich des Helden) in unseren Armeen, die wir mit einzelnen Kämpfern befüllen können. Da manche Einheiten auch zwei Slots einnehmen, kann unser Heldentrupp also auch mal nur aus 4 Recken bestehen. Statt also Zahlenmanagement zu betreiben, versuchen wir in jedem Kampf, unsere Soldaten mit Tränken und Zaubern am Leben zu erhalten. Denn die sammeln Erfahrung und steigen mit genug davon im Level auf, wodurch z.B. aus einem Ritter ein Paladin wird – sofern wir das dafür notwendige Gebäude errichtet haben. Dazu gleich mehr.
Die Kämpfe sind dabei recht rudimentär: In Zweierreihe aufgestellt schlagen unsere Mannen ihrem Initiative-Wert folgend nacheinander auf die Gegner ein, bis deren Lebensbalken bei null angelangt sind. Taktieren auf einem Schlachtfeld wie bei Age of Wonders gibt’s nicht, einzig, ob wir unsere Nahkämpfer auch nach vorne gestellt haben, ist entscheidend. Dadurch sind Scharmützel wenig anspruchsvoll und nur durch die Frage wirklich spannend, ob unsere Einheiten den Kampf möglichst unbeschadet überstehen. Denn tun sie es nicht und wir haben keinen Friedhof, um sie für einen ordentlichen Batzen Geld wieder auferstehen zu lassen, müssen wir unseren Nachschub mühselig erneut aufleveln. Das birgt viel Frustpotential, gleicht sich mit der Freude über eine vollkommen übermächtige Einheitenkonstellation aber wieder aus.
Nein, seinen strategischen Anspruch entfaltet Disciples schon davor. Nämlich bei der Frage, welche Gebäude und folglich auch welche Weiterentwicklungen für unsere Einheiten wir bauen: Möchten wir, dass unser Kleriker ein starker Heiler oder lieber ein aus der Ferne schießender Hexenjäger wird? Und nehmen wir als Helden den Ritter mit, der auf seinem Pegasus schnell über die Karte fliegen kann? Oder lieber einen Magier, dessen Zauber weniger kosten?
Jenseits dieser Fragen macht es einfach Spaß, die eigene Truppe beim Aufleveln zu begleiten und der Weltkarte dabei zuzusehen, wie sie sich immer mehr mit unserem Terrain einfärbt. Denn das geschieht automatisch im Einflussbereich unserer Stadt und unterscheidet sich von Fraktion zu Fraktion: Menschen kriegen Gras, die Bergzwerge Schnee, die Untoten totes Land und die Dämonen klassische Lavalandschaften mit fiesen Gesteinszacken. In Kombination mit den auch heute noch sehr schicken Charakterartworks ist Disciples: Sacred Lands wirklich nicht schlecht gealtert, auch wenn da die Nostalgie aus mir sprechen mag. Ein Must-Play ist es sicherlich nicht, aber für Genrefans durchaus ein Blick wert.
Einen Lauscher wert ist derweil auch der Soundtrack von Sébastien Thifault, der zwar abseits von Disciples: Sacred Lands keine weiteren Kompositionen hervorgebracht hat – was nicht weiter verwunderlich ist, wird er doch hauptsächlich als Visual Effects Artist geführt – aber scheinbar ein Networth von 11 Mil. Dollar besitzt. Wer jetzt verwirrt ist, den heiße ich willkommen im Club.
Der OST umfasst 25 Tracks, von denen man über die Hälfte direkt streichen kann, da es sich hierbei um Hintergrundeffekte handelt, deren Inhalt sich bei den gleichsam Ambient benannten Titeln von Fröschequaken über Krähenkrähen bis zu Eulengeheule erstreckt. Dazu gesellen sich dann noch die Städte-Bildschirme (City, Dwarf, Heretic, Human, Undead), was bedeutet, dass wir keinen schönen Themes Marke Heroes of Might and Magic lauschen dürfen … schade.
Klammert man diese Nicht-Lieder aus, beginnt der Score mit Battle – und ja, es gibt nur ein Stück, das während der Gefechte läuft. Die Tatsache, dass ich dessen dennoch nicht überdrüssig geworden bin, sollte Bände sprechen. Irgendwie mag ich die simple Melodie, die uns da entgegenloopt. Erinnert mich an die Commandos-Spiele. Darauf folgt das nette Golden, das etwas Deus Ex-ques hat. Generell sind die Tracks recht eingängig und simpel gehalten, was der Zeit vor dem Jahrtausendwechsel geschuldet sein mag, oder sich als Stilmittel für dieses gedämpfte High-Fantasy-Setting deuten lässt.
Highlight des Scores ist für mich indes das Menu-Theme, das irgendwo zwischen belanglos simpel und genial motivierend pendelt. Die Kombination aus Flöte, Harfe und Trommeln hat so einen herrlich archaischen Charakter, der zu diesem Rohdiamanten eines Spiels passt. Es ist nicht raffiniert, nicht sauber gearbeitet oder poliert. Hier läuft ein Stück, in dem der Komponist sagt: „Hey, ich hatte eine Idee für eine coole Melodie, ich versuche das mal so gut es geht umzusetzen.“ Mir reicht das, und Thifault scheinbar auch, taucht es als Zitat oder Variation doch in fast allen anderen Stücken wie Camp, King of the Sacred Lands (fröhlich), Midgard (triumphal) oder Undead 2 (deprimierend) auf. Für manch einen mag das Ideenlosigkeit sein, ich halte es, wie häufig betont, für sinnvoll weil identitätsstiftend. Und da der Score ansonsten eh nicht viel zu bieten hat, ist es umso besser, dass zumindest das Theme funktioniert.
Wie eingangs erwähnt mag hier die Nostalgie für mich sprechen, aber für ein Spiel, dem weniger Erfolg beschieden war, als es meiner Meinung nach verdient hatte, ist der Soundtrack echt gut gelungen. Nervig ist zwar, dass die Stücke allesamt einmal geloopt wurden, aber da sie sonst etwas kurz geraten wären und die Melodien eingängig genug sind, um nicht zu nerven, habe ich damit keine Probleme. Ich würde ein Reinhören durchaus empfehlen, zumal es ohnehin nicht ewig dauert. Und danach kann man mir ja immer noch sagen, dass ich keine Ahnung habe, was gute Musik ist.
Nostalgiewarnung
Nr. | Titel | Interpret(en) | Bewertung |
---|---|---|---|
01 | Ambient 01 | Sébastien Thifault | |
02 | Ambient 02 | Sébastien Thifault | |
03 | Ambient 03 | Sébastien Thifault | |
04 | Ambient 04 | Sébastien Thifault | |
05 | Ambient 05 | Sébastien Thifault | |
06 | Ambient 06 | Sébastien Thifault | |
07 | Ambient 07 | Sébastien Thifault | |
08 | Ambient 08 | Sébastien Thifault | |
09 | Ambient 09 | Sébastien Thifault | |
10 | Ambient 10 | Sébastien Thifault | |
11 | Ambient 11 | Sébastien Thifault | |
12 | Ambient 12 | Sébastien Thifault | |
13 | Battle | Sébastien Thifault | |
14 | Camp | Sébastien Thifault | |
15 | City | Sébastien Thifault | |
16 | Dwarf | Sébastien Thifault | |
17 | Golden | Sébastien Thifault | |
18 | Heretic | Sébastien Thifault | |
19 | Human | Sébastien Thifault | |
20 | King of the Sacred Lands | Sébastien Thifault | |
21 | Menu | Sébastien Thifault | |
22 | Midgard | Sébastien Thifault | |
23 | Undead | Sébastien Thifault | |
24 | Undead 2 | Sébastien Thifault | |
25 | Unspoken | Sébastien Thifault |